BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 4, § 28 Abs. 1 Satz 1; BGB § 883
Abs. 2; WEG § 16 Abs. 2
a) Eine (Auflassungs-)Vormerkung ist im Zwangsversteigerungsverfahren wie ein Recht der Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG zu behandeln.
b) Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft, die die
Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt, sind
gegenüber einer Auflassungsvormerkung stets vorrangig. Diese ist nicht im
geringsten Gebot zu berücksichtigen und erlischt mit dem Zuschlag; erwirbt der
Vormerkungsberechtigte nach der Beschlagnahme das Eigentum, ist das Verfahren fortzusetzen
und nicht gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG einzustellen.
BGH, Beschluss vom 9. Mai 2014 - V ZB 123/13 - LG Ravensburg, AG Tettnang
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Lemke und die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 gegen den
Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 9. Juli 2013 wird
zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert beträgt 3.000 € für die Gerichtskosten, 4.563,38 € für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1 und 6.000 € für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 3 und 4.
Gründe:
A.
1
Im Grundbuch der eingangs genannten Teileigentumseinheit der
Beteiligten zu 2 ist seit dem 20. Januar 1999 eine Auflassungsvormerkung
zugunsten der Beteiligten zu 3 und 4 eingetragen. Die Beteiligte zu 1 - die
Wohnungseigentümergemeinschaft, zu deren Anlage das Teileigentum gehört -
betreibt wegen titulierter Wohngeldansprüche aus dem Jahr 2008 die
Zwangsversteigerung. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8. Oktober 2010
wegen der Ansprüche der Beteiligten zu 1 die Zwangsversteigerung aus der
Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG angeordnet. Vor dem Versteigerungstermin
haben die Beteiligten zu 3 und 4 mitgeteilt, dass die Teileigentumseinheit am 15.
Februar 2013 an sie aufgelassen worden sei und sie ihre Eintragung als
Eigentümer beantragt hätten. Die Umschreibung des Eigentums ist nicht erfolgt.
In dem Versteigerungstermin am 21. Februar 2013 hat das Vollstreckungsgericht
die Auflassungsvormerkung nicht in das geringste Gebot aufgenommen. Mit
Beschluss vom gleichen Tag ist der Beteiligten zu 5 als Meistbietender der
Zuschlag erteilt worden; die Vormerkung ist in dem Zuschlagsbeschluss nicht als
bestehenbleibendes Recht aufgeführt.
2
Die gegen den Zuschlagsbeschluss gerichtete sofortige
Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 ist erfolglos geblieben. Mit der
zugelassenen Rechtsbeschwerde wollen sie die Aufnahme der zu ihren Gunsten
eingetragenen Auflassungsvormerkung in das geringste Gebot erreichen.
B.
3
Das Beschwerdegericht meint, das Verfahren sei nicht gemäß §
28 Abs. 1 ZVG aufzuheben. Dies setze voraus, dass die Umschreibung des
Eigentums im Grundbuch aufgrund der Auflassungsvormerkung erfolgt sei; dazu sei
es aber nicht gekommen. Die Auflassungsvormerkung sei zu Recht nicht in das
geringste Gebot aufgenommen worden, weil sie gegenüber den Ansprüchen der
betreibenden Wohnungseigentümergemeinschaft aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs.
1 ZVG nachrangig sei. Zwar werde die Vormerkung in § 10 ZVG nicht ausdrücklich
erwähnt. Nach zutreffender Ansicht falle sie aber in die Rangklasse 4 des § 10
Abs. 1 ZVG; hieraus ergebe sich ihre Nachrangigkeit gegenüber Ansprüchen, die
der Rangklasse 2 zuzuordnen seien.
C.
4
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
Weil eine Partei mit ihrer Prozesshandlung im Zweifel das
erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und
ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. nur Senat, Urteil vom
19. Oktober 2012 - V ZR 233/11, ZfIR 2013, 23 Rn. 11
mwN), ist der Antrag der Beteiligten zu 3 und 4 dahingehend auszulegen, dass
sie die Versagung des Zuschlags begehren; nur diese, nicht aber die beantragte
Änderung des geringsten Gebots kann mit der Rechtsbeschwerde erreicht werden.
Ein Zuschlagsversagungsgrund liegt jedoch nicht vor.
6
I. Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet
verneint das Beschwerdegericht der Sache nach einen Zuschlagsversagungsgrund
gemäß § 83 Nr. 5 ZVG. Nach dieser Bestimmung ist der Zuschlag zu versagen, wenn
das Recht eines Beteiligten der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht. Ist
ein solches Recht aus dem Grundbuch ersichtlich, hat das Vollstreckungsgericht
das Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG aufzuheben oder einstweilen
einzustellen bzw. gemäß § 33 ZVG den Zuschlag zu versagen. Die Voraussetzungen
des § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG lagen aber schon deshalb nicht vor, weil eine
Umschreibung des Eigentums aufgrund des vorgemerkten Anspruchs auf die
Beteiligten zu 3 und 4 nicht erfolgt ist. Die Auflassungsvormerkung als solche
stellt kein der Zwangsversteigerung entgegenstehendes Recht im Sinne von § 28
Abs. 1 Satz 1 ZVG dar (vgl. nur Senat, Urteil vom 28. Oktober 1966 -V ZR 11/64,
BGHZ 46, 124, 126 f.; BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 -IX ZR 226/94, NJW 1996,
3147 f. jeweils mwN).
7
II. Ebenso wenig ist der Zuschlag wegen einer Verletzung der
Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots im Sinne von § 83 Nr.
1 ZVG zu versagen. Das Vollstreckungsgericht hat die für die Beteiligten zu 3
und 4 im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung zu Recht nicht in das
geringste Gebot aufgenommen.
8
1. Im Ausgangspunkt ist eine Auflassungsvormerkung wie ein
eingetragenes Recht zu behandeln (§ 9 Nr. 1, § 48 ZVG).
9
a) In das geringste Gebot ist sie aufzunehmen, wenn sie dem
Anspruch des (bestrangig betreibenden) Gläubigers
vorgeht (§ 44 Abs. 1 ZVG); dies gilt auch dann, wenn sie einen bedingten
Anspruch sichert (Senat, Urteil vom 28. Oktober 1966 - V ZR 11/64, BGHZ 46, 124
ff.). Fällt die Auflassungsvormerkung in das geringste Gebot, bleibt sie bei
dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung bestehen (§ 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG). Weil
der Eigentumserwerb des Erstehers dem Vormerkungsberechtigten gegenüber
unwirksam ist (§ 883 Abs. 2 BGB), kann dieser den gesicherten Anspruch auf
Übertragung des Eigentums trotz des erfolgten Zuschlags gegenüber dem Ersteher
durchsetzen (§ 888 Abs. 1 BGB; vgl. Senat, Urteil vom 28. Oktober 1966 - V ZR
11/64, BGHZ 46, 124, 127; BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, NJW
1996, 3147, 3148; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883 Rn. 298 ff.).
10
b) Dagegen ist die Vormerkung nicht in das geringste Gebot
aufzunehmen, wenn sie dem Recht des (bestrangig
betreibenden) Gläubigers im Rang nachgeht. Der Vormerkungsberechtigte muss den
Eigentumserwerb des Erstehers gegen sich gelten lassen, weil die Vormerkung
mangels Aufnahme in das geringste Gebot mit dem Zuschlag erlischt (§ 91 Abs. 1,
§ 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG). An die Stelle des zuvor durch die Vormerkung
gesicherten Anspruchs tritt der Anspruch auf Wertersatz aus dem
Versteigerungserlös (§ 92 Abs. 1 ZVG; vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883
Rn. 304 f.).
11
2. Ob eine vor der Beschlagnahme eingetragene
Auflassungsvormerkung dem Recht der Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne von
§ 44 Abs. 1 ZVG vorgeht, wenn diese die Zwangsversteigerung aus Ansprüchen
betreibt, die der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG zuzuordnen sind, ist
umstritten.
12
a) Nach überwiegender Ansicht gehen die bevorrechtigten
Hausgeldansprüche der Auflassungsvormerkung vor. Teils wird dies vornehmlich
aus deren vermeintlich dinglichem Charakter hergeleitet (Alff,
ZWE 2010, 105, 112; ders., Rpfleger 2013, 15, 18
f.; Schmidberger, ZfIR 2013, 113 ff.; Schneider, ZMR
2009,165, 169 f.; ZMR 2013, 305 f.; ZWE 2013, 246,
249; Suilmann, NotBZ
2010,365, 368). Andere sehen Ansprüche der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG
unabhängig von ihrer Rechtsnatur als vorrangig an; die Auflassungsvormerkung
müsse wie jedes andere aus dem Grundbuch ersichtliche Recht in das
Rangklassensystem des § 10 ZVG eingeordnet werden und falle in die (nach-rangige) Rangklasse 4 (Morvilius
in Dierck/Morvilius/Vollkommer,
Handbuch des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 344 Rn. 296a;
Stöber, ZVG, 20. Aufl. § 10 Rn. 16.8; Schmidt-Räntsch, ZWE
2011, 429, 439; wohl auch Becker in Bärmann, WEG, 12.
Aufl., § 16 Rn. 200; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/ Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., Anhang IV Rn. 49; Hintzen in Dassler/ Schiffhauer /Hintzen/
Engels/ Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 44 Rn. 11;
Franck, MittBayNot 2012, 345, 349; Böttcher, ZfIR 2010, 345, 347).
13
b) Nach der Gegenauffassung bietet eine
Auflassungsvormerkung Schutz vor einer Zwangsversteigerung, die aus Rechten der
Rangklasse 2 be- trieben wird. Zur Begründung wird
teilweise darauf verwiesen, dass die bevorrechtigten Hausgeldansprüche keine
dingliche Wirkung hätten. Könne das Vor- recht einem Erwerber nicht
entgegengehalten werden, sei die Beschlagnahme als vormerkungswidrig anzusehen;
der Vormerkungsberechtigte müsse sie nicht gegen sich gelten lassen. Die
Wohnungseigentümergemeinschaft stehe im Verhältnis zu dem Vormerkungsberechtigten
gewöhnlichen persönlichen Gläubigern gleich (Reymann, ZWE
2013, 446, 449; Herrler, NJW 2013, 3518; Fabis, ZfIR 2010, 354, 357 f.).
Vereinzelt wird auch die Einordnung der Auflassungsvormerkung in die Rangklasse
4 bestritten, weil die Vormerkung ebenso wie das Eigentum selbst außerhalb des
Rangklassensystems des § 10 Abs. 1 ZVG stehe; ihre Schutzwirkung bestimme sich
ausschließlich nach § 883 Abs. 2 BGB (Kesseler, NJW
2009, 121, 123 f.; zustimmend MünchKomm-BGB/Kohler,
6. Aufl., § 883 Rn. 62 Fn. 428; offen gelassen von Reymann, ZWE
2013, 446, 448).
14
c) Der Senat entscheidet die Frage mit der zuerst genannten
Auffassung dahingehend, dass Ansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft, die
die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt,
stets Vorrang gegenüber einer Auflassungsvormerkung zukommt; diese ist auch
dann nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen, wenn sie - wie hier -
bereits vor dem Entstehen der bevorrechtigten Hausgeldansprüche in das
Grundbuch eingetragen worden ist.
15
aa) Dies ergibt sich allerdings
nicht aus einer vermeintlich dinglichen Wirkung des Vorrechts der
Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach der Rechtsprechung des Senats enthält § 10
Abs. 1 Nr. 2 ZVG lediglich eine Privilegierung schuldrechtlicher Ansprüche im
Zwangsversteigerungsverfahren und verleiht diesen keine dingliche Wirkung
(Senat, Urteil vom 13. September 2013 - V ZR 209/12, BGHZ 198, 216 Rn. 8 ff.).
Aus dem schuldrechtlichen Charakter der bevorrechtigten Ansprüche folgt aber
nicht, dass eine Auflassungsvormerkung Schutz vor der aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG
betriebenen Zwangsversteigerung bietet (zutreffend Morvilius
in Dierck/Morvilius/Vollkommer,
Handbuch des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 344 Rn. 296a;
Schneider, ZWE 2014, 61, 70 f.).
16bb) Der Vorrang der § 10 Abs. 1
Nr. 2 ZVG unterfallenden Hausgeldansprüche ergibt sich vielmehr daraus, dass
die Auflassungsvormerkung der Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG zuzuordnen ist.
17
(1) Welches Recht dem Anspruch des betreibenden Gläubigers
im Sinne von § 44 Abs. 1 ZVG vorgeht und folglich im geringsten Gebot
Berücksichtigung finden muss, richtet sich nach §§ 10 bis 12 ZVG (Stöber, ZVG,
20. Aufl. § 44 Rn. 4.2; Löhnig/Siwonia,
ZVG, § 44 Rn. 2 f.). Aus diesem Grund muss auch die Vormerkung zwingend in das
Rangklassensystem des § 10 Abs. 1 ZVG - also in eine der in dieser Norm unter
Nr. 1 bis 8 aufgeführten Rangklassen - eingeordnet werden (zutreffend Morvilius in Dierck/Morvilius/Vollkommer, Handbuch des
Zwangsvollstreckungsrechts, S. 344 Rn. 296a). Nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht eine Auflassungsvormerkung im
Zwangsversteigerungsverfahren in einem Rangverhältnis zu den Rechten der
Rangklasse 4 (Senat, Urteil vom 28. Oktober 1966 - V ZR 11/64, BGHZ 46, 124,
127; BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147, 3148);
nichts anderes gilt für ihr Verhältnis zu Rechten der Rangklassen 1 bis 3. Zwar
trifft es zu, dass die Vormerkung wie das vorgemerkte Eigentum zu behandeln ist
(§ 48 ZVG) und dass das Eigentum als solches nicht rangfähig ist (Senat,
Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 16; Assmann, Die
Vormerkung (1998) S. 146, 194). Daraus ergibt sich aber nicht, dass eine
Auflassungsvormerkung außerhalb des Rangklassensystems des § 10 Abs. 1 ZVG
steht; sie sichert zwar den Anspruch auf Verschaffung des Eigentums, ist aber
ein Sicherungsrecht eigener Art und kein gegenüber dem Eigentum wesensgleiches
Minus.
18
(2) Dass Auflassungsvormerkungen in die Rangklasse 4 des §
10 Abs. 1 ZVG einzuordnen sind, entspricht der nahezu einhelligen Auffassung
(vgl. Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 10 Rn. 15;
Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883 Rn. 294; Soergel/Stürner,
BGB, 13. Aufl., § 883 Rn. 40; MünchKommBGB/Kohler, 6.
Aufl., § 883 Rn. 60; Jauernig, BGB, 15. Aufl., § 883 Rn. 20; Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 200; Kümmel in Niedenführ/ Kümmel/ Vandenhouten,
WEG, 9. Aufl., Anhang IV Rn. 49; Morvilius in Dierck/ Morvilius/ Vollkommer,
Handbuch des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 344 Rn. 296a;
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. Rn. 1532; Schmidt-Räntsch, ZWE 2011, 429, 439; Böttcher, ZfIR
2010, 345, 347, jeweils mwN). So sieht es auch der Senat. Weil die in § 10 Abs.
1 ZVG nicht ausdrücklich geregelte Vormerkung - wie ausgeführt - zwingend einer
der in der Norm enthaltenen Rangklassen zugeordnet werden muss, kommt nur die
Rangklasse 4 in Betracht. Denn sie ist am ehesten mit den darin aufgeführten
dinglichen Rechten vergleichbar, während sie mit den in den anderen Rangklassen
geregelten Rechten keine Ähnlichkeiten aufweist.
19
(3) Aus der Einordnung der Auflassungsvormerkung in die
Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG ergibt sich ohne weiteres, dass sie gegenüber
Rechten der Rangklasse 2 nachrangig ist. Denn die Rechte der Rangklasse 2 gehen
insgesamt den Rechten aus den nachfolgenden Rangklassen 3 bis 8 vor. Auf die
zeitliche Entstehung der Rechte kommt es insoweit nicht an; diese ist von
Bedeutung, wenn mehrere Rechte innerhalb der Rangklasse 4 konkurrieren (vgl. §
11 Abs. 1 ZVG, §§ 879 ff. BGB). Auch hängt die bevorzugte Stellung der
Ansprüche von Wohnungseigentümergemeinschaften im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 2
ZVG nicht von deren Rechtsnatur ab. Sie ergibt sich vielmehr aus der Einordnung
der Hausgeldansprüche in dem Rangklassensystem des § 10 Abs. 1 ZVG. Mit diesem
wäre es unvereinbar, wenn die der Rangklasse 2 unterfallenden Ansprüche im
Verhältnis zu Auflassungsvormerkungen den nicht bevorrechtigten Ansprüchen aus
der Rangklasse 5 der betreibenden Wohnungseigentümergemeinschaft gleichgesetzt
würden (zutreffend Schneider, ZWE 2014, 61, 70 f.;
vgl. auch Senat, Beschluss vom 17. April 2008 - V ZB 13/08, NJW 2008, 1956 Rn.
17).
20
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht § 883
Abs. 2 BGB diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Aufstellung des geringsten
Gebots richtet sich nicht nach dieser Norm, sondern allein nach dem
Rangklassensystem des Zwangsversteigerungsgesetzes. Die Wirkungen des § 883
Abs. 2 BGB kann die Vormerkung gegenüber dem Ersteher nur dann entfalten, wenn
sie gegenüber dem Recht des betreibenden Gläubigers (nach § 10 Abs. 1 ZVG)
vorrangig ist, infolgedessen in das geringste Gebot fällt und trotz des
Zuschlags bestehen bleibt. Nicht das Rangklassensystem wird durch § 883 Abs. 2
BGB durchbrochen, sondern im Gegenteil wird die Schutzwirkung der Vormerkung
durch die Spezialregelungen des Zwangsversteigerungsgesetzes erheblich
modifiziert und eingeschränkt (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883 Rn.
293 aE; Rosenberg, Sachenrecht [1919], § 883 Anm. IV 3 c); Meiser, Gruchot Bd. 57, 769 f.; unzutreffend daher Reymann, ZWE 2013, 446, 448; Kesseler, NJW
2009, 121, 123; Herrler, NJW 2013, 3518). Durch die
Geltend-machung eines (nach dem Rangklassensystem) vorrangigen Anspruchs des
betreibenden Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung wird der vorgemerkte
Auflassungsanspruch nämlich in gesetzlich zulässiger Weise beeinträchtigt
(Meiser, Gruchot Bd. 57, 769, 770).
21
dd) Gegen den Vorrang der
Ansprüche der Beteiligten zu 1 lässt sich auch nicht einwenden, dass hierdurch
ein „Wettlauf" zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem
Vormerkungsberechtigten entstehe, weil ein Eigentumserwerb des
Vormerkungsberechtigten während des Zwangsversteigerungsverfahrens dessen
Fortsetzung entgegenstehe (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 6.
Aufl., Rn. 1133; ders., Notar 2013, 331, 334).
22
(1) Richtig ist allerdings, dass es widersprüchlich wäre,
wenn - wie es das Beschwerdegericht annimmt - einerseits die Vormerkung nicht
in das geringste Gebot fiele, andererseits aber ein nach der Beschlagnahme
erfolgter vollendeter Eigentumserwerb des Vormerkungsberechtigten gemäß § 28
Abs. 1 Satz 1 ZVG zu der Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens führte.
Zu einem solchen Wertungswiderspruch kommt es aber nicht, weil eine nach der
Beschlagnahme erfolgte Umschreibung des Eigentums auf den
Vormerkungsberechtigten keinen Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens hat,
wenn die Zwangsversteigerung aus einem gegenüber der Vormerkung (nach dem
Rangklassensystem) vorrangigen Recht betrieben wird (vgl. Senat, Beschluss vom
25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 ff.).
23
(2) So liegt es, wenn die Zwangsversteigerung aus Ansprüchen
der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betrieben wird (ebenso im Ergebnis LG
Heilbronn, ZWE 2013, 230 f.; Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 200; aA Krauß, Notar
2013, 331, 334; Reymann, ZWE 2013, 446, 448, jeweils
mwN). Der auf dem vorgemerkten Anspruch beruhende Eigentumserwerb ist aufgrund
der Beschlagnahme gegenüber der aus einem besseren Recht betreibenden
Wohnungseigentümergemeinschaft relativ unwirksam (§ 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG i.V.m. §§ 135, 136 BGB) und hindert die Fortsetzung des
Zwangsversteigerungsverfahrens deshalb nicht (vgl. Stöber, BGHReport 2007, 580
f.). Soweit sich aus dem Senatsbeschluss vom 25. Januar 2007 insoweit etwas
anderes ergibt (V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 12 ff.), hält der Senat hieran
nicht fest.
24
ee) Im Ergebnis setzt sich danach
das Vorrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Zwangsversteigerung
aus Rechten der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt, gegenüber einer
Auflassungsvormerkung stets durch. Diese ist nicht in das geringste Gebot
aufzunehmen und erlischt mit dem Zuschlag; erwirbt der Vormerkungsberechtigte
nach der Beschlagnahme das Eigentum, ist das Verfahren fortzusetzen und nicht
gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG einzustellen. Dieses Ergebnis ist eine Folge der
gesetzgeberischen Entscheidung, wonach die Wohnungseigentümergemeinschaft die
Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG selbst betreiben
darf (vgl. § 10 Abs. 3, § 52 Abs. 2 Satz 2 ZVG; BT-Drucks. 16/887, S. 44;
Senat, Beschluss vom 17. April 2008 - V ZB 13/08, NJW 2008, 1956 Rn. 17); der
Gesetzgeber hat - in den Grenzen von § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG - eine umfassende Privi-legierung der Wohnungseigentümergemeinschaft im
Zwangsversteigerungsverfahren geschaffen (vgl. Senat, Urteil vom 13. September
2009 - V ZR 209/12, BGHZ 198, 216 Rn. 13, 16).
25
ff) Verfassungsrechtliche Bedenken stehen nicht entgegen.
Allerdings droht Berechtigten, zu deren Gunsten - wie hier - am 1. Juli 2007
eine Auflassungsvormerkung eingetragen war, ein Rechtsverlust infolge der an
diesem Tag in Kraft getretenen Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Es handelt
sich insoweit um eine unechte Rückwirkung. Eine solche liegt vor, wenn eine
Norm - wie hier - auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen
Sachverhalt und auf Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit
zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet. Sie ist grundsätzlich
zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und
dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Das ist dann
der Fall, wenn die angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des
Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen
der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfGE 132, 302 Rn. 43
mwN).
26
(1) § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG verfolgt das legitime Ziel, die
Zwangsversteigerung von Eigentumswohnungen bei Hausgeldrückständen zu
erleichtern. Nach der zuvor bestehenden Rechtslage waren Hausgeldrückstände im
Zwangsversteigerungsverfahren nur in der Rangklasse 5 des § 10 Abs. 1 ZVG zu
berücksichtigen und damit nachrangig gegenüber den Rechten der Rangklasse 4. Deshalb
verlief die Zwangsversteigerung von Eigentumswohnungen wegen
Hausgeldrückständen meist erfolglos. Die Rückstände mussten von den anderen
Wohnungseigentümern getragen werden, wodurch notwendige
Instandhaltungsmaßnahmen unterblieben (siehe insgesamt BT-Drucks. 16/887, S. 1,
43 f.). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn eine Auflassungsvormerkung vor einer
aus Rechten der Rangklasse 2 betriebenen Zwangsversteigerung schützte. Kann
nämlich der Vormerkungsberechtigte seinen Anspruch auf Eigentumsübertragung gegen
den Ersteher durchsetzen, finden sich in aller Regel keine Bietinteressenten
mit der Folge, dass eine Zwangsversteigerung faktisch unmöglich wird (vgl. BGH,
Urteil vom 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147 f.; Staudinger/Gursky,
BGB [2013], § 883 Rn. 302; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 28 Rn. 5.1 unter b); Morvilius in Dierck/Morvilius/Vollkommer, Handbuch des
Zwangsvollstreckungsrechts S. 344 Rn. 296a).
27
(2) Die Bestandsinteressen der Betroffenen überwiegen die
genannten Veränderungsgründe des Gesetzgebers nicht.
28
(a) Der mit der Neubelegung der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1
ZVG verbundene Eingriff in die Rechte der Realkreditgläubiger ist diesen
insbesondere deshalb zuzumuten, weil der Gesetzgeber das Vorrecht sowohl in
zeitlicher Hinsicht als auch der Höhe nach begrenzt hat (vgl. BT-Drucks.
16/887, S. 43 f.). Vormerkungsberechtigten droht allerdings - anders als den
dinglich berechtigten Gläubigern - mit dem Erlöschen der Auflassungsvormerkung
durch den Zuschlag ein vollständiger Rechtsverlust. Gleichwohl kommt die
zeitliche und summenmäßige Begrenzung des Vorrechts mittelbar auch den
Vormerkungsberechtigten zugute, weil diese ihr Interesse an einem Fortbestehen
der Auflassungsvormerkung durch Ablösung der vorrangigen Ansprüche wahren
können.
29
(b) Zudem bot selbst eine erstrangige Auflassungsvormerkung auch vor der Gesetzesänderung keinen vollständigen Schutz. Sie war - unbestritten -stets durch eine Zwangsversteigerung gefährdet, die aus Ansprüchen der vorangehenden Rangklassen betrieben wurde, etwa aufgrund öffentlicher Lasten der Rangklasse 3 des § 10 Abs. 1 ZVG (vgl. Alff, Rpfleger 2013, 15, 19; Kesseler, NJW 2009, 121 f.; Stöber, NJW 2000, 3600 ff. zu der Versteigerung aus § 10 Abs. 1 Nr. 1a iVm § 174a ZVG). Die Inhaber einer Auflassungsvormerkung konnten nicht darauf vertrauen, dass die Regelung des § 10 Abs. 1 ZVG dauerhaft unverändert bleiben und keine weiteren Ansprüche in eine der vorangehenden Rangklassen aufgenommen werden würden.
D.
30
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die
Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht
als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat,
Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7).
31
Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem Wert des Zuschlags, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG. Der Wert der anwaltlichen Vertretung der Beteiligten zu 1, 3 und 4 richtet sich nach § 26 Nr. 1 RVG.