BUNDESARBEITSGERICHT
URTEIL
Teilzahlungen, die der Schuldner auf eine nach § 802b ZPO (bis 31. Dezember 2012 § 806b ZPO) mit dem Gerichtsvollzieher geschlossene Zahlungsvereinbarung erbringt, sind selbständig anfechtbar. Ob diese Zahlungen inkongruente Deckung bewirken, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem sie die Befriedigung des Gläubigers bewirken. Das ist der Zeitpunkt, in dem der Gerichtsvollzieher den an ihn gezahlten Teilbetrag an den Gläubiger auskehrt.
BAG, Urteil vom 20.09.2017 - 6 AZR
58/16
In Sachen
..
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 20. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter am
Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Spelge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Krumbiegel sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Augat und Zabel für Recht erkannt:
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. August 2015 - 7 Sa 342/15 - wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen erst ab dem 17. Oktober 2012 zu zahlen
sind.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte
Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, das er unter dem Druck der Zwangsvollstreckung
erlangt hat, im Wege der Insolvenzanfechtung an die Masse zurückgewähren muss.
2
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf Antrag vom 30.
Juli 2012 am 16. Oktober 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen
des T (Schuldner). Der Beklagte war bis zum 3. Mai 2010 beim Schuldner als
Fahrer beschäftigt. Mit Urteil vom 11. Januar 2011 wurden Entgeltansprüche des
Beklagten für die Zeit vom 1. März bis 3. Mai 2010 von 3.071,42 Euro nebst
Zinsen tituliert. Am 21. September 2011 erteilte der Beklagte Auftrag, aus dem
Titel die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners zu
betreiben. Die Gerichtsvollzieherin vereinbarte mit dem Schuldner anstelle
einer Pfändung Ratenzahlungen. Dieser leistete zunächst zwischen dem 29.
November 2011 und 22. Februar 2012 in drei Teilbeträgen insgesamt 2.087,80 Euro
an den Beklagten. Diese Zahlungen sind nicht angefochten. Am 29. Mai 2012
zahlte der Schuldner 1.719,55 Euro und am 4. Juni 2012 17,89 Euro an die
Gerichtsvollzieherin. Diese Zahlungen, die der der Kläger mit Schreiben vom 5.
Februar 2014 angefochten hat, sind Gegenstand des Rechtsstreits.
3
Am 29. Mai 2012 befand sich das einzige Konto des Schuldners
mit rund 18.600,00 Euro im Minus. Das Kreditlimit von 19.000,00 Euro war damit
fast ausgeschöpft. Zugleich bestanden fällige, offene Forderungen gegen den Schuldner
von rund 12.500,00 Euro. Auch am 21. Juni 2012 stand das Konto des Schuldners
noch mit einem Betrag von rund 16.000,00 Euro im Minus, ohne dass der Schuldner
diesen Fehlbetrag bis zur Insolvenzeröffnung ausgleichen konnte.
4
Der Kläger hat zur Begründung seiner Klageforderung
vorgetragen, die am 29. Mai und 4. Juni 2012 erfolgten Zahlungen müssten nach §
131 Abs. 1 Nr. 2 iVm. § 143 Abs. 1 InsO zur Masse zurückgewährt werden. Sie
seien im Wege der Zwangsvollstreckung bzw. zu deren Abwehr erlangt worden und
damit inkongruent. Dabei sei auf die jeweilige Zahlung durch den Schuldner
abzustellen. Der Schuldner sei im Zeitpunkt dieser Zahlungen zahlungsunfähig
gewesen.
5
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.737,44 Euro nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.
Oktober 2012 zu zahlen.
6
Der Beklagte hat seinen Antrag auf Abweisung der Klage
darauf gestützt, dass er keine inkongruente Deckung erlangt habe. Die streitbefangenen
Zahlungen seien nicht zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden
Zwangsvollstreckung erfolgt. Abzustellen sei auf den Zeitpunkt der Erteilung
des Zwangsvollstreckungsauftrags am 21. September 2011. Alle Zahlungen des
Schuldners an die Gerichtsvollzieherin seien aufgrund dieses Auftrags außerhalb
der kritischen Zeit erfolgt. Die Ratenzahlungsvereinbarung sei zudem gegen den
ausdrücklichen Auftrag an die Gerichtsvollzieherin, eine Mobiliarpfändung
durchzuführen, geschlossen worden und könne dem Beklagten nicht zugerechnet
werden. Ohnehin verdränge § 88 InsO als lex specialis § 131 InsO. Hilfsweise
hat der Beklagte geltend gemacht, er sei entreichert.
7
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner
vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel
der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
8
Die Revision ist bis auf einen geringen Teil des
Zinsausspruchs unbegründet. Der Beklagte muss die vom Schuldner am 29. Mai und
4. Juni 2012 an die Gerichtsvollzieherin gezahlten Beträge von insgesamt
1.737,44 Euro gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 iVm. § 143 InsO an die Masse
zurückgewähren.
I.
9
Die Zahlungen, die der zu diesem Zeitpunkt bereits
zahlungsunfähige Schuldner am 29. Mai und 4. Juni 2012 an die Gerichtsvollzieherin
geleistet hat, erfolgten aufgrund einer Zahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO aF (seit dem 1. Januar 2013 § 802b
Abs. 2 ZPO) und deshalb unter dem Druck der weiterhin unmittelbar
bevorstehenden Zwangsvollstreckung. Mit Eingang dieser von der Gerichtsvollzieherin
an ihn weitergeleiteten Beträge hat der Beklagte im zweiten bzw. dritten Monat vor dem am 30. Juli 2012 gestellten Insolvenzantrag
eine inkongruente Deckung erhalten. Die gläubigerbenachteiligende Wirkung
begründet die Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
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1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht bereits
die Erteilung des Zwangsvollstreckungsauftrags die nach § 140 InsO anfechtbare
Rechtshandlung. Anfechtbar sind die einzelnen auf die von der
Gerichtsvollzieherin geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung erbrachten
Teilzahlungen. Darauf, ob auch die Ratenvereinbarung selbst anfechtbar ist,
kommt es nicht an. Der Kläger hat insoweit keine Anfechtung erklärt. Ob die
Teilzahlungen in die kritische Zeit des § 131 InsO fallen, bestimmt sich nach
dem Zeitpunkt, in dem die Erfüllungswirkung dieser Zahlungen eintritt. Das ist
der Eingang dieser Beträge beim Gläubiger.
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a) Nach § 140 Abs. 1 InsO ist für die Anfechtbarkeit einer
Rechtshandlung grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem ihre rechtliche
Wirkung eintritt. Es kommt darauf an, wann eine Rechtsposition begründet worden
ist, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung
hätte beachtet werden müssen (BT-Drs. 12/2443 S. 166). Erst dadurch tritt die
Gläubigerbenachteiligung ein, der durch die Anfechtung entgegengewirkt werden
soll (vgl. BGH 11. Januar 2007 – IX ZR 31/05 - Rn. 10, BGHZ 170, 276). Darum
ist das bloße Erteilen eines Vollstreckungsauftrags allein noch keine
anfechtbare Rechtshandlung. Es handelt sich dabei lediglich um den ersten Akt
eines Gesamtvorgangs, der isoliert betrachtet noch nicht in die Rechte des
Schuldners eingreift und keine Ansprüche des Gläubigers begründet. Das
geschieht erst durch die (erfolgreiche) Vornahme von Vollstreckungshandlungen (MüKoInsO/ Kirchhof 3. Aufl. § 140 Rn. 21) oder durch
Handlungen des Schuldners zur Abwendung der Zwangsvollstreckung. Teilzahlungen
- wie die auf die mit der Gerichtsvollzieherin geschlossene
Ratenzahlungsvereinbarung erfolgten - haben jeweils eigene Vollendungszeitpunkte
(MüKoInsO/Kirchhof aaO Rn. 10; Uhlen-bruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 140 InsO Rn. 53) und sind
deshalb eigenständig anfechtbare Rechtshandlungen.
12
b) Die letzten beiden Teilzahlungen auf die
Ratenzahlungsvereinbarung vom 29. Mai und 4. Juni 2012 fallen in den von § 131
Abs. 1 Nr. 2 InsO erfassten Zeitraum. Der Beklagte hat diese an die
Gerichtsvollzieherin gezahlten Beträge im zweiten und dritten Monat vor dem
Insolvenzantrag erhalten.
13
aa) Nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts sagte der
Schuldner der Gerichtsvollzieherin zur Abwendung der Mobiliarvollstreckung zu,
Ratenzahlungen zu erbringen. Die Gerichtsvollzieherin vereinbarte mit dem
Schuldner Ratenzahlung statt Pfändung und schloss damit eine
Ratenzahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO aF.
14
bb) Rechtliche Wirkung iSd. § 140 InsO entfalteten die auf
die Ratenzahlungsvereinbarung geleisteten Teilzahlungen erst mit der
Weiterleitung dieser Beträge durch die Gerichtsvollzieherin an den Beklagten.
15
(1) Zahlt der Schuldner im Rahmen einer Zahlungsvereinbarung
an den Gerichtsvollzieher, bewirkt dies allein noch keine Erfüllung nach § 362
BGB. Der Gerichtsvollzieher wird auch dann nicht als Vertreter des Gläubigers
tätig, wenn er freiwillige Zahlungen des Schuldners entgegennimmt oder eine
Ratenzahlungsvereinbarung abschließt. Er handelt insoweit nicht aufgrund
Privatautonomie, sondern kraft des ihm verliehenen öffentlichen Amtes in
Ausübung der staatlichen Vollstreckungsgewalt (BGH 29. Januar 2009 - III ZR
115/08 - Rn. 6, BGHZ 179, 298; 28. Juni 2006 – VII ZB 157/05 - Rn. 14;
Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 802b Rn. 11). Bis zur
Auslieferung des vereinnahmten bzw. auf sein Dienstkonto eingezahlten Betrags
kann der Gerichtsvollzieher darum noch zu Lasten des Gläubigers über diesen
Betrag verfügen und ihn zum Beispiel zur Befriedigung anderer Gläubiger
verwenden (vgl. die Konstellation in BGH 29. Januar 2009 - III ZR 115/08 -
aaO). Erst wenn der Gerichtsvollzieher das Geld an den Gläubiger weiterleitet,
tritt Erfüllung ein (BGH 29. Januar 2009 - III ZR 115/08 - Rn. 6, aaO).
16
(2) Aus § 815 Abs. 3 ZPO folgt nichts anderes. Danach gilt
die Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung von Seiten des
Schuldners, sofern keine Hinterlegung zu erfolgen hat. Diese nach überwiegender
Ansicht eine Regelung zur Gefahrtragung darstellende, nach anderer Ansicht eine
Erfüllungsfiktion anordnende Bestimmung (Nachweise zum Meinungsstand bei BGH
29. Januar 2009 - III ZR 115/08 - Rn. 9, BGHZ 179, 298) ist analog anzuwenden,
wenn der Schuldner freiwillig an den Gerichtsvollzieher zahlt (BGH 29. Januar
2009 - III ZR 115/08 - Rn. 6, 14, aaO). § 815 Abs. 3 ZPO schützt jedoch auch in
seiner analogen Anwendung ausschließlich den Schuldner
davor, ein weiteres Mal zahlen zu müssen, wenn das vereinnahmte Geld vor seiner
Auslieferung an den Gläubiger, der den Gerichtsvollzieher beauftragt hat,
abhandenkommt. Der Gläubiger ist in einem solchen Fall auf einen
Amtshaftungsanspruch verwiesen (BGH 29. Januar 2009 - III ZR 115/08 - Rn. 9,
11, 14, aaO). Er hat also gerade noch keine in einem später gegen den Schuldner
eröffneten Insolvenzverfahren belastbare Rechtsposition erworben. Eine solche
Rechtsposition erlangt der Gläubiger erst mit der Weiterleitung der
vereinnahmten Beträge durch den Gerichtsvollzieher. Erst dadurch wird seine
Forderung nach § 362 BGB erfüllt.
17
(3) Der Gläubiger kann sein Risiko, dass die an den
Gerichtsvollzieher gezahlten und an ihn weitergeleiteten Raten nicht
insolvenzfest sind, vermindern, indem er im Vollstreckungsauftrag den
Gerichtsvollzieher anweist, keine Zahlungsvereinbarung zu schließen oder sein
Einverständnis auf eine Mindestrate und/oder eine Höchstfrist für die
Zahlungsdauer beschränkt. Zwar ist der Gerichtsvollzieher gemäß § 754 Abs. 1
ZPO durch die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels und des
Vollstreckungsauftrags ua. dazu ermächtigt, mit Wirkung für den Gläubiger
Zahlungsvereinbarungen nach § 806b ZPO aF bzw. nach §
802b Abs. 2 ZPO mit dem Schuldner zu treffen. Bereits
§ 806b ZPO aF ließ jedoch eine Zahlungsvereinbarung
nur zu, wenn das Einverständnis des Gläubigers zumindest zu vermuten war
(Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 806b Rn. 5). War
der Gläubiger mit einer solchen Vereinbarung nicht einverstanden, durfte der
Gerichtsvollzieher nicht weiter tätig werden (Zöller/ Stöber ZPO 29. Aufl. § 806b Rn. 4). § 802b Abs. 2 Satz 1
ZPO stellt seit dem 1. Januar 2013 lediglich klar, dass der Gläubiger eine
Zahlungsvereinbarung von vornherein ausschließen oder unter Bedingungen stellen
kann (MüKoZPO/ Wagner 5. Aufl. § 802b Rn. 2). Das
Einverständnis des Gläubigers mit dem Abschluss einer solchen Vereinbarung wird
nur dann vermutet, wenn er es im Vollstreckungsauftrag nicht ausdrücklich
ausgeschlossen oder beschränkt hat (vgl. BT-Drs. 16/10069 S. 24). An
abweichende Vorgaben des Gläubigers ist der Gerichtsvollzieher gebunden.
Außerdem muss der Gerichtsvollzieher den Gläubiger unverzüglich über die
Zahlungsvereinbarung informieren. Auch das galt bereits für den Abschluss einer
Vereinbarung nach § 806b ZPO aF. Hatte der Gläubiger
eine solche Vereinbarung nicht bereits eindeutig ausgeschlossen, durfte der
Gerichtsvollzieher sie zwar abschließen, musste aber anschließend die
Genehmigung des Gläubigers einholen (Stein/Jonas/Münzberg aaO). § 802b Abs. 3 Satz 1 ZPO verpflichtet den Gerichtsvollzieher
nunmehr ausdrücklich dazu, den Gläubiger zu unterrichten. Schließlich konnte
der Gläubiger nach dem im Zwangsvollstreckungsrecht geltenden Grundsatz der
Parteiherrschaft (dazu BGH 21. Dezember 2015 -I ZB 107/14 - Rn. 22;
Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. Vor § 704 Rn. 19) bereits nach § 806b ZPO aF seine Einwilligung oder seine Genehmigung
jederzeit widerrufen (Stein/Jonas/Münzberg aaO; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 806b Rn. 2). § 802b Abs. 3 Satz 2
ZPO stellt lediglich klar, dass die Zahlungsvereinbarung hinfällig wird, wenn
ihr der Gläubiger unverzüglich widerspricht. § 802b
Abs. 3 Satz 3 ZPO fingiert den Widerruf des Einverständnisses, wenn der
Schuldner mit der Ratenzahlung mehr als zwei Wochen in Rückstand gerät. Auch
wenn die bloße Mitteilung des Gerichtsvollziehers, der Schuldner sei bereit,
die Forderung in Teilbeträgen zu tilgen, noch nicht den Rückschluss erzwingt,
dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat und damit der Abschluss der
Zahlungsvereinbarung für sich betrachtet noch nicht die Anfechtbarkeit nach §
133 Abs. 1 InsO begründet (BGH 6. Juli 2017 - IX ZR 178/16 - Rn. 20), ist der
Gläubiger, der das Risiko einer Anfechtung minimieren will, gehalten, die
Möglichkeit des Gerichtsvollziehers, eine gütliche Erledigung des
Zwangsvollstreckungsauftrags zu versuchen, zu beschränken.
18
Missachtet der Gerichtsvollzieher die ihm erteilten
Weisungen und/oder die Unterrichtungsverpflichtung, tritt zwar die
Erfüllungswirkung mit Weiterleitung des erhaltenen Betrags gleichwohl ein
(MüKoZPO/Wagner 5. Aufl. § 802b Rn. 12), so dass der
erhaltene Betrag möglicherweise nicht mehr insolvenzfest ist. Dann hat der
Gläubiger jedoch einen Amtshaftungsanspruch gegen den Gerichtsvollzieher.
Gleiches gilt, wenn der Gerichtsvollzieher die erhaltenen Beträge entgegen §
119 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) idF vom
5. September 2016 (bis zum 31. Juli 2012 § 106 Nr. 6 GVGA) nicht unverzüglich
an den Empfangsberechtigten abführt.
19
cc) Der Beklagte hat die ihm bereits nach § 806b ZPO aF eröffneten Möglichkeiten, sein nach Erteilung
des Zwangsvollstreckungsauftrags bestehendes Anfechtungsrisiko zu mindern,
nicht genutzt. Er hat der Gerichtsvollzieherin keine Anweisung erteilt, die
deren Befugnis, eine Vereinbarung nach § 806b Satz 2
ZPO aF mit dem Schuldner zu schließen, ausgeschlossen oder eingeschränkt hätte.
Der bloße Auftrag, die Zwangsvollstreckung (nur) in das bewegliche Vermögen des
Schuldners zu betreiben, genügte entgegen der Annahme des Beklagten nicht, um
der Gerichtsvollzieherin den Abschluss der Zahlungsvereinbarung zu untersagen
(aA MüKoZPO/Wagner 5. Aufl. § 802b Rn. 10). Es fehlte
an dem erforderlichen ausdrücklichen Ausschluss einer gütlichen Einigung. Durch
den Auftrag zur Mobiliarpfändung war die Gerichtsvollzieherin lediglich befugt
und verpflichtet, die Zwangsvollstreckung nach §§ 808 ff. ZPO zu betreiben. Im
Rahmen dieses Auftrags blieb sie jedoch zur gütlichen Einigung und damit zum
Abschluss einer Zahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO
aF befugt (vgl. Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 802b
Rn. 6). Erst wenn es zu einer gütlichen Einigung nicht gekommen wäre, hätte
sich ihre Vollstreckungs- und Verwertungsbefugnis auf die körperlichen Sachen
iSv. § 808 Abs. 1 ZPO, dh. alle beweglichen Sachen nach § 90 BGB sowie Tiere
iSd. § 90a BGB (BeckOK ZPO/Forbriger
ZPO § 808 Rn. 1), beschränkt.
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dd) Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt,
wann die Gerichtsvollzieherin die von ihr am 29. Mai
und 4. Juni 2012 vereinnahmten Beträge an den Beklagten weitergeleitet hat. Es
ist jedoch unstreitig, dass der Beklagte diese Beträge zeitnah und damit im
Zwei- bzw. Dreimonatszeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erhalten hat.
21
2. Die Teilzahlungen von 1.719,55 Euro bzw. 17,89 Euro
erfolgten aufgrund der von der Gerichtsvollzieherin nach § 806b
Abs. 2 ZPO aF geschlossenen Zahlungsvereinbarung und damit unter dem Druck der
unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(grundlegend: 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 -; 19.
Mai 2011 - 6 AZR 736/09 -) und des Bundesgerichtshofs
(seit 9. September 1997 - IX ZR 14/97 - BGHZ 136, 309; weitere Nachweise bei
Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 131 InsO Rn. 60) sind Zahlungen, die zur
Abwendung der angedrohten unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung
erfolgen, als Druckzahlungen inkongruent. In der kritischen Zeit der letzten
drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder der Zeit nach diesem Antrag ist die
„materielle Insolvenz“ bereits eingetreten. Der Arbeitnehmer kann in dieser
Zeit bereits keine Leistung unter Einsatz hoheitlichen Zwangs mehr
beanspruchen, durch den er auf das zur Befriedigung aller Gläubiger
unzureichende Vermögen des späteren Insolvenzschuldners zugreift und andere
Gläubiger zurücksetzt. Vielmehr wird in dieser Zeit das in der Zwangsvollstreckung
grundsätzlich geltende Prioritätsprinzip schon durch den Grundsatz der
Gleichbehandlung aller Gläubiger ersetzt.
23
b) Diese Rechtsprechung ist durch den Gesetzgeber
legitimiert. Sowohl in Art. 2 Ziff. 4 des Entwurfs eines „Gesetzes zum Pfändungsschutz
der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung“
(BT-Drs. 16/886 S. 5) als auch in Art. 1 Ziff. 2 des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung vom 16. Dezember 2015 eines „Gesetzes zur Verbesserung der
Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem
Anfechtungsgesetz“ (BT-Drs. 18/7054 S. 7) war jeweils vorgesehen, dass eine
inkongruente Deckung und damit eine nach § 131 InsO anfechtbare Rechtshandlung
nicht allein deswegen vorliegen sollte, weil die Sicherung bzw. Befriedigung
durch Zwangsvollstreckung oder zu deren Abwendung bewirkt worden war.
Gläubiger, die lediglich von den im Gesetz vorgesehenen Zwangsmitteln Gebrauch
gemacht hatten, sollten keine Anfechtung wegen Inkongruenz mehr befürchten
müssen. Maßgeblich dafür, ob eine Deckung kongruent sei oder nicht, sei allein,
ob der Gläubiger das erhalte, worauf er nach dem Inhalt des zugrunde liegenden
Rechtsverhältnisses einen Anspruch habe (BT-Drs. 18/7054 S. 17). Diese
geplanten Gesetzesänderungen sind jedoch nicht erfolgt. Der Gesetzgeber hat
sich in beiden Gesetzgebungsverfahren in Kenntnis der Problematik bewusst
dagegen entschieden, Deckungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt
worden sind, und Druckzahlungen als kongruent anzusehen (BT-Drs. 16/3844 S. 11;
BT-Drs. 18/11199 S. 10 f.).
24
c) Entgegen der Ansicht der Revision lag nach der dafür
maßgeblichen objektivierten Sicht des Schuldners (BGH 15. Mai 2003 – IX ZR
194/02 - zu II 3 der Gründe) eine Druckzahlung vor.
25
aa) Erbringt der Schuldner Zahlungen auf der Grundlage einer
Vereinbarung nach § 806b ZPO aF bzw. nach § 802b Abs. 2 ZPO, handelt es sich dabei nicht um
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, sondern noch um Druckzahlungen. Zahlungen, die
freiwillig oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher
erfolgen, sind keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern (BGH 27. Mai
2003 – IX ZR 169/02 - zu II 1 b der Gründe, BGHZ 155, 75). Die
Zahlungsvereinbarung hat einen Vollstreckungsaufschub zur Folge. Die vom
Gerichtsvollzieher gestatteten Ratenzahlungen erfolgen deshalb gerade außerhalb
der Zwangsvollstreckung (BGH 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 - Rn. 19).
26
bb) Für die Beurteilung der Frage, ob eine kongruente oder
inkongruente Deckung vorliegt, ist es entgegen der Ansicht des Beklagten
unerheblich, ob der Vollstreckungstitel vor der Krise erlangt und/oder der
Vollstreckungsauftrag noch vor dieser Zeit erteilt ist. Maßgebend ist allein,
wann die Sicherung bzw. Befriedigung erlangt ist (vgl. MüKoInsO/Kayser
3. Aufl. § 131 Rn. 27).
27
cc) Die angefochtenen Teilzahlungen bewirkten inkongruente
Deckung. Der Schuldner erbrachte aus seiner objektivierten Sicht die
angefochtenen Zahlungen, um die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung
abzuwenden. Er musste damit rechnen, dass der Beklagte sein Einverständnis mit
der Zahlungsvereinbarung widerrufen würde, wenn er die Raten nicht pünktlich
erbrachte, und das Verfahren fortsetzen würde (Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. §
806b Rn. 5). Er konnte nur durch die pünktliche Zahlung
der vereinbarten Raten den Vollstreckungsaufschub aufrechterhalten und so die
Verfügungsbefugnis über seine verbliebenen Vermögenswerte behalten (vgl.
Zivkovic ZVI 2017, 2, 3 f.). Deshalb wurde der Druck, der zu den angefochtenen
Teilzahlungen führte, entgegen der Ansicht des Beklagten nicht nur durch den
erfolglosen Pfändungsversuch ausgelöst, sondern dauerte bis zur Zahlung der
letzten Rate ununterbrochen an (vgl. MüKoInsO/Kayser
3. Aufl. § 131 Rn. 26c; Zivkovic ZVI 2017, 2, 4). Der
Schuldner musste davon ausgehen, dass die Gerichtsvollzieherin im Auftrag des
Beklagten unverzüglich mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung
beginnen würde, sofern er dem nicht durch den Abschluss der
Zahlungsvereinbarung und deren Erfüllung zuvorkäme. Damit bestand der für eine
Druckzahlung erforderliche Zurechnungszusammenhang von Androhung der
Zwangsvollstreckung und Zahlung fort (vgl. BGH 18. Dezember 2003 - IX ZR 199/02
- zu I 2 a bb (3) der Gründe, BGHZ 157, 242). Darauf, ob eine nach Erteilung
des Zwangsvollstreckungsauftrags vorgenommene Mobiliarpfändung vor der Krise
zur Befriedigung des Beklagten geführt hätte, kommt es deshalb entgegen den
Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem Senat nicht an. Diese Argumentation berücksichtigt darüber
hinaus nicht, dass der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung nach § 806b ZPO aF voraussetzte, dass die Gerichtsvollzieherin bei
ihrem Pfändungsversuch keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden hatte, der
Vollstreckungsversuch also fruchtlos verlaufen war.
28
3. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon
ausgegangen, dass der Schuldner in dem für die
Feststellung der Anfechtungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt
zahlungsunfähig war. Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten
Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach §
17 InsO (BGH 16. Juni 2016 – IX ZR 23/15 - Rn. 9). Hat der Schuldner seine
Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die Insolvenzanfechtung gemäß §
17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit (BAG 6.
Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 23, BAGE 139, 235).
Nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts bestanden schon Ende Mai 2012
Forderungen in einer Größenordnung von über 30.000,00 Euro, die der Schuldner
bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr befriedigen konnte. Zweifel daran, dass
er im Zeitpunkt der Zahlungen an die Gerichtsvollzieherin und deren Eingang bei
dem Beklagten seine Zahlungen eingestellt hatte, bestehen nicht. Diese werden
auch von der Revision nicht erhoben.
29
4. Entgegen der Annahme des Beklagten wird § 131 InsO nicht
durch die von § 88 InsO angeordnete Rückschlagsperre verdrängt. Vielmehr
ergänzen sich die Vorschriften der Insolvenzanfechtung und die Rückschlagsperre.
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO verallgemeinert deren Wirkungen (BAG 27. Februar 2014 -
6 AZR 367/13 - Rn. 26). Darüber hinaus findet die
Rückschlagsperre auf freiwillige Zahlungen des Schuldners sowie auf Zahlungen,
die wie hier zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung erfolgen, keine
Anwendung (MüKoInsO/Breuer 3. Aufl. § 88 Rn. 21; vgl.
zur Rückschlagsperre des § 104 VglO BGH 10. Februar
1971 - VIII ZR 182/69 - zu 2 der Gründe, BGHZ 55, 307).
30
5. Der vom Beklagten in den Tatsacheninstanzen erhobene
Entreicherungseinwand verfängt nicht. Der Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1
InsO ist kein Bereicherungsanspruch (vgl. BGH 3. Dezember 1954 - V ZR 96/53
-BGHZ 15, 333). Die §§ 812 ff. BGB finden daher nur insoweit Anwendung, als in
§ 143 Abs. 1 Satz 2 und § 143 Abs. 2 InsO auf das Bereicherungsrecht verwiesen
wird. Als Anfechtungsgegner ist der Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO
unmittelbar der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen. Aufgrund
dieser Rechtsfolgenverweisung ist der Rückzahlungsanspruch als rechtshängiger
Anspruch zu behandeln. Auf Entreicherung kann sich der Beklagte darum nicht
berufen (BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 -Rn. 20 f.).
II.
31
Der Beklagte hat den Rückgewähranspruch seit dem Folgetag
der Insolvenzeröffnung, dh. erst ab dem 17. Oktober 2012 - und nicht wie von
den Vorinstanzen ausgeurteilt seit dem 16. Oktober 2012 -, in der beantragten
Höhe zu verzinsen (st. Rspr. seit BAG 27. Februar
2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 39 f.). Insoweit unterliegt
das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Aufhebung und das Urteil des
Arbeitsgerichts der Abänderung.
III.
32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.