BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1. Zur entsprechenden Geltung der Voraussetzungen von § 301
ZPO wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, wenn der Kläger
mehrere Ansprüche geltend macht, die sämtlich voraussetzen, dass der Kläger
Eigentümer bestimmter Waren geworden ist, und das Berufungsgericht nur einen
Teil der Ansprüche für entscheidungsreif erachtet, während es hinsichtlich des
anderen Teils die Entscheidungsreife verneint und die Sache in diesem Umfang an
das erstinstanzliche Gericht zurückverweist.
2. Zu den Voraussetzungen für die Nichtigkeit der
Sicherungsübereignung eines Warenlagers wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs.
1 BGB (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. Juli 1953 - IV ZR 242/52, BGHZ 10,
228).
BGH, Urteil vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die
mündliche Verhandlung vom 12. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr.
Ellenberger, die Richter Maihold und Dr. Matthias
sowie die Richterinnen Dr. Derstadt und Dr. Dauber
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über das Eigentum an Waren, die die S.
GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) zunächst an die beklagte Sparkasse und
später an die Klägerin übereignete.
2
Die Beklagte war die Hausbank der Insolvenzschuldnerin, die
mit Sportartikeln, insbesondere Textilien und Schuhen, handelte und über deren
Vermögen im September 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die
Beklagte gewährte der Insolvenzschuldnerin im Oktober 2007 einen befristeten Kontokorrentkredit
in Höhe von 1,8 Mio. €, der in der Folgezeit mehrfach verlängert sowie im
Dezember 2009 auf 6,3 Mio. €, im Februar 2010 auf 8 Mio. € und mit Kreditzusage
vom 1. März 2010 auf 10 Mio. € erhöht wurde. In dieser Höhe wurde die
Kreditlinie jeweils mit Kreditzusagen vom 1. April 2010, vom 31. Mai 2010, vom
31. Juli 2010, vom 27. September 2010 und letztmalig vom 8. Oktober 2010 bis
zum 30. März 2011 verlängert. Die Beklagte ließ zudem wiederholt Überziehungen
der bewilligten Kreditlinie von bis zu mehreren Millionen € zu. Daneben hatte
sie der Insolvenzschuldnerin langfristige Darlehen über insgesamt rund 4 Mio. €
gewährt.
3
Gegen Ende des Wirtschaftsjahres 2007/2008 (1. März 2007 bis
29. Februar 2008) zeichnete sich bei der Insolvenzschuldnerin ein Verlust ab,
der die Geschäftsführung veranlasste, ein Sanierungskonzept einschließlich
Zukunftsplanung zu erstellen und diese Sanierungsplanung durch die
Streithelferin prüfen zu lassen. Ferner vereinbarte die Insolvenzschuldnerin
mit der Beklagten am 17. April 2008 einen Rangrücktritt bezüglich der
Forderungen aus vier Darlehen über insgesamt 2,2 Mio. €.
4
Im November 2009 erstattete die Streithelferin im Auftrag
der Insolvenzschuldnerin eine "Fortführungsprognose WJ
2010/2011 und WJ 2011/2012, Stand Oktober 2009"
(nachfolgend: Bericht der Streithelferin), in dem der Insolvenzschuldnerin bei
"Einhaltung der Planungsprämissen und Umsetzung der Maßnahmen" eine
positive Fortführungsprognose bescheinigt wurde.
5
Der vom Abschlussprüfer unter dem 13. Januar 2010 testierte
Zwischenabschluss für den Zeitraum vom 1. März bis zum 30. November 2009 wies
einen von der Insolvenzschuldnerin erwirtschafteten Überschuss in Höhe von rund
1,89 Mio. € aus. Der vom Abschlussprüfer unter dem 2. Juni 2010 testierte
Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 (1. März 2009 bis 28. Februar
2010) wies einen Jahresüberschuss von rund 2,19 Mio. € aus.
6
Unter dem 1. Juli 2010 und dem 1. März 2011 schlossen die
Insolvenzschuldnerin und die Beklagte Raumsicherungsübereignungsverträge, mit
denen erstere ihre gegenwärtig und zukünftig bei der H. KG (nachfolgend: H KG)
eingelagerten Waren zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten aus der
bankmäßigen Geschäftsbeziehung an diese übereignete. Die spätere Vereinbarung
ergänzte die ältere, da die eingelagerten Waren zwischenzeitlich aus zwei
Lagern in einem neuen Lager zusammengeführt worden waren.
7
Jedenfalls im Jahr 2011 geriet die Insolvenzschuldnerin
erneut in schwerwiegende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Anfang April 2011
drohte die H KG der Insolvenzschuldnerin wegen offener Forderungen in Höhe von
381.800,66 € die Geltendmachung ihres Pfandrechts und die Pfandverwertung an.
8
Mit Vertrag vom 13./20. April 2011 verkaufte die
Insolvenzschuldnerin die bei der H KG eingelagerten Sportartikel für
6.923.837,80 € an die Klägerin, zu der sie seit etwa fünf Jahren in
Geschäftsbeziehung stand. Der Kaufpreis sollte vereinbarungsgemäß unmittelbar
an verschiedene Gläubiger der Insolvenzschuldnerin, unter anderem auch an die H
KG, gezahlt werden. Ferner war vorgesehen, dass die Vereinbarung sehr
vertraulich behandelt werden müsse. In einem Annex zum Kaufvertrag wurde
zugleich vereinbart, dass die Insolvenzschuldnerin das Eigentum an den
verkauften Waren an die Klägerin überträgt und deshalb ihren Anspruch auf
Herausgabe der eingelagerten Waren gegen die H KG an die Klägerin abtritt.
9
Nachdem die Klägerin die vereinbarte Zahlung an die H KG
erbracht und einen geringen Teil der bei dieser eingelagerten Waren
abtransportiert hatte, zeigte die Beklagte am Nachmittag des 28. April 2011
gegenüber der H KG ihr Sicherungseigentum an. Daraufhin verweigerte letztere
gegenüber der Klägerin die weitere Herausgabe der Waren.
10
Ende Juni 2011 lagerte die Beklagte die
streitgegenständlichen Waren mit Zustimmung des zwischenzeitlich bestellten
vorläufigen Insolvenzverwalters in ein anderes Lager um, nachdem sie zuvor die
weiter angefallenen Lagerkosten in Höhe von 157.930,54 € an die H KG gezahlt
hatte.
11
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Insolvenzschuldnerin am 19. September 2011 erklärte der Insolvenzverwalter den
Nichteintritt in den mit der Klägerin geschlossenen Kaufvertrag nebst Annex vom
13./20. April 2011. Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, dass die
Insolvenzschuldnerin ihre Pflichten aus diesem Vertrag durch die Abtretung
ihres Herausgabeanspruchs gegen die H KG bereits vollständig erfüllt habe. In
der Folgezeit veräußerte die Beklagte Teile der eingelagerten Waren mit
Zustimmung des Insolvenzverwalters an Dritte.
12
Die Klägerin verlangt von der Beklagten im Wege der
Stufenklage Auskunft über die von ihr in Besitz genommenen Waren und
nachfolgend deren Herausgabe. Daneben begehrt sie die Feststellung, dass die
Beklagte ihr zum Ersatz der Schäden verpflichtet sei, die ihr aus der
Inbesitznahme der Waren entstanden seien und künftig noch entstünden.
13
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die
Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur
Auskunftserteilung verurteilt, die Verpflichtung der Beklagten zum
Schadensersatz festgestellt und die Sache hinsichtlich des Herausgabebegehrens
an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
14
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
15
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung,
soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
16
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch
aus § 260 Abs. 1 BGB zu, da letztere gemäß § 985 BGB verpflichtet sei, die von
ihr aus dem Lager der H KG abtransportierten und noch in ihrem Besitz
befindlichen Waren an die Klägerin herauszugeben. Die Klägerin habe gemäß dem
Annex zum Kaufvertrag vom 13./20. April 2011 das Eigentum an diesen Waren nach
§ 929 Satz 1, § 931 BGB erworben. Die Insolvenzschuldnerin habe als Berechtigte
verfügt, da sie ihr Eigentum nicht zuvor wirksam auf die Beklagte übertragen
habe.
1
7Die
Raumsicherungsübereignungsverträge vom 1. Juli 2010 und vom 1. März 2011 seien
gemäß § 138 BGB wegen Gläubigergefährdung nichtig. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Urteil vom 9. Juli 1953 - IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228) seien
die im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung geschlossenen
Sicherungsübereignungsverträge nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn eine Bank,
die einem konkursreifen Unternehmen zum Zwecke der Sanierung einen Kredit gegen
Sicherheitsleistung gewähre, es unterlasse, vor der Krediteinräumung durch
einen branchenkundigen Wirtschaftsfachmann eingehend und objektiv prüfen zu
lassen, ob das Sanierungsvorhaben Erfolg verspreche, oder wenn die Bank
aufgrund einer solchen Prüfung nicht von den Erfolgsaussichten des Vorhabens
habe überzeugt sein können. Der Bericht der Streithelferin von November 2009
werde den inhaltlichen Anforderungen dieser Rechtsprechung an ein ernsthaftes
Sanierungskonzept nicht gerecht.
18
Der Anwendbarkeit der vorgenannten Rechtsprechung stünden
weder der am 13. Januar 2010 testierte Zwischenabschluss noch der
Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 entgegen. Mit der Vorlage
dieser Abschlüsse sei weder objektiv die Erforderlichkeit für die Einholung
eines Sanierungskonzeptes entfallen noch entfalle das für die Annahme der
Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB erforderliche subjektive Element.
19
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der
Sittenwidrigkeit sei nicht der Zeitpunkt der Kreditvergabe, sondern der
Übertragung der Sicherheit. Entscheidend sei hier der erste
Raumsicherungsübereignungsvertrag vom 1. Juli 2010. Der nachfolgende Vertrag
vom 1. März 2011 habe lediglich der Wahrung des Bestimmtheitserfordernisses bei
der Übereignung einer Sachgesamtheit mit wechselndem Bestand gedient, nachdem
die Waren in einem neuen Lager zusammengeführt worden seien.
20
Es bedürfe vorliegend keiner Erörterung, ob die
Insolvenzschuldnerin im Juli 2010 tatsächlich insolvenzreif gewesen sei. Denn
die Pflicht einer Bank, die Erfolgsaussichten der Sanierung prüfen zu lassen,
bestehe jedenfalls dann, wenn alle am Kreditengagement Beteiligten von der
Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens ausgehen würden. Dies sei vorliegend
der Fall gewesen. Die Beklagte selbst habe die Prolongation der
Kontokorrentkreditlinie in ihrer Kreditzusage vom 31. Mai 2010 als "Sanierungskredit"
bezeichnet und die Geschäftsbeziehung zur Insolvenzschuldnerin seit Juli 2007
unverändert der "Sanierungsbetreuung" zugeordnet. Der von der
Beklagten im Jahr 2008 erklärte Rangrücktritt sei unverändert wirksam gewesen.
Die in dem Bericht der Streithelferin vom November 2009 enthaltene Prognose
gehe zum Bilanzstichtag 2010 noch von einer Überschuldung aus. Die Beklagte,
die die Insolvenzschuldnerin durchgängig als Sanierungsfall betrachtet habe,
müsse sich an dieser Zuordnung festhalten lassen.
21
Durch die Kreditgewährung der Beklagten seien möglicherweise
Dritte über die Kreditwürdigkeit der Insolvenzschuldnerin getäuscht worden.
Nicht erforderlich sei, dass die Klägerin selbst tatsächlich einer Täuschung
unterlegen sei. Die Beklagte habe auch gewusst, dass es durch die von der
Insolvenzschuldnerin angestrebte Umsatzausweitung zu einer Gefährdung der
Lieferanten habe kommen können, da sie gewusst habe, dass die
Insolvenzschuldnerin die Ausweitung der Lieferantenkredite angestrebt habe. Der
Beklagten sei es nicht gelungen, sich durch stichhaltige Gründe für die
Überwindung der Krise der Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der
Sicherungsübereignung zu entlasten.
22
Die Nichtigkeit der Sicherungsübereignung vom 1. Juli 2010
sei nicht durch den ergänzenden Vertrag vom 1. März 2011 geheilt worden. Dieser
Vertrag sei nur für die Bestimmtheit der dinglichen Einigung der
Vertragsparteien nach der Umlagerung des Sicherungsgegenstandes von Bedeutung.
Der im Juli 2010 bestehende Sittenverstoß habe sich fortgesetzt, zumal nicht
ersichtlich sei, dass die von der Beklagten erkannte Sanierungsbedürftigkeit
der Insolvenzschuldnerin im März 2011 überwunden gewesen sei.
23
Die Feststellungsklage sei ebenfalls begründet, weil der
Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz ihrer durch die
Inbesitznahme der Waren entstandenen Schäden gemäß §§ 989, 990 Abs. 1 BGB und §
990 Abs. 2, §§ 286, 280 Abs. 2 BGB zustehe. Die Beklagte sei unrechtmäßige
Besitzerin der Waren und habe sich zumindest in grob fahrlässiger Weise der Erkenntnis
verschlossen, dass die Sicherungsübereignung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig
sei.
24
Der im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO geltend gemachte
Herausgabeanspruch sei analog § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht
zurückzuverweisen.
II.
25
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in
mehreren Punkten nicht stand.
26
1. Soweit das Berufungsgericht einerseits auf den
Klageantrag zu 3) hin festgestellt hat, dass die Beklagte verpflichtet sei, der
Klägerin jeden aus der Inbesitznahme der eingelagerten Waren entstandenen und
zukünftig noch entstehenden Schaden zu ersetzen, und andererseits die Sache zur
Entscheidung über den auf Herausgabe gerichteten Klageantrag zu 2) an das
Landgericht zurückverwiesen hat, ist das angefochtene Urteil verfahrensfehlerhaft
und bereits deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht die Grundsätze des §
301 ZPO verkannt hat.
27
a) Bei dem Berufungsurteil handelt es sich zwar nicht um ein
Teilurteil im Sinne des § 301 ZPO, da sich die Urteilsformel ungeachtet der
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht hinsichtlich des mit dem
Klageantrag zu 2) geltend gemachten Herausgabeanspruchs auf den gesamten in der
Berufungsinstanz anhängigen Streitgegenstand erstreckt. Denn auch die
Entscheidung über die Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht ergeht
durch Endurteil, das das Verfahren für die zurückverweisende Instanz erledigt
(Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. § 538 Rn. 49;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 538 Rn. 23).
28
Allerdings kann die Gefahr einander widersprechender
Entscheidungen nicht nur im Fall eines Teilurteils, sondern auch dann bestehen,
wenn das Berufungsgericht - wie hier - einen Teil der Ansprüche für
entscheidungsreif erachtet und hinsichtlich des anderen Teils die Entscheidungsreife
verneint und die Sache in diesem Umfang an das Landgericht zurückverweist (BGH,
Urteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 26). Ein solches
Urteil kommt in seinen Wirkungen einem Teilurteil gleich und darf daher nur
unter Beachtung der Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassen werden (vgl. BGH,
Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 26, 32, vom 9.
November 2011 - IV ZR 171/10, NJW-RR 2012, 101 Rn. 28 und vom 1. März 2016 - VI
ZR 437/14, juris Rn. 32). Wird dies nicht beachtet,
ist das Berufungsurteil wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels von Amts
wegen aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW
2011, 2800 Rn. 31 f.).
29
b) Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist
dann gegeben, wenn in einem Teilurteil oder, wie hier, in einem Urteil, das in
seinen Wirkungen einem Teilurteil gleich kommt, eine Frage entschieden wird,
die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder
Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann (BGH, Urteile vom 11. Mai
2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13 mwN und vom 9. November 2011 - IV ZR
171/10, NJW-RR 2012, 101 Rn. 29 mwN). Das gilt auch insoweit, als es um die
Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen
geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für
das weitere Verfahren binden (BGH, Urteile vom 11. Mai 2011, aaO Rn. 13 mwN,
vom 9. November 2011, aaO Rn. 29 und vom 17. Juni 2015 - XII ZR 98/13, NJW
2015, 2648 Rn. 25). Es genügt die Gefahr durch die abweichende Beurteilung
eines Rechtsmittelgerichts im Instanzenzug (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar
2012 - XII ZR 40/10, WM 2012, 1094 Rn. 19 und vom 17. Juni 2015 - XII ZR 98/13,
NJW 2015, 2648 Rn. 25).
30
c) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen.
31
Es hat bei seiner stattgebenden Entscheidung über den
Feststellungsantrag nicht berücksichtigt, dass nach Erteilung der Auskunft
durch die Beklagte im Rahmen der Prüfung des mit dem Klageantrag zu 2) geltend
gemachten Herausgabeanspruchs erneut über die Frage zu befinden sein wird, ob
die Klägerin aufgrund der Vereinbarung vom 13./20. April 2011 Eigentümerin der
streitgegenständlichen Waren geworden ist. Insoweit besteht die Gefahr, dass
diese Vorfrage in einem späteren Urteil - sei es auf Grund neuen Vortrags, sei
es auf Grund geänderter Rechtsauffassung - anders als im Berufungsurteil
bezüglich des Schadensersatzanspruchs entschieden werden wird, da hinsichtlich
der genannten Vorfrage die den Klageanträgen zu 1) und 3) stattgebende
Entscheidung des Berufungsgerichts keine Bindungswirkung entfaltet.
32
Denn im Fall einer Stufenklage im Sinne von § 254 ZPO, die
hier mit den Klageanträgen zu 1) und 2) erhoben wurde, erwächst die zur
Auskunft verurteilende Entscheidung, soweit darin der Grund des Hauptanspruchs
bejaht wird, bezüglich dieses Grundes weder in Rechtskraft noch entfaltet sie
insoweit Bindungswirkung im Sinne von § 318 ZPO (BGH, Urteile vom 26. April
1989 - IVb ZR 48/88, BGHZ 107, 236, 242, vom 16. Juni
2010 - VIII ZR 62/09, WM 2011, 328 Rn. 24 und vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10,
BGHZ 189, 79 Rn. 17).
33
Auch die Rechtskraft der Feststellung der Pflicht der
Beklagten zum Schadensersatz beschränkt sich nach § 322 Abs. 1 ZPO auf die im
Tenor ausgesprochene Rechtsfolge und erstreckt sich nicht auf die Feststellung
zugrunde liegender präjudizieller Rechtsverhältnisse und sonstiger Vorfragen,
aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der von der
Klagepartei beanspruchten Rechtsfolge zieht (st.
Rspr., BGH, Urteile vom 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 140 mwN
und vom 12. Mai 2011 - III ZR 107/10, WM 2011, 1524 Rn. 38).
34
2. Weiter hält die Bejahung eines - dem zuerkannten
Auskunftsanspruch aus § 260 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden - Anspruchs der
Klägerin aus § 985 BGB auf Herausgabe der von der Beklagten aus dem Lager der H
KG abtransportierten und noch in ihrem Besitz befindlichen Waren
revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
35
Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen,
dass nach dem Annex zum Kaufvertrag vom 13./20. April 2011 bereits mit dieser
Vereinbarung das Eigentum an den bei der H KG gelagerten Waren gemäß § 929 Satz
1, § 931 BGB auf die Klägerin übergehen sollte. Mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung lässt sich aber nicht annehmen, dass die vorangegangene
Übereignung der Waren an die Beklagte nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig war und die
Insolvenzschuldnerin deshalb im April 2011 als Berechtigte verfügt hat.
36
a) aa) Die Würdigung, ob ein
Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, ist eine Rechtsfrage, die der
Nachprüfung im Wege der Revision unterliegt (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober
1990 - IX ZR 9/90, WM 1991, 88, 90, vom 24. Januar 2001 - XII ZR 270/98, VIZ 2001, 572, 573 und vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12,
WM 2014, 71 Rn. 23, jeweils mwN).
37
bb) Ein Rechtsgeschäft ist
sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit nichtig, wenn es nach
seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden
Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung
nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 - IX ZR 130/88,
BGHZ 107, 92, 97 und vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 69
mwN).
38
(1) Die Wahrnehmung eigener Sicherungsinteressen ist als
solche grundsätzlich nicht sittenwidrig (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juni 1958 -
VI ZR 79/57, WM 1958, 895, vom 9. Dezember 1969 - VI ZR 50/68, WM 1970, 399,
400, vom 14. November 1983 - II ZR 39/83, WM 1983, 1406 und vom 30. Oktober
1990 - IX ZR 9/90, WM 1991, 88, 90), auch dann nicht, wenn sich ein Gläubiger
von seinem Schuldner für einen bereits gewährten Kredit nachträglich
Sicherheiten bestellen lässt (BGH, Urteil vom 14. April 1964 - VI ZR 219/62, WM
1964, 671, 672 f.).
39
(2) Für das Vorliegen eines Sittenverstoßes bei der
Gewährung von Krediten und/oder deren Besicherung haben sich in Rechtsprechung
und Literatur zu § 138 BGB und § 826 BGB verschiedene Fallgruppen
herausgebildet (vgl. nur Brünink in Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, 9. Aufl., § 3
Rn. 62 ff.; Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, 8. Aufl., Rn. 1104 ff.; Ganter
in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 90 Rn. 343 ff.;
jeweils mwN). Danach kann sich die Sittenwidrigkeit insbesondere aus einer
Knebelung des Schuldners (vgl. dazu z.B. BGH, Urteile vom 14. Juli 1952 - IV ZR
1/52, NJW 1952, 1169 f. [insoweit in BGHZ 7, 111 nicht abgedruckt], vom 20.
Januar 1971 - VIII ZR 129/69, WM 1971, 441, 442, vom 30. Oktober 1990 - IX ZR
9/90, WM 1991, 88, 91 und vom 19. März 1998 - IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291, 303,
zu § 826 auch BGH, Urteil vom 9. Dezember 1969 - VI ZR 50/68, WM 1970, 399, 401
f.), einer Insolvenzverschleppung (vgl. dazu z.B. BGH, Urteil vom 16. März 1995
- IX ZR 72/94, WM 1995, 995, 997; zu § 826 auch BGH, Urteile vom 9. Dezember
1969 - VI ZR 50/68, WM 1970, 399, 400, vom 26. März 1984 - II ZR 171/83, WM
1984, 625, 632 [insoweit in BGHZ 90, 381, 399 nicht vollständig abgedruckt],
vom 11. November 1985 - II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, 235 f., vom 22. Juni 1992 -
II ZR 178/90, WM 1992, 1812, 1823 und vom 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01, WM 2004,
1575, 1576) oder einer anderweitigen Gläubigergefährdung bzw. Kredittäuschung
(vgl. dazu z.B. BGH, Urteile vom 20. Januar 1971 - VIII ZR 129/69, WM 1971,
441, 442, vom 9. März 1977 - VIII ZR 178/75, WM 1977, 480 f., vom 30. Oktober
1990 - IX ZR 9/90, WM 1991, 88, 91, vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94, WM 1995,
995, 996 und vom 19. März 1998 - IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291, 300 f.; zu § 826
BGB auch BGH, Urteile vom 9. Dezember 1969 - VI ZR 50/68, WM 1970, 399, 401 und
vom 14. November 1983 - II ZR 39/83, WM 1983, 1406) ergeben.
40
Eine Insolvenzverschleppung liegt beispielsweise vor, wenn
ein Kreditgeber um eigener Vorteile willen die letztlich unvermeidliche
Insolvenz eines Unternehmens nur hinausschiebt, indem er Kredite gewährt, die
nicht zur Sanierung, sondern nur dazu ausreichen, den Zusammenbruch zu
verzögern, wenn hierdurch andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des
Unternehmens getäuscht und geschädigt werden sowie der Kreditgeber sich dieser
Erkenntnis mindestens leichtfertig verschließt (vgl. BGH, Urteil vom 16. März
1995 - IX ZR 72/94, WM 1995, 995, 997).
41
Eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung kann auch dann
vorliegen, wenn das Sicherungsgeschäft, mit dem der Schuldner (fast) sein
gesamtes freies Vermögen zur Sicherung auf einen Gläubiger überträgt, unter
Umständen abgeschlossen wird, die dazu geeignet und bestimmt sind, andere
gegenwärtige oder künftige Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners
zu täuschen und dadurch zur Vergabe weiterer Kredite zu verleiten (vgl. BGH,
Urteile vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94, WM 1995, 995, 996 und vom 19. März
1998 - IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291, 300).
42
(3) Allerdings kommt den vorgenannten Fallgruppen, die sich
häufig überschneiden (vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski,
Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 90 Rn. 345), lediglich die Bedeutung eines
Anhaltspunktes zu (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1990 - IX ZR 9/90, WM 1991, 88,
90 mwN). Letztlich kann die Frage der Nichtigkeit nur auf Grund einer umfassenden
Gesamtwürdigung des einzelnen Vertrages unter Berücksichtigung aller den
Vertrag kennzeichnenden Umstände beurteilt werden, namentlich der objektiven
Verhältnisse, unter denen der Vertrag zustande gekommen ist, und seiner
Auswirkungen sowie der subjektiven Merkmale wie des verfolgten Zwecks und des
zugrunde liegenden Beweggrunds (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juli 1953 - IV ZR
242/52, BGHZ 10, 228, 232, vom 2. Februar 1955 - IV ZR 252/54, NJW 1955, 1272,
1273, vom 4. März 1958 - VIII ZR 213/57, WM 1958, 590, 591, vom 20. Januar 1971
- VIII ZR 129/69, WM 1971, 441, 443, vom 30. Oktober 1990 - IX ZR 9/90, WM
1991, 88, 90 und vom 2. Februar 2012 - III ZR 60/11, WM 2012, 458 Rn. 20). Aus
den Hinweisen für das weitere Verfahren in dem Urteil vom 9. Juli 1953 (IV ZR
242/52, NJW 1953, 1665, 1666 re. Sp.
[insoweit in BGHZ 10, 228 nicht abgedruckt]) ergibt sich, dass es auch nach
diesem Urteil - für die Frage, ob die Kreditgeberin und Sicherungsnehmerin die
erforderliche Sorgfalt eingehalten hat, nicht ausschließlich auf die Prüfung
des Sanierungsvorhabens durch einen branchenkundigen Wirtschaftsfachmann
ankommt.
43
(4) Im Fall einer möglichen Sittenwidrigkeit wegen
Gläubigergefährdung ist zudem zu berücksichtigen, dass bei Rechtshandlungen,
deren Inhalt und Zweck im Wesentlichen darin besteht, die Gläubiger zu
benachteiligen, die Sondervorschriften der Insolvenz- bzw. Gläubigeranfechtung
grundsätzlich abschließend regeln, unter welchen Voraussetzungen die Gläubiger
geschützt werden. Die allgemeine Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB kommt daneben
nur zur Anwendung, wenn das Rechtsgeschäft besondere, über die
Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist (vgl. BGH, Urteile vom
5. Juli 1971 - II ZR 176/68, BGHZ 56, 339, 355, vom 9. Juli 1987 - IX ZR 89/86,
WM 1987, 1172, 1173, vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94, WM 1995, 995 f. mwN, vom
19. März 1998 - IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291, 299 f. mwN und vom 23. April 2002 -
XI ZR 136/01, WM 2002, 1186, 1189).
44
b) Diese Grundsätze und Vorgaben hat das Berufungsgericht
bei seiner Entscheidung nur unzureichend beachtet und die materiellen
Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit der Sicherungsübereignung gemäß § 138
Abs. 1 BGB nicht hinreichend festgestellt.
45
aa) Das Berufungsgericht ist
allerdings jedenfalls im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass
maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit im vorliegenden
Fall der Abschluss des Raumsicherungsübereignungsvertrages vom 1. Juli 2010
ist.
46
(1) Maßgebend für die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts
sind die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Vornahme (st.
Rspr., BGH, Urteile vom 9. November 1978 - VII ZR 54/77, BGHZ 72, 308, 314, vom
23. April 2002 - XI ZR 136/01, WM 2002, 1186, 1189 und vom 28. April 2015 - XI
ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 69), auch wenn die Sittenwidrigkeit eines
Sicherungsgeschäftes in Rede steht (BGH, Urteil vom 19. März 1998 - IX ZR
22/97, BGHZ 138, 291, 300). Allerdings ist in diesem Fall zu berücksichtigen,
dass es primär auf die Sittenwidrigkeit des schuldrechtlichen Sicherungsvertrags
ankommt, dessen Unsittlichkeit und Nichtigkeit ausnahmsweise auch das seiner
Umsetzung dienende - abstrakte und damit an sich wertneutrale - dingliche
Erfüllungsgeschäft erfasst, wenn die Unsittlichkeit gerade im Vollzug der
Leistung liegt (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1952 - IV ZR 1/52, NJW 1952,
1169, 1170 [insoweit in BGHZ 7, 111 nicht abgedruckt], vom 20. Juni 1962 - VIII
ZR 128/61, WM 1962, 818, 819, und vom 20. Januar 2006 - V ZR 214/04, NJW-RR
2006, 888, 889; Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, 8. Aufl., Rn. 1102;
Palandt/Ellen-berger, BGB, 75. Aufl., § 138 Rn. 20; Palandt/Bassenge, BGB, 75.
Aufl., § 930 Rn. 15, 20).
47
(2) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt
sich, dass der schuldrechtliche Sicherungsvertrag hier am 1. Juli 2010
geschlossen wurde, während der Vertrag vom 1. März 2011 lediglich eine Änderung
der dinglichen Einigung für die Zukunft enthielt.
48
Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei
dem Vertrag vom 1. März 2011 nur um eine Ergänzung des am 1. Juli 2010
abgeschlossenen Vertrags handelte, die lediglich der Wahrung des
Bestimmtheitsgrundsatzes bei der Übereignung einer Sachgesamtheit mit
wechselndem Bestand diente, nachdem das Sicherungsgut in einem neuen Lager
zusammengeführt worden war, und die insoweit nur für die dingliche Einigung der
Vertragsparteien von Bedeutung war.
49
Diese Auslegung der mit Ziffer 4 des Vertrags vom 1. März
2011 getroffenen Individualvereinbarung durch das Berufungsgericht unterliegt
im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob
gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder
Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht
gelassen wurde (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 - I ZR 304/99, BGHZ 150,
32, 37; Senatsurteile vom 21. Oktober 2014 - XI ZR 210/13, WM 2014, 2160 Rn. 15
und vom 28. Juli 2015 - XI ZR 434/14, WM 2015, 1704 Rn. 17 mwN). Das ist hier
nicht der Fall und wird von den Parteien des Revisionsverfahrens auch nicht
gerügt.
50
bb) Rechtsfehlerhaft hat das
Berufungsgericht aber für das Vorliegen eines Sittenverstoßes genügen lassen,
dass die Beklagte subjektiv von einer - nicht näher definierten -
"Sanierungsbedürftigkeit" der Insolvenzschuldnerin ausgegangen sei,
und hat deshalb keine Feststellungen zur tatsächlichen wirtschaftlichen Lage
der Insolvenzschuldnerin Anfang Juli 2010 getroffen, sondern dies ausdrücklich
offen gelassen.
51
(1) Nach dem Leitsatz des Urteils des Bundesgerichtshofs vom
9. Juli 1953 (IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228), auf den das Berufungsgericht seine
Entscheidung ganz wesentlich gestützt hat, sind die im Zusammenhang mit einer
Kreditgewährung geschlossenen Sicherungsübereignungsverträge gemäß § 138 Abs. 1
BGB nichtig, wenn die Bank einem konkursreifen Unternehmen zum Zweck der
Sanierung einen Kredit gegen Sicherheitsleistungen gewährt, sie dadurch
bewirkt, dass möglicherweise Dritte zu ihrem Schaden über die Kreditwürdigkeit
des Unternehmens getäuscht werden, und sie sich vor der Krediteinräumung nicht
mittels einer eingehenden und objektiven Prüfung durch einen branchenkundigen
Wirtschaftsfachmann von den Erfolgsaussichten des Sanierungsvorhabens überzeugt
hat. Danach ist die Insolvenzreife des Darlehensnehmers und Sicherungsgebers
notwendige Voraussetzung für die Prüfungspflicht bzw. das Vorliegen eines
Sittenverstoßes bei Verletzung der Prüfungspflicht (ebenso BGH, Urteile vom 4.
Juli 1961 - VI ZR 236/60, WM 1961, 1126, 1127 und vom 14. April 1964 - VI ZR
219/62, WM 1964, 671, 672).
52
(2) Es kann dahinstehen, ob Insolvenzreife im Sinne dieser
Rechtsprechung nur dann gegeben ist, wenn nach §§ 17, 19 InsO ein
Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Darlehensnehmers und Sicherungsgebers vorliegt, oder ob dessen drohende
Zahlungsunfähigkeit oder auch schon eine noch früher einsetzende
"Sanierungsbedürftigkeit" genügt (vgl. dazu Huber, NZI 2015, 447, 448
f.; Neuhof, NJW 1998, 3225, 3229; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis,
8. Aufl., Rn. 5.28; Wenzel, NZI 1999, 294). Denn entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts reicht es jedenfalls nicht aus, dass der Sicherungsnehmer den
Sicherungsgeber über einen längeren Zeitraum hinweg - nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts vorliegend sogar mehrere Jahre lang - als
"Sanierungsfall" angesehen hat, ohne die tatsächliche wirtschaftliche
Entwicklung des Sicherungsgebers während dieser Zeit, insbesondere Anzeichen
für eine Besserung der Lage, zu berücksichtigen.
53
(a) Einer derartigen Reduzierung der Anforderungen an die
Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Sicherungsvertrags mit der Folge seiner
Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB steht entgegen, dass die tatsächliche
wirtschaftliche Lage des Sicherungsgebers nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der notwendigen
Gesamtwürdigung, insbesondere für die Bejahung der Sittenwidrigkeit, ist (vgl.
BGH, Urteil vom 2. Februar 1955 - IV ZR 252/54, NJW 1955, 1272, 1273 f. [zu den
Anforderungen an die Prüfung der Lage des Sicherungsgebers durch den Sicherungsneh-mer, um die Nichtigkeit der Bestellung
weiterer Sicherheiten für bereits eingeräumte Kredite gemäß § 138 Abs. 1 BGB zu
vermeiden]; BGH, Urteile vom 9. Dezember 1969 - VI ZR 50/68, WM 1970, 399, 400
und vom 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01, WM 2004, 1575, 1576 [jeweils zu § 826 BGB
wegen sittenwidriger Insolvenzverschleppung]; BGH, Urteile vom 14. November
1983 - II ZR 39/83, WM 1983, 1406 und vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94, WM 1995,
995, 998 [zu anderen Fällen der Gläubigergefährdung oder Kredittäuschung]).
54
(b) Zudem würde durch eine Ausweitung der Anwendung von §
138 Abs. 1 BGB im Fall von fehlgeschlagenen Sanierungsversuchen die
differenzierte Regelung der Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz und
der Insolvenzanfechtung in §§ 129 ff. InsO, insbesondere der dort vorgesehenen
Fristen, überspielt (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1971 - VIII ZR 129/69, WM
1971, 441, 443 und vom 9. Juli 1987 - IX ZR 89/86, WM 1987, 1172, 1173), obwohl
grundsätzlich eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung in Betracht kommt,
wenn eine Sicherungsübereignung nicht Bestandteil eines ernsthaften
Sanierungsversuchs ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 1992 - IX ZR 236/91,
WM 1993, 270, 273 [zu § 31 Nr. 1 KO], vom 4. Dezember 1997 -IX ZR 47/97, WM
1998, 248, 250 [zu § 31 Nr. 1 KO] und vom 5. März 2009 - IX ZR 85/07, BGHZ 180,
98 Rn. 17 [zu § 133 InsO]). Die Nichtigkeit einer Sicherungsübereignung gemäß §
138 Abs. 1 BGB gewährleistet jedoch weder die gleichmäßige Befriedigung der
Insolvenzgläubiger noch wirkt sie zwingend zugunsten der Gläubiger, die
tatsächlich über die Kreditwürdigkeit des Sicherungsgebers und späteren
Insolvenzschuldners getäuscht worden sind. Sie kann - wie der vorliegende Fall
zeigt - unter Umständen auch einem einzelnen Gläubiger zugutekommen, dessen Vertrag
mit dem Insolvenzschuldner Besonderheiten aufweist, die auf einen
Vertragsschluss in Kenntnis von erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
des Insolvenzschuldners hindeuten. So enthielt der Kaufvertrag zwischen der
Insolvenzschuldnerin und der Klägerin, der nur etwa einen Monat vor Stellung
des ersten Insolvenzantrags geschlossen wurde, die Vereinbarung strikten
Stillschweigens und eine Regelung zur Kaufpreiszahlung, nach der mit dem
Kaufpreis Schulden der Verkäuferin bei verschiedenen Gläubigern, einschließlich
des Lagerhalters, ausgeglichen oder verringert werden sollten. Im Übrigen trat
die Verkäuferin - ihre im Vertrag versicherte Verfügungsberechtigung
unterstellt - mit der im Annex vereinbarten Übereignung gemäß § 931 BGB in
Vorleistung.
55
(3) Infolge dessen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft den Zwischenabschluss zum 30. November 2009 und den Jahresabschluss zum 28. Februar 2010 als unbeachtlich angesehen, obwohl sich aus diesen - von einem Wirtschaftsprüfer testierten - Abschlüssen konkrete Anhaltspunkte für eine Besserung der wirtschaftlichen Lage der Insolvenzschuldnerin ergaben. Da maßgeblicher Zeitpunkt für die Sittenwidrigkeit die Vornahme des Rechtsgeschäfts ist [s.o. unter II. 2. b) aa) (1)] und der erste Raumsicherungsübereignungsvertrag nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts am 1. Juli 2010 geschlossen worden ist, steht der Berücksichtigung des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 ferner nicht entgegen, dass die Vertragsurkunde von der Beklagten bereits unter dem 1. Juni 2010 ausgefertigt wurde.
III.
56
1. Das Berufungsurteil ist damit gemäß § 562 Abs. 1 ZPO
aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene
Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO kommt schon deshalb nicht in
Betracht, da das Berufungsgericht keine Feststellungen zur tatsächlichen
wirtschaftlichen Lage der Insolvenzschuldnerin Anfang Juli 2010 getroffen hat
und die Beklagte die von der Klägerin behauptete Insolvenzreife zu diesem
Zeitpunkt in erheblicher Weise bestritten hat.
57
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes
hin:
58
Das Berufungsgericht wird sich im Rahmen der erforderlichen
Gesamtabwägung insbesondere mit dem Zwischenabschluss zum 30. November 2009 und
dem Jahresabschluss zum 28. Februar 2010 zu befassen haben sowie mit dem
klägerischen Einwand, die in diesen Abschlüssen ausgewiesenen Überschüsse
beruhten auf nicht vorhandenen und überbewerteten Warenbeständen sowie auf
einer zu Unrecht erfolgswirksam verbuchten wertlosen Schadensersatzforderung in
Höhe von rd. 3,8 Mio. €. Dabei wird zu berücksichtigen sein, ob bzw. inwieweit
die Beklagte die behaupteten Bilanzierungs- und Bewertungsfehler - sollten sie
vorliegen - und die infolgedessen tatsächlich deutlich schlechtere Lage der
Insolvenzschuldnerin erkannt hat oder bewusst die Augen davor verschlossen hat.
In diesem Zusammenhang wird ferner zu bedenken sein, dass es der
Insolvenzschuldnerin nach dem von der Klägerin vorgelegten Bericht der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. vom 28. Dezember 2011 (Rn. 361) im
Wesentlichen gelungen sein soll, bis Anfang 2011 innerhalb der ihr im Dezember
2009 eingeräumten Kreditlinie zu disponieren.
59
Des Weiteren wird in der Gesamtabwägung gegebenenfalls der
Inhalt des streitgegenständlichen Sicherungsvertrags, wie z.B. die Ermächtigung
der Sicherungsgeberin zur Verfügung über das Sicherungsgut im Rahmen ihrer
ordnungsgemäßen Geschäftsführung (Ziffer 9.1) und die Möglichkeit von
Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt an die Sicherungsgeberin (Ziffer 5.1), zu
berücksichtigen sein.
60
Schließlich wird das Berufungsgericht, sofern es nicht schon wegen des Vorliegens von Indizien für eine Besserung der wirtschaftlichen Lage der Insolvenzschuldnerin die Sittenwidrigkeit der Sicherungsübereignung vom 1. Juli 2010 verneint, zu prüfen haben, ob noch zu diesem Zeitpunkt die Ausweitung von Lieferantenkrediten angestrebt war oder ob Lieferanten durch die Sicherungsübereignung über die Kreditfähigkeit und -würdigkeit der Insolvenzschuldnerin getäuscht sowie hierdurch gefährdet worden sind (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 1990 - IX ZR 9/90, WM 1991, 88, 91 und vom 19. März 1998 - IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291, 300 f.).