BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Ein Gläubiger ist mit seinem gerichtlich festgesetzten
prozessualen Anspruch auf Erstattung der Kosten eines gegen den Schuldner
geführten Rechtsstreits, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen
Vermögen begonnen wurde, kein Insolvenz-, sondern Neugläubiger. Dies gilt
unabhängig davon, ob der Schuldner zusätzlich aus einem vor Insolvenzeröffnung
verwirklichten Schuldgrund materiell-rechtlich zur Kostenerstattung
verpflichtet ist.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - BGH Aktenzeichen IXZB5712 IX ZB 57/12 - LG Verden AG Syke
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr.
Fischer, Grupp und die Richterin Möhring am 6. Februar 2014 beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 1 werden
der Be-schluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Verden vom 7. Mai 2012 teilweise aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts
Syke vom 9. Februar 2012 teilweise abgeändert.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Auftrag der
weiteren Beteiligten zu 1 zur Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss
des Amtsgerichts Stolzenau vom 14. Oktober 2011 nicht
wegen des über das Vermögen der Schuldnerin eröffneten Insolvenzverfahrens
abzulehnen.
Im Übrigen werden die Rechtsmittel zurückgewiesen.
Von den Kosten der Rechtsmittel trägt die Gläubigerin 26
v.H., die Schuldnerin 74 v.H.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 151,75 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
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Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 11. Februar 2011
das Insolvenzverfahren eröffnet. Im August 2011 erhob die weitere Beteiligte zu
1 wegen einer Kaufpreisforderung über 176,06 € aus einer im Jahr 2009 erfolgten
Warenlieferung Klage gegen die Schuldnerin. Mit Versäumnisurteil vom 15.
September 2011 wurde die Schuldnerin zur Zahlung der Hauptforderung nebst
Zinsen sowie zur Erstattung von 20 € Mahnkosten, 12 €
Schadensfeststellungskosten und 39 € außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten
nebst Zinsen verurteilt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Beklagte die
Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemäß § 263 StGB schuldet.
Mit Beschluss vom 14. Oktober 2011 wurden die von der Schuldnerin der weiteren
Beteiligten zu 1 aufgrund des Rechtsstreits zu erstattenden Kosten auf 112,75 €
nebst Zinsen festgesetzt.
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Anschließend beauftragte die weitere Beteiligte zu 1 den
Gerichtsvollzieher mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung aus dem
Versäumnisurteil und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss. Der
Gerichtsvollzieher lehnte die beantragte Bestimmung eines Termins zur Abnahme
der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung ab mit der Begründung, wegen der
bereits erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Schuldnerin seien Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung nach § 89 InsO
unzulässig.
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Gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers hat die weitere
Beteiligte zu 1 Erinnerung erhoben und ausgeführt, jedenfalls wegen der
Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 39 € und wegen der im
Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kosten von 112,75 € sei eine
Vollstreckung zulässig, weil diese Forderungen erst nach der Insolvenzeröffnung
entstanden seien, die weitere Beteiligte zu 1 mithin insoweit nicht
Insolvenzgläubigerin, sondern Neugläubigerin sei. Das Insolvenzgericht hat die
Erinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die
weitere Beteiligte zu 1 ihr Begehren bezüglich der Kosten der
außergerichtlichen Rechtsverfolgung und der festgesetzten Kosten des
Rechtsstreits weiter.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das
Beschwerdegericht im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, §
793 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3
Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie
teilweise Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die
Einzelzwangsvollstreckung sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch
bezüglich der noch im Streit stehenden außergerichtlichen
Rechtsverfolgungskosten und gerichtlich festgesetzten Kosten des Rechtsstreits
nach § 89 InsO unzulässig. Auch insoweit sei die weitere Beteiligte zu 1 wegen
des engen und unmittelbaren Zusammenhangs mit der Hauptforderung
Insolvenzgläubigerin, auch wenn die in Rede stehenden Kosten erst nach
Insolvenzeröffnung entstanden seien.
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2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nur
bezüglich der Forderung auf Erstattung der außergerichtlichen
Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 39 € im Ergebnis stand. Die Vollstreckung
der Forderung aus dem gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dagegen
nicht nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig.
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a) § 89 Abs. 1 InsO untersagt während der Dauer des
Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in
die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners. Das Verbot gilt
zwar nicht für bloße Vorbereitungsmaßnahmen der Zwangsvollstreckung. Um eine
solche handelt es sich bei der beantragten Abnahme der eidesstattlichen
Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff ZPO aber nicht (BGH, Beschluss vom
24. Mai 2012 - IX ZB 275/10, WM 2012, 1307 Rn. 10 ff; vom 17. April 2013 - IX
ZB 300/11, WM 2013, 939 Rn. 7).
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b) Der Anwendung des § 89 Abs. 1 InsO steht auch nicht
entgegen, dass nach der Feststellung im Versäumnisurteil vom 15. September 2011
die dort titulierten Forderungen der weiteren Beteiligten zu 1 auf einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Schuldnerin beruhen.
Neugläubiger solcher Forderungen (einschließlich entstandener Prozesskosten,
vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, WM 2011, 944 Rn. 14)
können während des Insolvenzverfahrens zwar in den nach § 850f
ZPO erweitert pfändbaren Teil der Bezüge des Schuldners vollstrecken (§ 89 Abs.
2 Satz 2 InsO). Diese Privilegierung gilt als Ausnahme von der Regelung § 89
Abs. 2 Satz 1 InsO jedoch nicht für Insolvenzgläubiger. Für Deliktsgläubiger,
die zu den Insolvenzgläubigern zählen, bleibt es beim allgemeinen
Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO (BGH, Beschluss vom 27. September
2007 - IX ZB 16/06, WM 2007, 2300 Rn. 10).
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c) Entscheidend kommt es deshalb darauf an, ob die weitere
Beteiligte zu 1 mit den Forderungen, deren zwangsweise Vollstreckung sie
begehrt, Insolvenzgläubigerin ist.
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aa) Insolvenzgläubiger sind die
persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§
38 InsO). Eine Insolvenzforderung in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor
Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers
daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die
schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst
schon entstanden oder fällig ist (BGH, Beschluss vom 22. September 2011 - IX ZB
121/11, NZI 2011, 953 Rn. 3 mwN).
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bb) Nach diesem Maßstab handelt es
sich nicht nur bei der Hauptforderung, deren entsprechende Einordnung die
weitere Beteiligte zu 1 hingenommen hat, um eine Insolvenzforderung, sondern
auch bei der Forderung auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
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Rechtsgrundlage des im Versäumnisurteil titulierten
Anspruchs auf Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung ist
§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB. Daneben ergibt sich der Anspruch
aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 286, 280 Abs. 1 und 2 BGB). Der danach
geschuldete Schadensersatz umfasst die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung
(BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 mwN;
Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 249 Rn. 56 f). Die schuldrechtliche
Grundlage des Anspruchs ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im
Februar 2011 entstanden, gleichviel ob man auf den im Jahr 2009 begangenen
Betrug oder auf den spätestens im Januar 2010 eingetretenen Verzug abstellt.
Forderungen auf Ausgleich aller auf dieser Grundlage ersatzfähiger Schäden sind
Insolvenzforderungen, auch wenn der konkrete Schaden erst nach Insolvenzeröffnung
eingetreten ist, denn sie sind Bestandteil des einheitlichen, vor der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens verwirklichten Schuldverhältnisses (RGZ 87, 82, 84 f; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl.,
§ 38 Rn. 26, 28; Jaeger/Henckel, InsO, § 38 Rn. 86, 169).
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cc) Anderes gilt jedoch für den Anspruch der weiteren
Beteiligten zu 1 auf Erstattung der Prozesskosten. Dieser Anspruch war zur Zeit
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht begründet. Er ist deshalb
keine dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO unterfallende
Insolvenzforderung.
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(1) Zwar handelt es sich auch bei den Prozesskosten um einen
Schaden, auf den sich die vor Insolvenzeröffnung begründete
materiell-rechtliche Schadensersatzpflicht der Schuldnerin wegen unerlaubter
Handlung und wegen Verzugs erstreckt. Die weitere Beteiligte zu 1 begehrt aber
die Zwangsvollstreckung des im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten
Anspruchs, mithin des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs. Dieser besteht
rechtlich selbständig neben dem materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch (etwa
BGH, Urteil vom 24. April 1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 170 f; st. Rspr.; MünchKommZPO/Schulz,
4. Aufl., vor §§ 91 ff Rn. 19). Während jener auf dem die Schadensersatzpflicht
begründenden Lebenssachverhalt beruht und regelmäßig ein Verschulden
voraussetzt, wurzelt der prozessuale Kostenerstattungsanspruch im
Prozessrechtsverhältnis und knüpft verschuldensunabhängig an die Veranlassung
der Kosten an (Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., vor § ZPO § 91 Rn. 10 f; Hk ZPO/Gierl, 5. Aufl., vor §§
91-107 Rn. 12, 14; Schneider, MDR 1981, 353, 354). Er entsteht aufschiebend
bedingt erst mit Prozessbeginn (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - IX ZR
115/01, WM 2006, 148, 150 mwN; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., vor § 91 Rn.
15) und ist deshalb nur dann eine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO,
wenn der Prozess vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen hat (MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl.,
§ 38 Rn. 107; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 38
Rn. 49; BK-InsO/Breutigam,
§ 38 Rn. 22). Dies war hier nicht der Fall. In entsprechender Wertung hat der
Senat entschieden, dass die Einordnung eines prozessualen
Kostenerstattungsanspruchs als Alt- oder Neumasseverbindlichkeit im Sinne von §
209 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO davon abhängt, ob der Erstattungsanspruch durch
Klageerhebung vor oder nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet
wurde (BGH, Beschluss vom 17. März 2005 - IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817, 818; vom
9. Oktober 2008 - IX ZB 129/07, ZIP 2008, 2284 Rn. 6).
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(2) Der Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten und der Hauptforderung, die Gegenstand des Prozesses war, rechtfertigt es nicht, über die rechtliche Selbständigkeit des prozessualen Erstattungsanspruchs hinwegzugehen und anzunehmen, dieser sei schon zusammen mit der Hauptforderung begründet. Dies gilt selbst dann, wenn die Hauptforderung - wie hier - auf einem Vorsatzdelikt beruht. Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmte Rechtsfolgen von Ansprüchen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen auch auf Verzugszinsen und Prozesskosten erstreckt werden (für das Aufrechnungsverbot nach § 393 BGB und die Ausnahme von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO: BGH, Urteil vom 18. November 2010 - IX ZR 67/10, WM 2011, 131 Rn. 14 ff; vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, WM 2011, Seite 88 Rn. 24, insoweit in BGHZ 187, 337 nicht abgedruckt; für die erweiterte Pfändungsmöglichkeit nach § 850f Abs. ZPO: BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, WM 2011, 944 Rn. 14), beruht dies auf der Zielrichtung der entsprechenden Vorschriften, dem durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung geschädigten Gläubiger einen wirkungsvollen und vollständigen Schutz zu gewähren. Darum geht es bei der Beurteilung, ob ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde und deshalb als Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren verfolgt werden muss, oder ob er als nach Verfahrenseröffnung begründeter Anspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens vollstreckt werden kann, nicht. Je nach Sachlage kann die eine oder die andere Einordnung für den Gläubiger vorteilhafter sein.