Der Rücktritt von einem Prozessvergleich ist nicht durch Fortsetzung des Ursprungsrechtsstreits geltend zu machen, sondern durch neue Klage. (nicht amtlich)
OLG Hamm, Urteil vom 19.03.2015 - 28 U 118/14
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.08.2014 verkündete
Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung
nicht Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung
eines Kaufvertrags über ein als Neufahrzeug erworbenes Wohnmobil.
Aufgrund verbindlicher Bestellung vom 17.04.2012 erwarben
der Kläger und seine Ehefrau von der Beklagten ein Neufahrzeug vom Typ Hymer B Starline 585 zum Preis
von 94.413 €, wobei ein vorhandenes Wohnmobil in Zahlung gegeben wurde. Das
neue Wohnmobil wurde im Mai 2012 ausgeliefert.
In der Folgezeit stellte der Kläger das Fahrzeug, das auf
einem Fahrgestell des Herstellers Mercedes Benz aufgebaut ist, wegen von ihm
bemängelten Kühlwasserverlustes in verschiedenen Mercedes-Werkstätten vor,
wobei streitig ist, ob dies in Kenntnis und Absprache mit der Beklagten
erfolgte.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.10.2012 begehrten die Eheleute u
von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufs. Zur Begründung führten sie zum
einen den nach ihrer Darstellung weiterbestehenden Mangel im Kühlsystem an, zum
anderen rügten sie, dass die zulässige Hinterachslast
des Fahrzeugs zu gering sei, um gleichzeitig einen Bootsanhänger zu ziehen und
einen Motorroller in der Fahrzeuggarage mitzunehmen. Dass dies beabsichtigt
gewesen sei, sei im Zuge der Vertragsverhandlungen dem Mitarbeiter der
Beklagten mitgeteilt worden.
Die Beklagte trat dem mit Anwaltsschreiben vom 28.11.2012
entgegen: Wegen des bemängelten Kühlwasserverlustes sei ihr keine Gelegenheit
zur Nachbesserung eingeräumt worden und wegen der Zulademöglichkeiten
habe es ihrerseits beim Kauf keine Zusagen gegeben, vielmehr sei der Kläger
diesbezüglich auf erhebliche Bedenken hingewiesen worden.
Das Rückabwicklungsbegehren des Klägers war bereits
Gegenstand des Klageverfahrens zum Aktenzeichen 2 O 35/13 Landgericht
Bielefeld, in dem die Parteien am 30.04.2013 einen Vergleich mit folgendem
Inhalt schlossen:
1) Die Beklagte verpflichtet sich, für den Fall des Erwerbs
eines Wohnmobils seitens des Klägers bei der Beklagten das
streitgegenständliche Wohnmobil zu einem Inzahlungnahmepreis
von 82.000 € bei Rückgabe bis zum 30.06.2013 und von 80.000 € bei Rückgabe bis
zum 31.10.2013 zurückzunehmen.
2) Der Kläger verpflichtet sich, bei der Beklagten ein neues
Wohnmobil zu erwerben, welches im Preis über dem unter 1) genannten Inzahlungnahmepreis liegt.
3) Die Beklagte verpflichtet sich, nach entsprechender
Terminvereinbarung das streitgegenständliche Wohnmobil bei dem Kläger abzuholen.
4) Geschäftsgrundlage ist, dass das streitgegenständliche
Wohnmobil bis auf die im vorliegenden Rechtsstreit behaupteten Mängel mangel-
und unfallfrei ist.
5) Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden
gegeneinander aufgehoben.
Nachfolgend kam es zu mehreren Gesprächen und umfangreichem
Emailwechsel der Parteien betreffend den Erwerb eines Neufahrzeugs durch den
Kläger. Die Verhandlungen führten nicht zu einem Vertragsabschluss, wobei die
Parteien streiten, in wessen Verantwortung das lag. Auf Einladung der Beklagten
besuchte der Kläger im August 2013 die Caravan-Messe in Düsseldorf, ohne dort
ein Fahrzeug zu finden, dass vollumfänglich seinen Vorstellungen entsprach. Mit
Email vom 10.09.2013 bat er deshalb den Verkaufsmitarbeiter der Beklagten C um
Ausarbeitung von Angeboten für drei von ihm so bezeichnete Notlösungen,
darunter für zwei Modelle des Herstellers Hymer (B
594 und B-Starline 680). In einer weiteren Email vom
12.09.2013 fragte er an, ob die Beklagte - wie mündlich avisiert - einen
höheren als im Vergleich festgelegten Rücknahmepreis für das in Zahlung zu
gebende Fahrzeug biete.
Am 02.10.2013 unterbreitete der Zeuge C dem Kläger ein
beziffertes Angebot für das Hymer-Modell B 594, fügte
aber hinzu, dass wegen der vom Kläger gewünschten Sonderausstattung eine
Auflastung von 3,5 t auf 4,25 t notwendig wäre, was dem Kläger nicht zusagte.
Dieser richtete sein Interesse dann auf das größere und teurere Modell B-Starline 680. Mit Email vom 11.10.2013 teilte er der
Beklagten hierzu seine Ausstattungswünsche mit und fragte an, ob bei Erwerb
dieses Fahrzeugs für das Altfahrzeug ein höherer Rücknahmepreis als im
Vergleich festgeschrieben gewährt würde. Dem Zusatz, ein solches Entgegenkommen
habe ihm der Geschäftsführer der Beklagten schon am 19.06.2013 verbindlich
zugesagt, trat der Zeuge C mit Email vom selben Tag entgegen. Er sagte aber
eine Prüfung der Konditionen zu und kündigte die Übersendung eines Angebots an,
welches zunächst ausblieb. Mit Email vom 16.10.2013 erinnerte der Kläger an die
Angebotsübermittlung und der Zeuge C sagte wiederum kurzfristige Erledigung zu.
Dazu kam es aber nicht.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.10.2013 regte der Kläger die
Verlängerung der Rücknahmefrist zum 15.12.2013 an und forderte zugleich erneut
zur Erstellung eines Angebots für das Modell B-Starline
680 bis zum 08.11.2013 auf. Die Beklagte reagierte darauf nicht.
Parallel zu den Kaufverhandlungen bemühte sich der Kläger
bei der Beklagten vergeblich um die Behebung mehrerer von ihm beanstandeter
Mängel der Innenausstattung an dem ursprünglich erworbenen Wohnmobil.
Mit der Klage will der Kläger sein ursprüngliches Begehren,
den aufgrund der verbindlichen Bestellung vom 17.04.2012 zustande gekommenen
Fahrzeugkauf rückabzuwickeln, weiterverfolgen.
Er sieht sich nicht mehr an den im Vorprozess geschlossenen
Vergleich gebunden und hat zur Begründung geltend gemacht, die Beklagte habe es
zu verantworten, dass es binnen der im Vergleich festgelegten Inzahlungnahmefristen nicht zum Kaufvertragsabschluss
gekommen sei.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass die Beklagte ihm
konkrete Angebote hätte unterbreiten müssen. Sie sei aber offenbar nicht
willens gewesen, ihm ein neues Fahrzeug zu verkaufen. Er seinerseits hätte
nicht einfach ein Wohnmobil nach Katalog oder Listenpreis bestellen können,
weil zuvor hätte geklärt werden müssen, ob das fragliche Modell bestimmte
Voraussetzungen (z. B. betr. die Achslast) erfülle; außerdem hätte er vor
seiner Kaufentscheidung in Erfahrung bringen wollen, wieviel er ggfls. zuzahlen
müsste. Dabei sei über einen höheren Inzahlungnahmepreis
für das Altfahrzeug verhandelt worden, weil ihm das sowohl der Geschäftsführer
der Beklagten als auch der Zeuge C angeboten hätten.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.07.2014 vorsorglich
den Rücktritt vom Vergleich erklärt und im Übrigen die Auffassung vertreten,
ihm sei wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. nach Treu und Glauben
ein Festhalten am Vergleich nicht zumutbar.
Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Vorprozess hat der
Kläger behauptet, das ursprünglich erworbene Wohnmobil habe ein mangelhaftes
Kühlsystem, welches die Beklagte trotz mehrerer Nachbesserungsversuche nicht
instandgesetzt habe. Außerdem sei beim Kauf zugesichert worden, dass mit dem
Wohnmobil ein Boot auf dem Anhänger und ein Motorroller in der Fahrzeuggarage
mitgenommen werden könnten. Später habe sich herausgestellt, dass bei
gleichzeitigem Transport beider Fortbewegungsmittel die zulässige Hinterachslast des Wohnmobils überschritten werde.
Wegen der weiteren - im einzelnen bezeichneten - Mängel im
Innenausbau habe die Beklagte die Beseitigung zugesagt, aber letztlich nicht
durchgeführt. Dabei erkennt der Kläger selbst, dass diese Mängel allein einen
Rücktritt vom Kauf nicht rechtfertigten.
Unter Abzug von Nutzungsvorteilen hat der Kläger Rückzahlung
von 87.760 € nebst 5% Zinsen seit dem 07.11.2012 Zug um Zug gegen Rücknahme des
streitgegenständlichen Reisemobils, Feststellung des
Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten i. H. v.
1.999,32 € verlangt.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
Sie hat eingewandt, es habe am Kläger gelegen, dass es
binnen der vereinbarten Inzahlungnahmefristen nicht
zum Kauf eines neuen Fahrzeugs gekommen sei. Er habe - das ist unstreitig -
über die aktuellen Ausstattungs- und Preislisten verfügt; aber es habe kein
Modell gegeben, das seinen Vorstellungen entsprochen habe. Der Kläger habe
erwartet, dass die Beklagte ihm einen höheren Inzahlungnahmepreis
als im Vergleich festgeschrieben gewähre, was ihm nie verbindlich zugesagt
worden sei. Die Beklagte hat behauptet, dass es nach Erhalt der Email vom
16.10.2013 ein persönliches Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen C
gegeben habe, welches eine Antwort per Email überflüssig gemacht habe: Der
Kläger sei dabei auf den Inhalt des Vergleichs und - noch einmal - auf die
Listenpreise der Neufahrzeuge hingewiesen worden.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Schriftsatz vom 19.03.2014
eine Frist zur Bestellung eines neuen Wohnmobils bis zum 10.04.2014 gesetzt,
wobei sie den Standpunkt eingenommen hat, dass sie nach Ablauf der
Vergleichsfristen nicht länger zur Inzahlungnahme des alten Wohnmobils
verpflichtet sei. Sie hat dem Kläger gleichwohl unter dem 16.05.2014 den
Verkauf eines Wohnmobils Hymer B-Starline
680 zum Preis von 135.699 € unter Inzahlungnahme seines Altfahrzeugs zum Preis
von 75.000 € angeboten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückabwicklung des
ursprünglichen Kaufvertrags. Unabhängig von der Frage, ob ein solcher Anspruch
früher bestanden habe, wäre dieser jedenfalls mit Abschluss des Vergleichs vom
30.04.2013 untergegangen. Der Kläger sei nicht wirksam von diesem Vergleich
zurückgetreten. Er habe nicht substanziiert vorgetragen, dass die Beklagte
nicht willens gewesen sei, ihm ein von ihm auszuwählendes, tatsächlich
lieferbares Wohnmobil zum Listenpreis zu verkaufen. Er habe von der Beklagten
nicht verlangen können, verschiedene Angebote durchzurechnen. Das Versäumen einer
zugesagten Angebotserstellung hätte allenfalls eine Verlängerung der
Rücknahmefrist rechtfertigen können, aber nicht den Rücktritt vom Vergleich.
Der Kläger hätte anhand allgemein zugänglicher Preislisten ein bestimmtes
Modell bestellen können, das habe er nicht getan.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach-
und Streitstandes sowie der Urteilsgründe wird auf das angefochtene Urteil
Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung
verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Begehren weiter.
Er meint, das Landgericht habe den Sachverhalt verkürzt und
nicht richtig gewürdigt. Er sei wirksam vom Vergleich zurückgetreten.
Der Rücktrittsgrund folge aus §
323 Abs. 1 Nr. 1 BGB, weil die Beklagte ihrer Pflicht zur Angebotsunterbreitung
für das Modell B-Starline 680 nicht nachgekommen sei
und die Rücknahmefrist nicht verlängert habe. Dass sich die Beklagte geweigert
habe, ihm ein solches Modell zu verkaufen, ergebe sich daraus, dass sie seiner
Bitte vom 11./16.10.2013, ihm hierfür ein Angebot zu unterbreiten, nicht
nachgekommen sei, sondern dies erst während des Rechtsstreits nachgeholt habe.
Der Rücktritt sei auch nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB
berechtigt, weil ihm, dem Kläger, ein Festhalten am Vergleich und ein
Neufahrzeugerwerb bei der Beklagten nicht mehr zuzumuten sei, nachdem diese die
Frist zum 31.10.2013 gezielt habe verstreichen sowie die Anregung der
Verlängerung der Rücknahmefrist ignoriert habe.
Außerdem sei wegen des bewusst verzögernden Verhaltens der
Beklagten die Geschäftsgrundlage des Vergleichs weggefallen; der Rücktritt
jedenfalls nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gerechtfertigt.
Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein
Vorbringen zur Mangelhaftigkeit des ursprünglich von der Beklagten erworbenen
Fahrzeugs.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 87.760 € nebst 5%
Zinsen seit dem 07.11.2012 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe und
Rückübereignung des Reisemobils Hymer
Typ B-Starline 585, Serien-Nr. 42121714,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme
des vorbezeichneten Fahrzeugs im Verzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen
Anwaltskosten gegenüber den Rechtsanwälten M, T und H, Q-Straße, ... X, in Höhe
von 1.999,32 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen
Ausführungen und tritt weiterhin dem ursprünglich erklärten Vertragsrücktritt
entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien
wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat die Akte 2 O 35/13 Landgericht Bielefeld
beigezogen.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
1. Es besteht ein Rechtsschutzinteresse an der Erhebung der
neuen Klage auf Rückabwicklung des Kaufs. Dem Kläger steht hierfür kein
einfacherer prozessualer Weg offen, insbesondere ist nicht der durch den
Vergleich vom 30.04.2013 abgeschlossene Rechtsstreit fortzusetzen.
Nach der Rechtsprechung ist nur dann der alte Rechtsstreit
fortzusetzen, wenn eine Partei die Wirksamkeit des Prozessvergleichs und damit
dessen prozessbeendigende Wirkung in Frage stellt (BGH, Urt. v. 21.11.2013, VII
ZR 48/12, NJW 2014, 394). Das ist nicht der Fall, wenn - wie hier - eine Partei
von einem rechtswirksam geschlossenen gerichtlichen Vergleich zurücktritt (BGH,
Urt. 10.03.1955, II ZR 201/53, NJW 1955, 705). Für die Berufung auf den Wegfall
der Geschäftsgrundlage des Vergleichs oder ein Entfallen der Bindungswirkung
nach Treu und Glauben gilt nichts anderes (vgl. BeckOK-Fischer, § 779 BGB Rn. 87 m. w. N. auch zur
Gegenansicht).
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf
Zahlung von 87.760 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des aufgrund
verbindlicher Bestellung vom 17.04.2012 erworbenen Wohnmobils.
a) Wegen des am 30.04.2013 im Vorprozess geschlossenen
Vergleichs ist der Kläger gehindert, die Rückabwicklung des Wohnmobilkaufs auf
der Grundlage des im Vorprozess gehaltenen Sachvortrags zu verlangen.
aa) Der Prozessvergleich, der eine
Doppelnatur hat, stellt materiellrechtlich einen
Änderungsvertrag dar, soweit durch seine Regelung eine streitige
Rechtsbeziehung neu geordnet wird (MüKo-Habersack, 6.
Aufl. 2013 § 779 BGB Rn. 33). Dabei hat ein Vergleich grundsätzlich keine
schuldumschaffende Wirkung, sondern ändert das ursprüngliche Schuldverhältnis
nur insoweit, als in ihm streitige oder ungewisse Punkte geregelt werden (st. Rspr., BGH, VU v. 23.06.2010,
XII ZR 52/08, NJW 2010, 2652 Tz 15 m. w. N.).
Durch den im Vorprozess geschlossenen Vergleich haben die
Parteien in materiellrechtlicher Hinsicht vereinbart,
dass an die Stelle des im Vorprozess streitigen gewährleistungsrechtlichen
Rückabwicklungsbegehrens des Klägers ein (Vor-)Vertrag treten sollte, in dem
sich beide Parteien zum Abschluss eines neuen Kaufvertrags über ein Wohnmobil-Neufahrzeug
verpflichteten. Dabei wurde stillschweigend dem Kläger hinsichtlich der Auswahl
des zu erwerbenden Wohnmobils ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315
BGB eingeräumt, welches inhaltlich dahin begrenzt wurde, dass der Preis über
den genannten Inzahlungnahmepreisen liegen sollte.
Das Leistungsbestimmungsrecht des Klägers wurde flankiert durch eine
Mitwirkungspflicht der Beklagten in Form einer Auskunfts-/Informationspflicht
z. B. hinsichtlich möglicher Ausstattungsvarianten und Preise. Der Preis, zu
dem das neue Wohnmobil ge- und verkauft werden
sollte, bestimmte sich nach den Listenpreisen des Herstellers. Das ist zwar
nicht ausdrücklich im Vergleich geregelt, ist aber gleichfalls als
stillschweigend vereinbart anzusehen, weil dies den üblichen Gepflogenheiten im
Neufahrzeughandel entspricht und Rabattgewährungen auf die Listenpreise nicht
mehr die Regel sind. Das finanzielle Entgegenkommen der Beklagten war im
Vergleich dahin geregelt, dass die Beklagte verpflichtet war, bei Abschluss des
Kaufvertrags binnen der vorgesehenen Fristen dem Kläger eine Ersetzungsbefugnis
durch Inzahlunggabe des alten Wohnmobils zu dem
jeweils festgelegten Betrag einzuräumen. Auf ein weiteres Entgegenkommen bei
der Preisgestaltung hatte der Kläger nach dem Vergleich keinen Anspruch.
Weil der Vergleich keine ausdrückliche Regelung für den Fall
enthält, dass es nicht binnen der in Ziff. 1) genannten Fristen zur
Leistungsbestimmung durch den Kläger und zum Abschluss eines Kaufvertrags
kommen sollte, bedarf er insoweit ergänzender Auslegung gemäß den §§ 133, 157
BGB unter Würdigung der wechselseitigen Parteiinteressen und der mit dem
Vergleichsabschluss verbundenen Zielsetzung.
Einerseits ist die zunächst vom Kläger vertretene
Auffassung, nach ergebnislosem Fristablauf sei die Prozesseinigung hinfällig
und er könne ohne weiteres auf sein früheres Rückabwicklungsbegehren
zurückkommen, nicht interessengerecht. Die Beklagte wollte dem Kläger durch den
Vergleich den im Vorprozess geltend gemachten etwaigen Rückabwicklungsanspruch
„abkaufen“. Es sollte nicht dessen freie Entscheidung sein, ob er von dem
Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch macht und ein neues Wohnmobil kauft oder die
Fristen verstreichen lässt und erneut auf der Grundlage des Sachvortrags aus
dem Vorprozess Rückabwicklung des ursprünglichen Kaufs verlangt.
Andererseits ist die von der Beklagte bevorzugte Auslegung,
nach der der Kläger auch nach Fristablauf verpflichtet sein sollte, bei der
Beklagten ein neues Wohnmobil auszusuchen und zu kaufen, die Beklagte aber von
der Inzahlungnahmepflicht befreit sein sollte, ebenso
wenig interessengerecht. Der Kläger wollte ersichtlich nur dann von der
Beklagten ein neues Wohnmobil erwerben, wenn er sein altes Wohnmobil dabei in
Zahlung geben könnte. Zudem statuiert der Vergleich keine von der Beklagten einforderbare Pflicht des Klägers, von dem
Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch zu machen, wie sich aus der Formulierung in
Ziff. 1) „für den Fall des Erwerbs …“ ergibt.
Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen
beider Parteien ist der Vergleich vielmehr ergänzend folgendermaßen auszulegen:
Macht der der Kläger binnen der genannten Fristen von seinem
Leistungsbestimmungsrecht keinen Gebrauch, kann einerseits die Beklagte ihn
nicht dazu zwingen, verliert er andererseits grundsätzlich die Möglichkeit, das
Rückabwicklungsbegehren auf den im Vorprozess geltend gemachten Sachverhalt zu
stützen.
Beruht die unterlassene Leistungsbestimmung aber auf einem
Verstoß der Beklagten gegen deren Mitwirkungspflicht, kann der Kläger unter den
Voraussetzungen der §§ 323, 324 BGB vom Vergleich zurücktreten und dann wieder
das Rückabwicklungsbegehren aus dem Vorprozess verfolgen.
bb) Der Kläger ist nicht wirksam
von dem Vergleich zurückgetreten.
Dabei enthält bereits die Klageerhebung eine konkludente
Rücktritterklärung, so dass es auf den ausdrücklich unter dem 14.07.2014
erklärten Rücktritt nicht maßgeblich ankommt.
Es fehlt aber an einem Rücktrittsgrund.
Dessen Voraussetzungen bestimmen sich nach den §§ 323f. BGB, weil der auf der Grundlage des ursprünglichen
Kaufvertrags geschlossene Vergleich einen gegenseitigen Vertrag darstellt.
(1) Gemäß § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag
zurücktreten, wenn der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß
erbringt und der Gläubiger ihm erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung
oder Nachbesserung bestimmt hat.
Die Mitwirkungspflicht der Beklagten bei der Ausübung des
Leistungsbestimmungsrechts durch den Kläger lässt sich als Leistungspflicht im
Sinne des § 323 Abs. 1 BGB ansehen. Allerdings teilt der Senat die Auffassung
des Landgerichts, dass sich ein Verstoß gegen diese Pflicht nicht feststellen
lässt.
Der Kläger konnte auf der Grundlage der ihm erteilten
Informationen ohne weitere Mitwirkung der Beklagten von seinem
Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch machen. Ihm standen unstreitig die
Ausstattungs- und Preislisten zur Verfügung. Anhand dieser hat er auch
verschiedene für ihn in Betracht kommende Fahrzeuge ausstattungsmäßig
konfiguriert und deren (Listen-)Preise kalkuliert, wie seine Emails vom 10.09.
und 11.10.2013 belegen.
Soweit der Kläger im Prozess auf notwendige Informationen zu
den Zulademöglichkeiten unter Berücksichtigung der
zulässigen Gesamtgewichte und Achslasten hingewiesen hat, geht aus den
vorgelegten Emails - insbesondere vom 11.09. und 02.10.2013 - hervor, dass die
Beklagte ihm die hierzu erbetenen Auskünfte erteilt hatte.
Die letzte Anfrage des Klägers vom 11.10.2013, die die
Beklagte nicht binnen der im Vergleich festgelegten Fristen beantwortete, bezog
sich entscheidend nur noch auf den Angebotspreis bei Wahl des Modells B-Starline 680 mit der angegebenen Wunschausstattung. - Die
ergänzende Frage nach dem nachträglichen Einbau von Zubehör und dem hierfür
zuständigen Ansprechpartner war für die Entschließung des Klägers
offensichtlich und unstreitig nicht ausschlaggebend. -
Die Frage nach dem Angebotspreis zielte aber lediglich auf
ein weiteres Entgegenkommen der Beklagten gegenüber den im Vergleich
festgelegten Konditionen ab. Die Beklagte war indessen nicht verpflichtet, dem
Kläger einen höheren als im Vergleich festgelegten Inzahlungnahmepreis
oder einen sonstigen Rabatt zu gewähren. Es bestand auch keine vom Kläger einforderbare Pflicht, ihm vor Ausübung seines
Leistungsbestimmungsrechts verbindlich zu erklären, ob und in welchem Umfang
die Beklagte hierzu ggfls. doch bereit wäre. Selbst wenn deren Geschäftsführer
die Gewährung eines höheren Inzahlungnahmepreises für
das Altfahrzeug in den Raum gestellt haben sollte und der Verkäufer C eine
Prüfung der Konditionen zugesagt hatte, begründete das keine Vertragspflicht i.
S. des § 323 BGB.
Der Kläger macht auch ohne Erfolg geltend, das Verhalten der Beklagten belege, dass sie nicht bereit
gewesen sei, ihm ein Wohnmobil zu verkaufen, was er als ernsthafte und
endgültige Erfüllungsverweigerung versteht und deshalb - sinngemäß - als Grund
für den Vergleichsrücktritt i. S. des § 323 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 BGB heranziehen
will.
Dem ist nicht zu folgen. Wie schon das Landgericht
zutreffend ausgeführt hat, ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte nicht
bereit war, dem Kläger zu den im Vergleich festgelegten Konditionen ein
Wohnmobil zu verkaufen. Das gilt auch unter Einbeziehung ihres vorangegangenen
Verhaltens, welches der Kläger ihr jetzt als gezielte Verschleppung des
Entscheidungsprozesses vorwerfen will. Damit, dass die Beklagte dem Kläger den
kostenfreien Besuch der Caravan-Messe in Düsseldorf ermöglichte und ihm davon
abriet, sich vorschnell für ein von ihm selbst als bloße Notlösung bezeichnetes
Modell zu entscheiden, wollte die Beklagte ersichtlich bei der Kaufentschließung
behilflich sein, nicht aber einen Kauf verhindern.
(2) Das Unterlassen der dem Kläger per Email zugesagten
Angebotserstellung binnen der vergleichsweise festgelegten Inzahlungnahmefristen
kann allenfalls als Verstoß gegen eine Rücksichtnahmepflicht i. S. des § 241
Abs. 2 BGB zu werten sein, der nur unter den Voraussetzungen des § 324 BGB zum
Rücktritt berechtigt.
Diese liegen aber nicht vor. Es lässt sich nicht
feststellen, dass dem Kläger deswegen ein Festhalten am Vergleich nicht
zumutbar ist.
Dem Kläger war es unbenommen und möglich, vor Ablauf der Inzahlungnahmefrist zum 31.10.2013 ein Fahrzeug gemäß seinen Ausstattungswünschen verbindlich zu bestellen. Im Übrigen führt das Fortbestehen des Vergleichs auch bei Verstreichen der Frist nicht dazu, dass der Kläger rechtlos gestellt wird. Er verliert damit insbesondere nicht sämtliche Gewährleistungsrechte aus dem Wohnmobilkauf vom 17.04.2012, sondern nur die Möglichkeit, auf der Grundlage des Sachvortrags im Vorprozess die Rückabwicklung des Vertrags zu verlangen.
cc) Der Kläger macht auch ohne Erfolg geltend, die
Bindungswirkung des Vergleichs sei wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage
entfallen.
Diese Rechtsfolge ergibt sich hier zunächst nicht aus § 779
BGB. Danach ist ein Vergleich unwirksam, wenn die Parteien bei Abschluss des
Vergleichs von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sind, was hier nicht der
Fall gewesen ist.
Diese Sonderregelung hindert nicht den Rückgriff auf die
allgemeine Vorschrift des § 313 BGB, wenn aus anderen Gründen von einer Störung
der Geschäftsgrundlage eines Vergleichs auszugehen ist (vgl. BAG, Urt. v.
11.07.2012, 2 AZR 42/11, NJW 2012, 3390).
Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass im konkreten
Fall die Geschäftsgrundlage des Vergleichs entfallen ist.
Geschäftsgrundlage sind zum einen die gemeinsamen
Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt
geworden, beim Abschluss aber zutage getreten sind, zum anderen die dem
Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der
anderen Partei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt
bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut (BAG a.
a. O Tz 32).
Dass die Beklagte vor Ablauf der im Vergleich festgelegten Inzahlungnahmefristen dem Kläger kein weiteres preisliches
Entgegenkommen verbindlich zugesagt hat, hat mit den erkennbaren Vorstellungen
der Parteien bei Abschluss des Vergleichs nichts zu tun.
dd) Dass die Beklagte den Kläger
am Vergleich festhalten will, ist auch nicht aus sonstigen Erwägungen als
treuwidrig im Sinne des § 242 BGB anzusehen.
b) Unter Berücksichtigung des durch den bestandskräftigen
Vergleich abgeschlossenen Vorprozesses ist das neuerliche auf die §§ 346, 323,
437 Nr. 2, 434 BGB gestützte Rückabwicklungsbegehren des Klägers unbegründet:
aa) Zweifelhaft ist schon, ob der
Kläger berechtigt ist, Rückzahlung des Kaufpreises allein an sich zu verlangen.
Denn ausweislich des Wortlauts der verbindlichen Bestellung vom 17.04.2012
waren Käufer des Wohnmobils der Kläger und seine Ehefrau, die damit auch
einfache Mitgläubiger der sekundären Rechte und Ansprüche sind mit der Folge,
dass zwar einer von ihnen allein Gewährleistungsansprüche einklagen kann, aber
grundsätzlich Leistung an alle verlangen muss (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74.
Aufl. § 432 BGB Rn. 3). Ob hier wegen der im Vorprozess vorgetragenen Abtretung
seitens der Ehefrau des Klägers ausnahmsweise anderes gilt, kann offen bleiben.
bb) Selbst
wenn in der Erhebung der neuen Klage eine Wiederholung des bereits unter dem
29.10.20112 konkludent erklärten Rücktritts vom Fahrzeugkauf gesehen und davon
ausgegangen wird, dass dies im Einverständnis mit der Ehefrau des Klägers
erfolgt ist, fehlt es an einem Rücktrittsgrund:
(1) Mit der Mangelrüge der Überschreitung der zulässigen Hinterachslast bei kumulativem Transport von Roller und
Boot kann der Kläger aufgrund des bestandskräftig abgeschlossenen Vorprozesses
nicht mehr gehört werden.
(2) Der weiterhin geltend gemachte und von der Beklagte bestrittene
Defekt am Kühlsystem des Wohnmobils bedarf schon deshalb keines Beweises, weil
sich der Kläger aufgrund des Vergleichs nicht darauf berufen kann, er habe der
Beklagten zuvor ausreichend Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben. Der Streit
um diese Frage wurde durch den Vergleich beigelegt.
Der Kläger macht auch nicht geltend, dass er der Beklagten
danach (noch einmal) die Möglichkeit zur Behebung dieses Mangels eröffnet hat.
(3) Soweit es um die von dem Kläger im vorliegenden
Rechtsstreit ergänzend angeführten Mängel des Innenausbaus des Wohnmobils geht,
lässt sich seinem Prozessvorbringen nicht klar entnehmen, ob er die sieben in
der Klageschrift aufgelisteten Beanstandungen weiterhin geltend macht oder nur
noch den in der Berufung angeführten fehlenden Holzrost für den Toilettenraum.
Darauf kommt es aber nicht an.
Der Kläger hat in Bezug auf die Mängel der Innenausstattung
die formalen Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 BGB nicht dargetan. Er hat
nicht substanziiert vorgetragen, dass er der Beklagten zur Beseitigung der
bezeichneten Mängel vergeblich eine Frist gesetzt hat. Es lässt sich auch nicht
feststellen, dass eine solche fristbewehrte Nacherfüllungsaufforderung hier
entbehrlich war; insbesondere ist dem Kläger die Nachbesserung durch die
Beklagte nicht unzumutbar.
Weil im Übrigen der Kläger selbst diese Mängel als zu
geringfügig einschätzt, um allein einen Rücktritt vom Kauf zu rechtfertigen,
schätzt er selbst die - etwaig - darin begründete Pflichtverletzung der
Beklagten als unerheblich i. S. des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ein.
c) Die übrigen mit der Klage verfolgten Begehren teilen das
Schicksal des Rückabwicklungsverlangens.
Die Berufung erweist sich damit vollumfänglich als
unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Für die Zulassung der Revision sieht der Senat keinen
Anlass.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).