BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Zur Frage der vorsätzlichen Benachteiligung bei einem
Rechtsgeschäft unter Angehörigen.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 50/12 - OLG Celle LG
Hannover
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 10. Juli 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,
den Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer
und Dr. Pape für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 13.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Februar 2012 und das Urteil der
20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. September 2010 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, wegen der vollstreckbaren
Forderungen des Klägers in Höhe von 15.711,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 10.785,24 € seit dem 21. Februar 2008
sowie weiteren 899,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2008 aufgrund des Urteils des Landgerichts
Hannover vom 12. Juni 2009 (Aktenzeichen 16 O 66/08), in Höhe von 1.730,95 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.
September 2009 aufgrund des Kosten- festsetzungs-beschlusses des Landgerichts
Hannover vom
11. Dezember 2009 (Aktenzeichen 16 O 66/08) und in Höhe von
4.539,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 29. September 2009 aufgrund des Kosten- festsetzungs-beschlusses
(Vorverfahren 16 O 3528/01) des Landgerichts Hannover vom 11. Dezember 2009
(Aktenzeichen 16 O 66/08) die Zwangsvollstreckung in den 1.242/10.000
Miteigentumsanteil an dem Grundstück H., Flurstück Nr. Gemarkung H. ,
eingetragen im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Ha. , Grundbuch von H. , Blatt , zu dulden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Am 22. August 2001 erwirkte der Kläger gegen den Sohn der
Beklagten (fortan: Schuldner) in einem Vorprozess ein Versäumnisurteil, durch
welches der Schuldner zur Zahlung von 28.250 DM verurteilt wurde. Das
Versäumnisurteil wurde im Einspruchsverfahren nach Durchführung einer
Beweisaufnahme mit Urteil vom 25. Juli 2003 aufgehoben und die Klage
abgewiesen. In dem nachfolgenden Restitutionsverfahren erreichte der Kläger
eine Aufhebung des klageabweisenden Urteils, weil es durch eine von dem
Schuldner veranlasste Falschaussage erwirkt worden war; der Schuldner wurde mit
Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. Juni 2009 zur Zahlung von 15.711,44 €
sowie 899,40 € zuzüglich Zinsen und Kosten an den Kläger verurteilt. Daneben
stehen dem Kläger weitere vollstreckbare Forderungen aufgrund von zwei
Kostenfestsetzungsbeschlüssen zu. Die Vollstreckung in das Vermögen des
Schuldners, der am 3. März 2010 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat,
verlief erfolglos.
2
Die verfahrensgegenständliche Eigentumswohnung gehörte
zunächst dem Schuldner. Mit notariellem Vertrag vom 27. März 2003 übertrug er
das Wohnungseigentum auf die Beklagte, welche die noch valutierenden
Grundpfandrechte übernahm und dem Schuldner ein lebenslanges, unentgeltliches
Wohnrecht einräumte. Ferner war die Belastung der Immobilie an die vorherige
Zustimmung des Schuldners geknüpft.
3
Im März 2010 hat der Kläger die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum der Beklagten beantragt. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision ist begründet.
I.
5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei wertender Betrachtung der maßgeblichen Indizien könne weder der nach § 3 Abs. 1 AnfG erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners noch eine Kenntnis der Beklagten hiervon festgestellt werden. Es liege kein inkongruentes Deckungsgeschäft vor, weil die Übertragung des Eigentums aufgrund der notariellen Vereinbarung geschuldet gewesen sei. Der Grundstücksübertragungsvertrag selbst sei nicht ohne Gegenleistung erfolgt und belege damit ebenso wenig die Benachteiligungsabsicht des Schuldners. Die Kenntnis des Schuldners von der Zahlungsklage und das gegen ihn erlassene Versäumnisurteil könnten zwar auf seinen Benachteiligungsvorsatz hindeuten. Allerdings fehle der erforderliche zeitliche Zusammenhang, weil der Grundstücksübertragungsvertrag erst im Jahre 2003, nach der für den Schuldner günstig verlaufenen Beweisaufnahme, abgeschlossen worden sei. Auch die Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung schieden aus. Trotz seiner seit 1999 bestehenden Arbeitslosigkeit habe der Schuldner die Kreditraten bis zur Übertragung des Wohnungseigentums gezahlt, auch wenn er mit Beginn des Studiums im Jahre 2003 von den Eltern habe unterstützt werden müssen. Fällige, aber nicht gezahlte Verbindlichkeiten des Schuldners seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Beklagte subjektiv überzeugt gewesen sei, nach jahrelanger finanzieller Unterstützung des Sohnes und ihrer Hilfe bei der Finanzierung des Wohnungskaufpreises einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums gehabt zu haben. Zudem sei der von ihr geltend gemachte Beweggrund nach einer weiteren Alterssicherung nachvollziehbar.
II.
6
Den gegen diese Würdigung gerichteten Rügen der Revision
kann der Erfolg nicht versagt werden. Die Voraussetzungen des allein in
Betracht kommenden Anfechtungstatbestandes der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung
nach § 3 Abs. 1 AnfG, der eine Anfechtungsfrist von zehn Jahren vorsieht, sind
erfüllt. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Duldung der
Zwangsvollstreckung in den streitgegenständlichen Grundbesitz nach § 1 Abs. 1
Satz 1 AnfG zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 245/06, ZIP 2008,
2136 Rn. 8, 12).
7
1. An der Anfechtungsberechtigung des Klägers nach § 2 AnfG
bestehen keine Zweifel. Aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 12.
Juni 2009 und der Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 11. Dezember 2009 ist er
Gläubiger mehrerer vollstreckbarer Schuldtitel und fälliger Forderungen gegen
den Schuldner. Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen blieb nach Abgabe der am
3. März 2010 geleisteten eidesstattlichen Versicherung des Schuldners
erfolglos.
8
2. Die Beklagte bestreitet darüber hinaus selbst nicht, dass
der Grundstücksübertragungsvertrag zu einer objektiven Benachteiligung von
Gläubigern des Schuldners gemäß § 1 AnfG führte. Der Kläger hätte ohne die
angefochtene Rechtshandlung die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz des
Schuldners wegen seiner Forderungen betreiben können. Es ist nicht ersichtlich,
dass der im Rahmen einer Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz erzielbare
Erlös nicht zu einer Befriedigung des Klägers hätte führen können (vgl. BGH,
Urteil vom 20. Oktober 2005 - IX ZR 276/02, ZIP 2006, 387 Rn. 7). Die
Gegenleistungen der Beklagten verschafften den Gläubigern zudem keinen
Aus-gleich an haftendem Vermögen, auch nicht die Einräumung eines
unentgeltlichen Wohnrechts auf Lebenszeit zugunsten des Schuldners. Die
Überlassung des Wohnrechts an Dritte wurde nicht gestattet, so dass die
Zwangsvollstreckung in das Wohnungsrecht gemäß § 857 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen
ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1995 - IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314, 318; vom
18. Dezember 2008 - IX ZR 79/07, NZI 2009, 239 Rn. 11).
9
3. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts handelte der
Schuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung mit dem
erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.
10
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist eine vorsätzliche
Benachteiligung erforderlich. Hierfür genügt ein bedingter Vorsatz des
Schuldners. Dass der Schuldner mit dem Ziel gehandelt hat, seine Gläubiger zu
benachteiligen, ist nicht geboten. Vielmehr liegt ein Benachteiligungsvorsatz
schon dann vor, wenn der Schuldner bei einem auf einen anderen Zweck
gerichteten Handeln die Benachteiligung als mögliche Folge seines Handelns
erkennt und billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 13. Juli 1995, aaO S. 319;
vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395, 1397; vom 20. Oktober
2005, aaO Rn. 16; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 3 Rn. 14
ff; Huber, AnfG, 10. Aufl., § 3 Rn. 21; Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO,
1998, § 3 AnfG Rn. 6). Für dieses Bewusstsein reicht es aus, dass der Schuldner
den Ausfall weiterer Gläubiger für möglich hält und er sich trotz dieser
Kenntnis nicht von seinem Handeln abhalten lässt (MünchKomm-AnfG/Kirchhof,
aaO Rn. 16).
11
Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners
liegt beim anfechtenden Gläubiger (Huber, aaO Rn. 30). Allerdings kann dieses
subjektive Tatbestandsmerkmal - weil es sich um eine innere, dem Beweis nur
schwer zugängliche Tatsache handelt - meist nur mittelbar aus objektiven
Tatsachen hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR
159/06, NZI 2009, 768 Rn. 8; vom 7. November 2013 - IX ZR 248/12, WM 2013, 2233
Rn. 7 mwN; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, aaO Rn. 47;
Huber, aaO Rn. 24). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung nach § 286 ZPO sind die
maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, welche als Erfahrungswerte
für und gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners sprechen. Indizielle
Bedeutung können neben der Inkongruenz des Deckungsgeschäfts bei gleichzeitig
beengten finanziellen Verhältnissen (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2013, aaO
Rn. 11 ff) der Eintritt einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung und das
besondere Ausmaß der Beeinträchtigung haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember
1997 - IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563 zu § 31 KO). Gewichtiger Anhaltspunkt
kann sein, dass der Schuldner sein letztes werthaltiges Grundstück auf einen
Dritten überträgt (MünchKomm-AnfG/Kirchhof, aaO).
Dieses Beweisanzeichen wird durch ein Näheverhältnis
zwischen dem Schuldner und dem Begünstigten noch verstärkt (MünchKomm-AnfG/Kirchhof,
aaO Rn. 60; vgl. auch MünchKomm-InsO/Kayser, 3.
Aufl., § 133 Rn. 27).
12
b) Diesen Maßstäben wird die Beurteilung des
Berufungsgerichts nicht gerecht.
13
aa) Das Beweisanzeichen der
Inkongruenz kommt in der vorliegenden Fallgestaltung tatsächlich nicht in
Betracht. Die Übertragung des Eigentums kann nicht als inkongruentes
Deckungsgeschäft angesehen werden, weil die Beklagte hierdurch nur das erlangt
hat, was aufgrund der notariellen Vereinbarung geschuldet war (vgl. BGH, Urteil
vom 4. Dezember 1997, aaO S. 1562; vom 6. Dezember 2001 - IX ZR 158/00, NJW-RR
2002, 478, 480). Der Grundstücksübertragungsvertrag selbst hat nur den Anspruch
auf Übertragung des Eigentums geschaffen, weshalb das Kriterium der kongruenten
oder inkongruenten Deckung nicht greift.
14
bb) Die übrigen Feststellungen des
Berufungsgerichts tragen die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes jedoch
selbst dann, wenn von einer kongruenten Deckung der Eigentumsübertragung
auszugehen sein sollte. Der erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des
Schuldners hat schon bei Eingehung der später erfüllten Verpflichtung
vorgelegen (vgl. MünchKomm-AnfG/ Kirchhof, aaO Rn.
88).
15
Bei der gebotenen Betrachtung des gesamten
rechtsgeschäftlichen Vorgangs, der sich aus dem schuldrechtlichen
Verpflichtungs- und dinglichen Erfüllungsgeschäft zusammensetzt (BGH, Urteil
vom 15. Dezember 1994 - IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184, 187), ergibt sich eine
unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zugunsten einer nahen Angehörigen des
Schuldners. Die Aufgabe seines Eigentums an der Wohnung zugunsten seiner Mutter
wurde nicht durch gleichwertige Gegenleistungen ausgeglichen, so dass die
Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger durch die vereinbarte Vermögensverschiebung
objektiv verschlechtert wurden. Dies lässt darauf schließen, dass der Schuldner
diese Folge bei Ab-schluss des Vertrages erkannt und zumindest billigend in
Kauf genommen hat. Die von den Parteien gewählte Vertragsgestaltung zeigt, dass
der Schuldner seinen Grundbesitz nicht endgültig aufgeben wollte, sondern nur
rechtlich den Vermögenswert verschieben wollte, ohne die Vorteile der weiteren
Immobiliennutzung zu verlieren. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wird nicht
dadurch ausgeschlossen, dass der Schuldner in erster Linie sich selbst oder ihm
nahestehende Personen begünstigen will (MünchKomm-AnfG/Kirchhof,
aaO Rn. 19 f).
16
Hinzu kommt das besondere Ausmaß der
Gläubigerbenachteiligung. Andere bedeutsame Vermögenswerte besaß der Schuldner
zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht. Ebenso wenig verfügte er zum Zeitpunkt
der Grundstücksübertragung über ein pfändbares Einkommen. Er war arbeitslos und
beabsichtigte, ein Studium aufzunehmen. Es war somit bereits absehbar, dass er
noch über mehrere Jahre von staatlicher oder elterlicher Unterstützung abhängig
sein würde. Mit der Übertragung des Grundstücks veräußerte er seinen einzigen
werthaltigen Vermögenswert, so dass den Gläubigern ein Zugriff auf pfändbares
Vermögen oder Einkommen des Schuldners unmöglich gemacht wurde.
17
Für einen wenigstens bedingten Benachteiligungsvorsatz
spricht zudem, dass der Schuldner bei Abschluss des
Grundstücksübertragungsvertrages von der Forderung des Klägers und seiner
jederzeit drohenden Zahlungsunfähigkeit Kenntnis hatte. Gegen ihn war bereits ein
Versäumnisurteil ergangen, durch welches er zur Zahlung von 28.250 DM an den
Kläger verurteilt worden war. Selbst wenn er hiergegen Einspruch erhoben hatte,
ist der Prozessausgang noch ungewiss gewesen. Er musste mit einer Bestätigung
der Versäumnis-entscheidung rechnen und damit - mangels innerhalb von drei
Wochen verfügbarer liquider Mittel und sonstiger kurzfristig verwertbarer
Vermögensbestandteile (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM
2006, 2312 Rn. 27 f; Kadenbach in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 18 Rn. 11) - auch mit einer
möglichen Zahlungsunfähigkeit. Selbst wenn er seine Wohnung nur vorsorglich -
für den Fall einer Titulierung der Forderung - auf die Beklagte übertragen
haben sollte, läge darin eine zumindest billigende Inkaufnahme der
Benachteiligung des Klägers. Dies gilt im besonderen Maße auch angesichts der
Umstände, die zu der für den Schuldner positiven Zeugenaussage geführt hatten:
Nach den im Restitutionsurteil getroffenen Feststellungen hatte der Schuldner
die Aussage des Zeugen durch Nötigung und Körperverletzung erzwungen. Dass der
Schuldner zu derartigen Mitteln gegriffen hat, um die Titulierung der Forderung
gegen sich abzuwenden, ist ein erhebliches Indiz für seinen damaligen Willen,
die Durchsetzung der Forderung des Klägers um jeden Preis zu vereiteln.
18
cc) Angesichts dieser eindeutigen Beweisanzeichen für einen
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sind mögliche andere Zwecke, die der Schuldner
mit der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung außerdem verfolgt haben
könnte, ohne Belang. So mag die Grundstücksübertragung auch deshalb erfolgt
sein, weil der Schuldner der Beklagten eine Alterssicherung zukommen lassen und
für sich die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen schaffen
wollte. Solche zusätzlichen Beweggründe schließen den Benachteiligungsvorsatz
nicht aus. Wenn der Schuldner bei Abschluss der Vereinbarung wusste, dass er
damit den Kläger und andere Gläubiger benachteiligte und sich trotz der
Vorstellung dieser Möglichkeit nicht von seinem Handeln abhalten ließ, ist die
Schlussfolgerung auf einen zumindest bedingten Vorsatz des Schuldners
gerechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, ZIP 2003,
1506, 1509).
19
4. Die objektiven Umstände lassen zudem darauf schließen,
dass die Beklagte Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
hatte.
20
a) Die Kenntnis vom Vorsatz des Schuldners im Sinne von § 3
Abs. 1 Satz 1 AnfG hat der Anfechtungsgegner, wenn er hiervon sicher wusste,
also sowohl die Gläubigerbenachteiligung als auch den darauf gerichteten Willen
des Schuldners erkannt hat (MünchKomm-AnfG/Kirchhof,
aaO Rn. 29). Bloßes Annehmen oder Kennenmüssen genügt
ebenso wenig wie eine grob fahrlässige Unkenntnis des Anfechtungsgegners
(Huber, aaO Rn. 27). Auch insoweit obliegt dem anfechtenden Gläubiger die
Beweislast, wobei er sich auch hier auf Beweisanzeichen stützen kann (Huber,
aaO Rn. 30 ff). Zudem wird nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG die Kenntnis des
Anfechtungsgegners vermutet, wenn er von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des
Schuldners gemäß § 18 Abs. 2 InsO und der objektiven Gläubigerbenachteiligung
der Handlung wusste. Kannte der Anfechtungsgegner Umstände, die zwingend auf
eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen,
ist zu vermuten, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit selbst kannte
(BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799, 1801; Huber, aaO
Rn. 29). Für diesen zwingenden Schluss ist es erforderlich, aber auch
ausreichend, dass sich der Anfechtungsgegner aus der Sicht eines redlich
Denkenden, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist,
angesichts der bekannten Tatsachen nicht der Einsicht verschließen konnte, dem
Schuldner drohe die Zahlungsunfähigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2009
- IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rn. 14 zu § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO).
21
b) Die Kenntnis der Beklagten von dem
Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ist bei den gegebenen Umständen nach § 3
Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die
Beklagte bei Ab-schluss des Grundstücksübertragungsvertrags davon ausgegangen
war, ihr Sohn werde die Kosten für die Wohnung nicht mehr aufbringen können.
Auch waren ihr die Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Kläger bekannt.
Bei ihrer Anhörung hat sie erklärt, Kenntnis davon erlangt zu haben, dass ihr Sohn
zu einer Zahlung an den Kläger verurteilt worden war. Sie hatte demnach
aufgrund der ihr bekannten Umstände angenommen, dass dem Schuldner die
Zahlungsunfähigkeit drohte. Dabei wusste sie von wenigstens einem Gläubiger
ihres Sohnes, dessen objektive Benachteiligung durch die Veräußerung des
einzigen Vermögenswertes des Schuldners auf der Hand lag. Auch bei laienhafter
Wertung kann sich die Beklagte nicht der Erkenntnis verschlossen haben, dass
diesem Gläubiger das einzige mögliche Zugriffsobjekt für den Fall einer
Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners entzogen wurde. Dazu, dass
diese Kenntnis später entfallen ist, hat die insoweit darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte nichts vorgetragen. Genauerer rechtlicher Kenntnisse
bedurfte es für diesen zwingenden Rückschluss auf die objektive
Gläubigerbenachteiligung nicht.
22
Der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe wegen ihrer langjährigen finanziellen Unterstützung des Sohnes möglicherweise gemeint, einen Anspruch auf Übertragung der Wohnung gehabt zu haben, spricht nicht gegen ihre Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Gleiches gilt für den Beweggrund einer zusätzlichen Alterssicherung. Es kommt nicht darauf an, was die Beklagte dazu bewogen hat, sich auf das angefochtene Rechtsgeschäft einzulassen. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie den Beweggrund des Schuldners, seine Gläubiger benachteiligen zu wollen, erkannt hat. Dies ist angesichts ihres Wissens um die drohende Zahlungsunfähigkeit ihres Sohnes und um den unmittelbar durch das Rechtsgeschäft benachteiligten Gläubiger zu vermuten. Konkrete Kenntnisse von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Sohnes im Einzelnen sowie der genauen Höhe der Forderungen des Klägers bedurfte es hierbei nicht.
III.
23
Die Revision erweist sich als begründet, so dass die Entscheidungen der Vorinstanzen gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben sind. Da die Aufhebung der Urteile nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und der Klage insgesamt stattgegeben.