BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Wird eine künftige Forderung gepfändet, entsteht das
Pfandrecht erst mit der Begründung der voraus gepfändeten Forderung. (nicht
amtlich)
in dem
Zwangsvollstreckungsverfahren
BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - IX ZB 69/12 - LG
Stuttgart AG Stuttgart-Bad Cannstatt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp am 11. Dezember 2014
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2012 wird auf Kosten der Schuldnerin
zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 26.745,41 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Wegen einer Hauptforderung in Höhe von 80.000 € nebst Zinsen
und Kosten erwirkte der Gläubiger am 16. August 2005 einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss gegen die Schuldnerin. Gepfändet wurden Ansprüche der
Schuldnerin auf die Versicherungssumme aus zwei mit der Drittschuldnerin
geschlossenen Lebensversicherungsverträgen. Die Pfändung bezog "künftig
fällig werdende Ansprüche" sowie "das Recht auf Kündigung und
Umwandlung der Versicherung" ein.
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Bei den Lebensversicherungsverträgen handelte es sich um
Direktversicherungen im Sinne des § 1b Abs. 2 Satz 1
des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung
(Betriebsrentengesetz - BetrAVG), welche der Arbeitgeber der Schuldnerin
abgeschlossen hatte. Der Erlebensfall sollte am 31. Januar 2014 und am 30.
April 2014 eintreten und sah jeweils eine Kapitalleistung der Drittschuldnerin
vor.
3
Am 23. März 2006 wurde über das Vermögen der Schuldnerin ein
Insolvenzverfahren eröffnet. Nachdem die Schuldnerin am 31. März 2009 aus dem
Arbeitsverhältnis ausgeschieden war, bezog sie am 9. Juli 2009 eine Rente der
D. und eine solche ihres ehemaligen Arbeitsgebers. Spätestens am 29. November
2010 begann die Wohlverhaltensphase zur Erlangung der Restschuldbefreiung.
4
Mit Vollstreckungserinnerung von diesem Tag hat sich die Schuldnerin gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 16. August 2005 gewandt. Die Erinnerung ist erfolglos geblieben. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass (nur) die zukünftigen Ansprüche der Schuldnerin auf Auszahlung der Versicherungssummen gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin sinngemäß weiterhin die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erreichen.
II.
5
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch
keinen Erfolg.
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1. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 11. November 2010 (VII ZB 87/09, WM 2010, 2366) hat das
Beschwerdegericht die Ansicht vertreten, der Anspruch auf Auszahlung der
Versicherungssumme aus einer Direktversicherung sei bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls
pfändbar. § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG in Verbindung mit § 851 Abs. 1 ZPO stehe
nicht entgegen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei auch nicht im
Hinblick auf das im Jahr 2006 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Schuldnerin wegen eines sich aus § 91 Abs. 1 InsO ergebenden Erwerbsverbots
aufzuheben. Der Gläubiger habe schon vor Verfahrenseröffnung eine gesicherte
Rechtsposition hinsichtlich der gepfändeten künftigen Forderungen erlangt.
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2. Dies hält rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der
Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer
Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1
BetrAVG bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung
pfändbar (BGH, Beschluss vom 11. November 2010, aaO Rn. 9f).
Dies hat das Beschwerdegericht mit Recht erkannt und wird von der
Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt.
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b) Auch § 91 Abs. 1 InsO vermag die Aufhebung des vom Beschwerdegericht
auf die zukünftigen Ansprüche der Schuldnerin auf Auszahlung der
Versicherungssummen beschränkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht
zu begründen.
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aa) Nach § 91 Abs. 1 InsO können
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechte an den Gegenständen der
Insolvenzmasse nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des
Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde
liegt. Wird eine künftige Forderung gepfändet, entsteht das Pfandrecht erst mit
der Begründung der voraus gepfändeten Forderung. Wegen § 91 Abs. 1 InsO kann in
diesem Fall der Pfandgläubiger an der Forderung zu Lasten der Masse kein
Pfandrecht erwerben. Dies gilt auch für die Pfändung einer aufschiebend
bedingten Forderung. § 91 Abs. 1 InsO schont jedoch solche Erwerbsanwärter, die
bereits eine gesicherte Rechtsstellung an dem Erwerbsgegenstand erworben haben.
Wenn der Pfandrechtsgläubiger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der gepfändeten Forderung erlangt
hat, ist die Pfändung insolvenzfest (BGH, Urteil vom 26. Januar 2012 - IX ZR
191/10, WM 2012, 549 Rn. 29 ff; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. November 2011 -
IX ZR 142/10, BGHZ 191, 277 Rn. 9; vom 25. April 2013 - IX ZR 62/12, WM 2013,
1040 Rn. 27). Diese Grundsätze gelten auch für die Pfändung des Anspruchs des
Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer
Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1
BetrAVG.
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bb) Im Streitfall fehlt es schon
an einem Rechtserwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
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(1) Die Regelungen der §§ 80 ff InsO gelten nur für die
Dauer und die Zwecke des Insolvenzverfahrens. Über den Wortlaut des § 91 Abs. 1
InsO hinaus reicht ein Rechtserwerb irgendwann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
deshalb nicht aus; er muss vielmehr vor Beendigung des Verfahrens erfolgen.
Eine Anwendung des § 91 Abs. 1 InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens
kommt nur in Betracht, wenn und soweit es sich um einen der Nachtragsverteilung
nach § 203 Abs. 1 InsO unterliegenden Gegenstand der Masse handelt (vgl. Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier,
InsO, 2. Aufl., § 91 Rn. 2; vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - IX
ZB 229/06, WM 2008, 305 Rn. 10).
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Vorliegend begann spätestens im Zeitpunkt der Einlegung der
Vollstreckungserinnerung am 29. November 2010 die Wohlverhaltensphase. Dies
setzt eine vorherige Beendigung des Insolvenzverfahrens voraus (vgl. D. Fischer
in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO § 291 Rn. 2; MünchKomm-InsO/ Stephan, 3. Aufl., § 291 Rn. 35;
Uhlenbruck/ Vallender, InsO, 13. Aufl., Vorbemerkung
zu § 286 Rn. 40). Ein durch § 91 Abs. 1 InsO möglicherweise gesperrter
Pfändungspfandrechtserwerb hätte sich daher nach Verfahrenseröffnung und vor
dem 29. November 2010 vollziehen müssen. Davon ist nach den Feststellungen des
Beschwerdegerichts nicht auszugehen. Die Rechtsbeschwerde zeigt übergangenen
Vortrag der insoweit darlegungsbelasteten Schuldnerin (vgl. BGH, Beschluss vom
17. September 2014 - VII ZB 21/13, WM 2014, 2052 Rn. 15; Sternal in
Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., §
766 Rn. 48; MünchKomm-ZPO/ Schmidt/Brinkmann, 4.
Aufl., § 766 Rn. 45; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 766 Rn. 27) nicht auf.
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(2) Bei einer Direktversicherung handelt es sich nach der
Legaldefinition des § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG um
eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers, die durch den
Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung abgeschlossen und bei der das
Bezugsrecht ganz oder teilweise dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen
eingeräumt wird. Das Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Versicherer und
damit auch das dem Arbeitnehmer eingeräumte Bezugsrecht richten sich allein
nach dem Versicherungsvertrag. Demgegenüber beurteilen sich die auf die
Versicherung bezogenen Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem
Arbeitnehmer nach dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis (BGH, Urteil
vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 41/14, WM 2014, 2183 Rn. 11; BAGE 73, 209, 213;
134, 372 Rn. 17; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juni 1996 - IV ZR 243/95, VersR
1996, 1089). Ob es zu einem Rechtserwerb der Schuldnerin nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gekommen ist, beurteilt sich nach den Regelungen des
Versicherungsvertrags. Vorausgesetzt ist der Eintritt eines die Schuldnerin
berechtigenden Versicherungsfalls vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens.
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Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts sollte der jeweilige Erlebensfall erst im Laufe des Jahrs 2014 eintreten, mithin nach Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Ein früherer Eintritt des Versicherungsfalls ist nicht ersichtlich. Zu Unrecht verweist die Rechtsbeschwerde auf § 6 BetrAVG. Diese Bestimmung regelt das arbeitsrechtliche Versorgungsverhältnis, schafft jedoch keinen Versicherungsfall im Sinne des § 159 VVG (BAGE 79, 360, 366 ff; zu § 166 VVG aF). Dass in den streitbefangenen Versicherungsverträgen der Versorgungsfall des § 6 BetrAVG zum Versicherungsfall bestimmt worden wäre, ist nicht festgestellt und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Auf die Frage, ob der Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.