BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 23. September 2016 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Stresemann, die Richterin Weinland, den Richter Dr. Kazele,
die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 16.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. April 2015 im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des
Landgerichts Aachen vom 23. September 2014 hinsichtlich der Herausgabe der
Wintergartenkonstruktion aus Glas und Alustreben nebst zugehöriger Belüftung
zurückgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Beklagte vermietete seine Lokalräume zum Betrieb eines
Restaurants. Während der Mietzeit wurde ein Wintergarten aus Glas und
Alustreben nebst Belüftungsanlage errichtet. Nach Beendigung des
Mietverhältnisses gab die Mieterin die Räume samt Wintergarten dem Beklagten
zurück.
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Die Klägerin, die das damalige Restaurant der Mieterin mit
Lebensmitteln beliefert hatte, verlangt von dem Beklagten - soweit hier von
Interesse - die Herausgabe des Wintergartens nebst Belüftungsanlage. Zur
Begründung gibt sie an, dass die Mieterin während der Mietzeit ihr diesen als
Sicherheit für nicht beglichene Rechnungen übereignet habe.
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Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. ZPO mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unbegründet sei. Mit der von dem Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Herausgabe des
Wintergartens nebst Belüftungsanlage weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
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Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein
Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB nicht zu, da sie nicht Eigentümerin des
Wintergartens geworden sei. Dieser stehe als wesentlicher Bestandteil der
Immobilie des Beklagten gemäß §§ 946, 93, 94 BGB in dessen Eigentum und sei
nicht sonderrechtsfähig. Ohne den Wintergarten sei das Gebäude nach der
Verkehrsanschauung noch nicht fertiggestellt; die Seitenteile des Wintergartens
hätten wandersetzende Funktion, weil durch sie das Gebäude nach außen
abgeschlossen und der Innenraum gegen Witterungseinflüsse abgeschottet werde.
Dafür, dass nur eine vorübergehende Einbringung anzunehmen wäre, fehle jeder
Anhaltspunkt.
II.
5
Über die Revision der Klägerin ist durch Versäumnisurteil zu
entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des
Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962
- V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
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Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
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1. Allerdings ist die Revision - entgegen der Auffassung der
Klägerin -nicht schon deswegen begründet, weil das Berufungsgericht über die
Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522
Abs. 2 ZPO entschieden hat.
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a) Nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO setzt die
Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss neben der
offensichtlich fehlenden Erfolgsaussicht und der fehlenden Grundsätzlichkeit (§
522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO) voraus, dass eine mündliche Verhandlung
nicht geboten ist. Diese zusätzliche Voraussetzung, die dem Schutz des
Berufungsführers dient, ist erfüllt, wenn keine besonderen Gründe vorliegen,
bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen
Fairness 5 entspricht (BT-Drs. 17/6406 S. 9; MüKo-ZPO/Rimmelspacher,
5. Aufl., § 522 Rn. 24). Wann solche Gründe gegeben sind, kann nicht generell
beantwortet werden, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles
ab. Weicht das Berufungsgericht - wie hier - von der Einschätzung des
Erstgerichts, dass die Klage unzulässig sei, ab und hält es die Klage für
unbegründet, muss es daher sorgfältig prüfen, ob aufgrund der konkreten
prozessualen Situation ein anerkennenswertes Bedürfnis des Berufungsführers an
der Durchführung einer mündlichen Verhandlung besteht (vgl. BT-Drs. 17/6406 S.
9).
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b) Ob im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung der
prozessualen Fairness entsprochen hätte, kann offen bleiben.
Das Unterlassen einer nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO gebotenen mündlichen
Verhandlung durch das Berufungsgericht führt für sich allein genommen nicht zum
Erfolg einer Revision, da im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO die
Verfahrensgrundrechte, insbesondere die Gewährung rechtlichen Gehörs, gesichert
sind (vgl. BT-Drs. 17/5388 S. 1; MüKo-ZPO/Rimmelspacher,
5. Aufl., § 522 Rn. 40; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 522 Rn. 40). Es wäre
eine bloße (kostenverursachende) Förmelei, ein Berufungsurteil nur deshalb
aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit eine
versäumte Berufungsverhandlung nachgeholt wird.
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2. Die Revision hat aber deshalb Erfolg, weil das
Berufungsgericht mit unzutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin
gemäß § 985 BGB auf Herausgabe des Wintergartens verneint hat.
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a) Rechtsfehlerfrei sind allerdings die Ausgangserwägungen
des Berufungsgerichts, wonach hinsichtlich des streitgegenständlichen
Wintergartens die Tatbestandsvoraussetzungen des § 94 Abs. 2 BGB erfüllt sind.
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aa) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören
nach § 94 Abs. 2 BGB die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Das
sind in erster Linie die verwendeten Baustoffe und Bauelemente, darüber hinaus
aber auch diejenigen Gegenstände, deren Einfügung dem Gebäude erst seine
besondere Eigenart gibt. Ob diese Voraussetzung vorliegt, beurteilt sich nach
der Verkehrsanschauung, die für das betreffende Gebäude nach dessen Wesen,
Zweck und Beschaffenheit besteht (Senat, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR
285/86, NJW 1987, 3178). Nicht erforderlich ist eine feste Verbindung mit dem
Gebäude (Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 233/10, NJW-RR 2011, 1458).
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bb) Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht aus. Es
stellt, anknüpfend an die Rechtsprechung des Senats, wonach solche Teile „zur
Herstellung“ eingefügt sind, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung
noch nicht fertig gestellt ist (Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 233/10,
NJW-RR 2011, 1458), darauf ab, dass sich aus der statischen Berechnung bzw. der
dieser zu entnehmenden Skizze des Wintergartens und dem der vorgelegten Karte
zu entnehmenden Standort des Wintergartens im unmittelbaren Anschluss an das
Gebäude erkennen lasse, dass erst der Wintergarten das Gebäude nach außen hin
abschließe. Zu Unrecht beanstandet die Revision, dass diese Feststellung des
Berufungsgerichts ohne jede Grundlage im Streitstoff sei. Das Berufungsgericht
stützt sich für seine Beurteilung auf die von der Klägerin übergebenen
Unterlagen. Im Übrigen würde es bereits genügen, wenn der Wintergarten dem
Gebäude seine besondere Eigenart gibt. Dass er - wie die Revision vorträgt -
„schlicht an das Haus gesetzt worden“ ist, ist in diesem Zusammenhang
unerheblich, da es für die Annahme einer Bestandteilseigenschaft
im Sinne von § 94 Abs. 2 BGB einer festen Verbindung mit dem Gebäude nicht
bedarf.
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b) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, es fehle
jeder Anhaltspunkt, dass der Wintergarten nur zu einem vorübergehenden Zweck
mit dem Gebäude verbunden worden und Scheinbestandteil im Sinne des § 95 Abs. 1
BGB geworden sei.
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aa) Nach § 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB gehören solche
Sachen nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks oder Gebäudes, die nur zu
einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in ein
Gebäude eingefügt sind. Da die Vorschrift die Bestandteilseigenschaft
insgesamt ausschließt, stellt sie eine Ausnahme gegenüber den §§ 93 und 94 BGB
dar. Sind die Voraussetzungen des § 95 BGB erfüllt, ist es daher unerheblich, dass
auch die Tatbestandsmerkmale der §§ 93 oder 94 BGB vorliegen (RGZ 109, 128, 129;
Staudinger/Jickeli/Stieper,
BGB [2012], § 94 Rn. 3). Scheinbestandteile bleiben, obwohl mit einem
Grundstück verbunden oder in ein Gebäude eingefügt, rechtlich selbständige
bewegliche Sachen (Senat, Urteil vom 5. Mai 2006 - V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160
Rn. 7) und können deshalb nach §§ 929 ff. BGB übereignet werden (Senat, Urteil
vom 31. Oktober 1986 - V ZR 168/85, NJW 1987, 774).
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bb) Die Verbindung erfolgt dann zu einem vorübergehenden
Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist (Palandt/Ellenberger,
BGB, 76. Aufl., § 95 Rn. 2). Maßgebend ist die innere Willensrichtung des
Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache, soweit diese mit dem nach
außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt vereinbar ist (Senat, Urteil vom 20.
Mai 1988 - V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 301; Urteil vom 20. September 1968 - V
ZR 55/66, NJW 1968, 2331). Der Annahme eines auf eine nur vorübergehende
Zweckbestimmung gerichteten Willens steht nicht entgegen, dass das Gebäude in
massiver Bauart errichtet ist und daher ohne 16 Zerstörung nicht entfernt
werden kann (Senat, Urteil vom 10. Juli 1953 - V ZR 22/52, BGHZ 10, 171, 176;
Urteil vom 22. Dezember 1995 - V ZR 334/94, NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht
abgedruckt in BGHZ 131, 368). Verbindet ein Mieter, Pächter oder in ähnlicher
Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht
nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies
mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des
Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht
(Senat, Urteil vom 20. Mai 1988 - V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 301; Urteil vom
22. Dezember 1995 - V ZR 334/94, NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht abgedruckt
in BGHZ 131, 368; BGH, Urteil vom 11. April 2013 - III ZR 249/12, juris Rn. 14).
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cc) Dies verkennt das Berufungsgericht, wenn es meint, es
lägen keine Anhaltspunkte für eine nur vorübergehende Einbringung des
Wintergartens vor. Es hätte der zwischen den Parteien umstrittenen Frage
nachgehen müssen, ob der Wintergarten durch die Mieterin oder ob er im Auftrag
des Beklagten errichtet worden war. Die Beweislast für ihre Behauptung, dass
der Wintergarten von der Mieterin in Auftrag gegeben und bezahlt worden sei, trifft
die sich auf den Ausnahmetatbestand des § 95 BGB berufende Klägerin (vgl.
Senat, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 231 /10, NJW 2012, 778 Rn. 39).
Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Mieterin den Wintergarten hat
errichten lassen, so spräche eine Vermutung für einen nur vorübergehenden
Zweck. Es wäre dann Sache des Beklagten, diese Vermutung zu erschüttern, etwa
indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass die Mieterin bei der
Errichtung des Wintergartens den Willen gehabt habe, das Bauwerk bei Beendigung
des Vertragsverhältnisses in sein Eigentum übergehen zu lassen (vgl. Senat,
Urteil vom 22. Dezember 1995 - V ZR 334/94, NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht
abgedruckt in BGHZ 131, 368).
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3. Der Beschluss ist deshalb hinsichtlich des Wintergartens aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).