BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Unterlässt es der Schuldner, dessen Konten durch seinen
Gläubiger gepfändet sind, ein weiteres Konto zu eröffnen und Zahlungen seiner
Schuldner auf dieses freie Konto zu leiten, steht diese Unterlassung einer
Rechtshandlung nicht gleich.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12 - OLG
Düsseldorf LG Düsseldorf
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Kayser, die Richter Lohmann, die Richter Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2012 wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 18. Mai 2007
am 4. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der K.
GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war schon seit Ende 2003
überschuldet. Ab Juli 2005 war sie nicht mehr in der Lage, die
der Beklagten geschuldete Gewerberaummiete zu zahlen. Aufgrund eines
Versäumnisurteils vom 31. März 2006 erwirkte die Beklagte am 8. Juni 2006 einen
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem sie unter anderem die bei zwei
Banken unterhaltenen Geschäftskonten der Schuldnerin pfändete. Hieraus erhielt
die Beklagte in der Zeit vom 3. Juli 2006 bis zum 20. Februar 2007 einen Betrag
von insgesamt 21.191,90 €. Mit Schreiben vom 16. Februar 2007 kündigte sie
wegen der aufgelaufenen Mietrückstände das Mietverhältnis fristlos. In einem
von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahren gegen den
Geschäftsführer der Schuldnerin ließ dieser sich wie folgt ein:
„Der Angeklagte weist mit Nachdruck darauf hin, alles getan
zu haben, damit es doch noch zu einer Befriedigung der Gläubiger, insbesondere
der Vermieterin kommen konnte. In diesem Zusammenhang weist er auch darauf hin,
dass er sämtliche Geschäftskunden angewiesen hatte, auf die bekannten, wenn
auch gepfändeten Konten weiter die Überweisungen vornehmen und nicht von der
theoretischen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auf andere Konten, die der
Vermieterin nicht bekannt gewesen sind, die Zahlungen vorzunehmen. Er habe sich
bis zum letzten Augenblick absolut solidarisch zur Vermieterin verhalten."
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Der Kläger hat die Zahlungen an die Beklagte von den
gepfändeten Konten angefochten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die
Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die noch in Rede
stehenden Zahlungen seien nicht wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung
nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil es an einer Rechtshandlung der
Schuldnerin fehle. Die Anweisung des Geschäftsführers an sämtliche
Geschäftskunden, weiterhin auf die gepfändeten Konten zu zahlen, habe nicht zu
der Vermögensverlagerung beigetragen, weil nicht ersichtlich sei, dass die
Kunden nicht ohnehin auf diese Konten gezahlt hätten. Ein Erwerb im Wege der
Zwangsvollstreckung beruhe nur dann auf einem Unterlassen im
anfechtungsrechtlichen Sinne, wenn der Gläubiger bei Vornahme der dem Schuldner
möglichen und von ihm bewusst vermiedenen Rechtshandlung den zwangsweise
erworbenen Gegenstand nicht erlangt hätte. Ob die Schuldnerin die Möglichkeit
gehabt habe, ein neues Konto zu eröffnen, auf das ihre Schuldner hätten zahlen
können, könne offen bleiben, weil der Kläger nicht vorgetragen habe, dass der
Geschäftsführer die Eröffnung eines neuen Kontos bewusst vermieden habe. Dies
sei der Äußerung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht zu
entnehmen. Soweit es der Geschäftsführer unterlassen habe, die Drittschuldner
aufzufordern, auf ein nicht gepfändetes Konto zu zahlen, könne daraus nicht
hinreichend sicher entnommen werden, dass er tatsächlich das Bewusstsein gehabt
habe, eine Vermögensverlagerung auf die Beklagte zu fördern. Unter Umständen
habe er es für unmöglich gehalten, dass die Drittschuldner die Anweisung
befolgen würden. Jedenfalls sei nicht dargetan, dass sich dieses Unterlassen
objektiv gläubigerbenachteiligend ausgewirkt habe, weil der Kläger nichts zum
Vorhandensein eines weiteren, nicht gepfändeten Kontos der Schuldnerin
vorgetragen habe. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Pflicht des
Geschäftsführers einer insolvenzreifen GmbH dafür zu sorgen, dass Zahlungen von
Gesellschaftsschuldnern auf ein kreditorisch
geführtes Bankkonto erfolgten, ergebe sich nur etwas für die Haftung des
Geschäftsführers aus § 64 Abs. 2 GmbHG, § 130a Abs. 3
HGB, nicht aber für die Frage der Anfechtbarkeit.
II.
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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
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Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass
die durch Überweisung von den gepfändeten Konten erlangte Befriedigung der
Beklagten in Höhe von 21.191,90 € nicht auf einer Rechtshandlung der
Schuldnerin beruht und damit nicht nach der zeitlich allein in Betracht kommenden
Regelung des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO angefochten werden kann. Sie ist vielmehr
Folge einer wirksamen und unanfechtbaren Pfändung und Überweisung. Die Beklagte
hat als Pfändungspfandgläubigerin nur das erhalten, was ihr bereits aufgrund
des Pfändungspfandrechts und des damit erlangten Rechts zur abgesonderten
Befriedigung (§ 50 Abs. 1 InsO) zustand (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2012
- IX ZR 142/11, WM 2013, 48 Rn. 14 mwN).
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1. Die Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt eine
Rechtshandlung des Schuldners und damit dessen willensgeleitetes
verantwortungsgesteuertes Handeln voraus (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR
179/08, WM 2011, 1343 Rn. 10). Der Schuldner muss darüber entscheiden können,
ob er eine Leistung erbringt oder verweigert. Grundsätzlich fehlt es an einer
solchen Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Gläubiger eine Befriedigung im
Wege der Zwangsvollstreckung oder durch eine Leistung des Schuldners erlangt,
bei deren Vornahme jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln
ausgeschlossen ist. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer
Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann, wenn eine
selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners zumindest auch dazu beigetragen
hat, selbst wenn dies unter dem Druck oder zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung erfolgt ist. Fördert der Schuldner aktiv eine
Vollstreckungsmaßnahme oder trägt er dazu bei, dass eine Situation entsteht, in
der seine Leistung wegen des sonst erfolgenden Vollstreckungszugriffs als nicht
selbstbestimmt zu werten ist, kann dies die Qualifizierung der
Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (vgl. BGH,
Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 79; vom 10. Februar 2005
- BGH IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff; vom 3. Februar 2011 - IX ZR 213/09,
WM 2011, 501 Rn. 5, 12; vom 19. September 2013 - IX ZR 4/13, WM 2013, 2074, Rn
9; vom 21. November 2013 - IX ZR 128/13, nv Rn. 7).
Eine durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung kann
daher der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn eine Schuldnerhandlung oder eine
dieser gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme
beigetragen hat (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401
Rn. 8 mwN; vom 22. November 2012 - IX ZR 142/11, WM 2013, 48 Rn. 15).
Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie
die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden muss (BGH, Urteil
vom 19. September 2013, aaO Rn. 10).
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2. Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht eine Rechtshandlung
der Schuldnerin zutreffend verneint.
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a) Die Schuldnerin hat nicht durch aktives Tun zur
Befriedigung der Beklagten aus dem anfechtungsfest erworbenen
Pfändungspfandrecht beigetragen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
sind der Beklagten die von den Drittschuldnern auf den Konten eingezahlten
Beträge allein aufgrund der Pfändung zugeflossen und die Schuldnerin hat keinen
für den Vollstreckungserfolg wenigstens mitursächlichen Beitrag geleistet. Für
einen mitursächlichen Beitrag, wie er etwa bei einer vom Schuldner bewusst zum
Zwecke der Befriedigung des Gläubigers veranlassten Einzahlung auf ein
gepfändetes Konto bestehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2013, aaO
Rn. 2, 10), besteht kein Anhalt. Vielmehr waren die Drittschuldner schon vor
der Aufforderung des Geschäftsführers der Schuldnerin gehalten, auf eines der
bereits bekannten, wenn auch gepfändeten Konten zu zahlen. Den Drittschuldnern
war es nicht möglich, ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Schuldnerin
durch Überweisungen auf bestehende andere, nicht gepfändete Konten
nachzukommen. Über solche weiteren Kontoverbindungen verfügte die Schuldnerin
nach den für die Revisionsinstanz bindenden Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht. Damit lag in der wiederholten Aufforderung, weiterhin
auf die bekannten, Konten der Schuldnerin zu zahlen, lediglich eine gegenüber
den Drittschuldnern zum Ausdruck gebrachte Hinnahme des bisherigen
Zahlungswegs. Mangels einer bestehenden Alternative liegt hierin kein über das
bloße Stillhalten hinausgehender Beitrag der Schuldnerin, mit dem die
Befriedigung der Beklagten gefördert wurde.
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Aus diesem Grund kann auch nicht angenommen werden, dass die
Schuldnerin an der Erlangung eines werthaltigen Pfändungspfandrechts der
Beklagten aktiv mitgewirkt hat, indem die Voraussetzungen für eine erfolgreiche
Zwangsvollstreckung durch sie erst geschaffen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 3.
Februar 2011, aaO Rn. 12; vom 21. November 2013, aaO Rn. 14). Vielmehr hat die
Schuldnerin nur die Fortzahlung der Drittschuldner auf die gepfändeten Konten
nicht unterbunden. Das im Wege der Forderungspfändung erwirkte Pfandrecht der
Beklagten beruht damit allein auf einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme und nicht
auf einer Rechtshandlung der Schuldnerin im Sinne von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO
(vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2012, aaO Rn. 15).
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b) Weder in der unterbliebenen Eröffnung eines neuen Kontos
noch in der fehlenden Anweisung an die Drittschuldner, zu Barzahlungen
überzugehen, kann ein der Rechtshandlung nach § 133 Abs. 1 InsO
gleichgestelltes Unterlassen (§ 129 Abs. 2 InsO) gesehen werden.
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aa) Im Insolvenzanfechtungsrecht
ist eine Gleichstellung mit einer Rechtshandlung nur gerechtfertigt, wenn die
Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, also bewusst und gewollt
erfolgt (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, BB 1997, 436, 437;
vom 22. Dezember 2005 - IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 348). Eine bloße Unachtsamkeit
oder Vergesslichkeit genügt nicht (MünchKomm-InsO/Kayser,
3. Aufl., § 129 Rn. 24; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier,
InsO, § 129 Rn. 35). Der Schuldner muss das Gebotene in dem Bewusstsein
unterlassen haben, dass sein Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen auslöst
(BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005, aaO; Jaeger/Henckel, InsO, § 129 Rn. 12; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rn. 24). Dabei müssen sich
die Vorstellungen des Schuldners nicht auf eine konkrete Rechtsfolge beziehen
oder rechtlich zutreffend sein; es genügt, wenn aus einer Situation, die
naheliegender Weise materiellrechtliche Ansprüche zur Folge hat, bewusst keine
Konsequenzen gezogen werden (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005, aaO; vom 3.
Februar 2011, aaO Rn. 8).
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Bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ergibt sich
aus deren subjektiven Voraussetzungen die weitergehende Anforderung, dass die
gebotene Handlung bewusst und wenigstens unter Inkaufnahme der
Gläubigerbenachteiligung unterlassen worden sein muss (vgl. Jaeger/Henckel, aaO
Rn. 18). Die untätige Hinnahme von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen muss also
gerade in der Vorstellung und mit dem Willen erfolgen, dass durch das
Unterlassen einer möglichen Handlung die anstehende Vermögensverlagerung auf
den vollstreckenden Gläubiger gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar
2011 aaO Rn. 10). Für ein entsprechend zielgerichtetes Unterlassen (vgl.
Münch-Komm-InsO/Kayser, aaO § 133 Rn. 7) reicht es nicht aus, dass der
Schuldner die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers lediglich geschehen lässt.
Vielmehr hat er andere Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der
Gläubigergesamtheit in Erwägung zu ziehen und muss hiervon bewusst im Interesse
einzelner Gläubiger absehen. Dieses Bewusstsein kann vorhanden sein, wenn von
der Geltendmachung bestehender Erstattungsansprüche kein Gebrauch gemacht wird
(vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005, aaO S. 348 f) oder erfolgversprechende
Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen eine rechtswidrige Vollstreckung nicht genutzt
werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1959 - VIII ZR 179/58, WM 1959, 891, 892;
vom 3. Februar 2011, aaO Rn. 10).
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bb) Im Streitfall hat das
Berufungsgericht ein solches Bewusstsein der Schuldnerin in revisionsrechtlich
hinzunehmender tatrichterlicher Würdigung nicht festgestellt. Aus der Aussage
des Geschäftsführers, dass die theoretische Möglichkeit bestanden habe, die
Geschäftskunden zur Zahlung auf andere, nicht gepfändete Konten aufzufordern, musste
das Berufungsgericht nicht zwingend den Schluss ziehen, dass er zur Zeit der
Kundenzahlungen die Eröffnung eines neuen Kontos als Handlungsalternative
gesehen und bewusst von dieser Möglichkeit abgesehen hat. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung der Erklärung des Geschäftsführers, dass er insbesondere die
Befriedigung der Vermieterin sichern wollte und sich zu ihr absolut solidarisch
verhalten habe. Ebensowenig lag bei seiner
Aufforderung die Vorstellung nahe, damit auf die Möglichkeit von Barzahlungen
zu verzichten. Das Berufungsgericht hat damit in zulässiger und für das
Revisionsgericht bindender Art und Weise die Voraussetzungen eines
zielgerichteten Unterlassens der Schuldnerin verneint.
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cc) Ebenso scheidet ein anfechtungsrechtlich erhebliches,
prozessuales Unterlassen (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser,
aaO § 129 Rn. 27 ff; Gehrlein, aaO Rn. 36) aus, weil es keine Gründe gibt, auf
die eine Erinnerung gegen die Pfändung der Konten erfolgreich hätte gestützt
werden können. Werden von vorneherein aussichtslose Rechtsbehelfe nicht
ergriffen, kann dies eine Vermögensverlagerung zugunsten des vollstreckenden
Gläubigers nicht gefördert haben; eine Gleichstellung mit einer Rechtshandlung
scheidet aus (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1959, aaO; vom 3. Februar 2011,
aaO Rn. 8).
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3. Ob die Schuldnerin durch ihre Untätigkeit eine spezielle
Pflicht zum Handeln verletzt hat, ist nach dem Schutzzweck des
Insolvenzanfechtungsrechts unerheblich (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser,
aaO § 129 Rn. 24; Hmb-Komm-InsO/Rogge/Leptien, InsO, 4. Aufl., § 129 Rn. 15). So rechtfertigt die
Verletzung der Insolvenzantragspflicht keine Insolvenzanfechtung (BGH, Urteil
vom 10. Februar 2005, aaO S. 154 ff; vgl. auch Bork in Kübler/Prütting/Bork,
InsO, 2012, § 133 Rn. 18). Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit
des Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der mitherbeigeführte
gläubigerbenachteiligende Erfolg (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser,
aaO). In der bewussten Bevorzugung einzelner Gläubiger unter Inkaufnahme der Benachteiligung
anderer Gläubiger liegt das anfechtungsrechtlich zu missbilligende Verhalten
des Schuldners (vgl. Jaeger/Henckel, aaO § 133 Rn. 4). Auf die benachteiligende
Wirkung hat auch der Gesetzgeber bei Einführung des § 129 Abs. 2 InsO
maßgeblich abgestellt, um die Anfechtbarkeit von Unterlassungen zu
rechtfertigen (vgl. Begr.RegE, BT-Drucks. 12/2443, S.
157). Damit kommt es unter anfechtungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht darauf
an, ob nach der Pfändung der bestehenden Geschäftskonten eine im
Gesellschaftsrecht wurzelnde Verpflichtung der Schuldnerin zur Eröffnung eines
neuen Kontos bestand, um die Zahlungen ihrer Drittschuldner auf jenes Konto zu
leiten und sie allen Gläubigern zugutekommen zu lassen.
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Das Berufungsgericht hat deshalb folgerichtig einen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verneint, wonach der Geschäftsführer einer GmbH, der seiner Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 InsO nicht rechtzeitig nachkommt, aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür zu sorgen hat, dass Zahlungen als Äquivalent für dadurch erfüllte Gesellschaftsforderungen der Masse zugutekommen und nicht auf ein debitorisch geführtes Konto mit der Folge der bevorzugten Befriedigung bestimmter Gesellschaftsgläubiger gelangen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZInsO 2007, 542 Rn. 12). Als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mag er in einer solchen Situation aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Pflichten gehalten sein, ein neues, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen und den aktuellen Gesellschaftsschuldnern die geänderte Bankverbindung unverzüglich bekannt zu geben (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 188; vom 26. März 2007, aaO). Anfechtungsrechtlich bleibt das Unterlassen einer Kontoeröffnung indes bedeutungslos. Die Regelung des § 133 Abs. 1 InsO soll zwar das Interesse der Gläubiger daran schützen, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt (BGH, Urteil vom 10. Februar 2005, aaO S. 150). Hieraus folgt jedoch keine Garantenpflicht des Schuldners, die es gebieten könnte, schon vor Eintritt der Krise sämtliche ihm möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu gewährleisten. Der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wurde nach dem System der Anfechtungsregeln bewusst auf die Zeit der Krise beschränkt und verdrängt gemäß §§ 130, 131 InsO erst in der „kritischen" Zeit das die Einzelvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip (BGH, Urteil vom 10. Februar 2005, aaO S. 148 ff). Außerhalb der Krise ist der Schuldner jedenfalls anfechtungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz einer gleichen Befriedigungsmöglichkeit aller Gläubiger einzuleiten.