BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Die Tilgung einer fremden Schuld kann unentgeltlich sein,
auch wenn der Empfänger an den Zahlenden Leistungen erbracht hat, sofern sich
der Zahlungsempfänger hierzu nur gegenüber seinem Schuldner verpflichtet hatte.
BGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13 - LG Hamburg AG
Hamburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape, Grupp und die
Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer
17 des Landgerichts Hamburg vom 7. Dezember 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 6.
September 2007 am 1. November 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das
Vermögen der W.GmbH (fortan: Schuldnerin). Der
Beklagte war als Arbeitnehmer bei einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin,
der W. W.GmbH (fortan: WW. ) beschäftigt. Im Anstellungsvertrag hatte er sein
Einverständnis damit erklärt, zeitlich befristet auch in Partnerfirmen der
Arbeitgeberin eingesetzt zu werden. Im Februar und März 2007 erbrachte der
Beklagte Arbeitsleistungen für die Schuldnerin. Diese zahlte an den Beklagten
am 23. Februar 2007 und am 27. März 2007 jeweils 2.372,97 € und gab dabei als
Verwendungszweck "Gehalt 02 2007 WW. " und
"Gehalt 03 2007 WW. " an.
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Der Kläger hat die beiden Zahlungen angefochten und mit der
Klage die Rückgewähr von insgesamt 4.745,94 € nebst Zinsen verlangt. Das
Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen
Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
der Kläger den geltend gemachten Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
3
Die Revision hat Erfolg. Eine Entscheidung in der Sache
selbst (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO) ist nach dem festgestellten Sachverhältnis
nicht möglich.
I.
4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Zahlungen der
Schuldnerin seien nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil es sich nicht
um unentgeltliche Leistungen handle. Eine Leistung sei unentgeltlich, wenn
vereinbarungsgemäß ein Vermögenswert zugunsten einer anderen Person aufgegeben
werde, ohne dass diese Person eine ausgleichende Gegenleistung an den Schuldner
oder - mit dessen Einverständnis - an einen Dritten erbringe. Zu Unrecht stelle
der Kläger insoweit darauf ab, dass die durch die Zahlungen erfüllten
Forderungen des Beklagten gegen die WW. wertlos
gewesen seien. Eine ausgleichende Gegenleistung des Beklagten liege in den
Arbeitsleistungen, die er gegenüber der Schuldnerin erbracht habe. Darauf, dass
die Schuldnerin weder einen eigenen Anspruch auf die Arbeitsleistungen gehabt
habe noch zur Zahlung an den Beklagten verpflichtet gewesen sei, komme es nicht
an. Entscheidend sei, dass die Schuldnerin durch ihre Direktzahlung an den
Beklagten zu erkennen gegeben habe, dass sie dessen Leistung als ihr gegenüber
erbracht anerkenne.
II.
5
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht
stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die
Unentgeltlichkeit der angefochtenen Leistungen nicht verneint werden.
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist bei der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne
von § 134 Abs. 1 InsO erfolgte, zwischen Zwei-Personen-Verhältnissen und Drei
Personen-Verhältnissen zu unterscheiden. Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine
Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des
Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem
von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll.
Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht
entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine
Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger
seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Bezahlt der Leistende die
gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen
Gegenleistung in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267
Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine
werthaltige Forderung gegen diesen verliert. Ist hingegen die Forderung des
Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als
Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist
die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. Der
Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Leistenden nicht
schutzwürdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch
hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können (BGH, Urteil vom 16. November
2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, Seite 228 Rn. 8; vom 19. November 2009 - IX ZR
9/08, WM 2010, 129 Rn. 8; jeweils mwN).
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2. Im Streitfall geht es um ein Drei-Personen-Verhältnis.
Die Schuldnerin hat den Vergütungsanspruch des Beklagten aus seinem
Arbeitsvertrag mit der WW. für die Monate Februar und
März 2007 erfüllt und damit eine fremde Schuld getilgt. Der Beklagte, der seine
Arbeitsleistung für die in Rede stehenden Monate im Wesentlichen schon erbracht
hatte, hat diese Leistung unentgeltlich erlangt, wenn seine Lohnforderung gegen
die WW. wertlos war. Dies wäre der Fall, wenn die WW. zum Zeitpunkt der Zahlungen der Schuldnerin
zahlungsunfähig und deshalb insolvenzreif war (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober
2009 - IX ZR 182/08, WM 2009, 2283 Rn. 8; vom 17. Juni 2010 - IX ZR 186/08, WM
2010 1421 Rn. 7; vom 18. April 2013 - IX ZR 90/10, WM 2013, 1079 Rn. 6; jeweils
mwN). Dabei kommt es weder darauf an, ob der Leistungsempfänger bei Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Vertragsschuldners eine auf
seine Forderung entfallende Quote erhalten hätte (BGH, Urteil vom 22. Oktober
2009, aaO Rn. 9), noch darauf, dass es dem Vertragsschuldner tatsächlich
gelungen ist, über einen Dritten für einen Ausgleich der gegen ihn gerichteten
Forderungen zu sorgen (BGH, Urteil vom 27. April 2010 - IX ZR 122/09, ZInsO
2010, 1092 Rn. 6).
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3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die
Entgeltlichkeit der Leistungen der Schuldnerin nicht damit begründet werden,
dass der Beklagte gegenüber der Schuldnerin Arbeitsleistungen erbracht hat, die
mit den in Rede stehenden Zahlungen vergütet werden sollten.
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a) Die Frage der Entgeltlichkeit ist im Zuwendungsverhältnis
zwischen dem verfügenden Insolvenzschuldner und dem Leistungsempfänger zu
beurteilen (BGH, Urteil vom 3. März 2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 282;
vom 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156 Rn. 14). In diesem Verhältnis
bestand keine Verpflichtung der Schuldnerin zur Leistung an den Beklagten,
welche jene als entgeltlich qualifizieren würde, und auch sonst keine
Vereinbarung, nach der die Arbeitsleistungen des Beklagten ein Ausgleich -
nicht notwendig eine Gegenleistung im Sinne der §§ 320 ff BGB - für die
Leistungen der Schuldnerin waren oder jedenfalls sein sollten (vgl. BGH, Urteil
vom 18. März 2010 - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 9).
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b) Nur im Verhältnis zur WW. hatte
der Beklagte sich damit einverstanden erklärt und dadurch die Verpflichtung
übernommen, auf Weisung der WW. Arbeitsleistungen
auch an die Schuldnerin zu erbringen. Dementsprechend war auch nur die WW. ihm zur Lohnzahlung verpflichtet. Nur ihre Zahlungen
bildeten das Entgelt für die Leistungen des Beklagten, gleichviel ob er sie
gegenüber der WW. oder gegenüber der Schuldnerin
erbrachte.
11
c) Allein der Umstand, dass der Beklagte vor den Zahlungen
der Schuldnerin Arbeitsleistungen erbracht hatte, ist für die Frage der
Entgeltlichkeit dieser Zahlungen ohne Bedeutung. Dies hat der Senat für
Leistungen des Zahlungsempfängers an seinen Schuldner mehrfach entschieden
(BGH, Urteil vom 3. März 2005, aaO S. 281; vom 30. März 2006, aaO Rn. 11; vom
16. November 2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 10; vom 5. Juni 2008 - IX
ZR 163/07, WM 2008, 1459 Rn. 13; vom 7. Mai 2009 - IX ZR 71/08, WM 2009, 1099
Rn. 6; vom 18. April 2013 - IX ZR 90/10, WM 2013, 1079 Rn. 9). Für Leistungen
an den zahlenden Dritten und späteren Insolvenzschuldner gilt nichts anderes.
Mangels einer im Zuwendungsverhältnis getroffenen Vereinbarung über eine
ausgleichende Gegenleistung kann die Entgeltlichkeit nur danach beurteilt
werden, ob zum Zeitpunkt der Zahlungen (§ 140 Abs. 1 InsO; vgl. BGH, Urteil vom
3. März 2005, aaO; vom 30. März 2006, aaO; vom 5. Juni 2008, aaO Rn. 12) eine
werthaltige Forderung des Zahlungsempfängers gegen seinen Schuldner bestand,
die infolge der Zahlungen des Insolvenzschuldners erlosch.
III.
12
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird bei der neuen Entscheidung zu beachten haben, dass die Leistungen der Schuldnerin ungeachtet der Werthaltigkeit der getilgten Forderung des Beklagten gegen die WW. insoweit entgeltlich waren, als der Beklagte nach dem - noch festzustellenden - Erhalt der Zahlungen der Schuldnerin im jeweiligen Monat noch Arbeitsleistungen erbrachte, die mit der Zahlung vergütet werden sollten (BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - IX ZR 163/07, WM 2008, 1459 Rn. 15; zum maßgeblichen Zeitpunkt BGH, Urteil vom 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, WM 2002, 1690, 1691; MünchKomm-InsO/ Kirchhof, 3. Aufl., § 140 Rn. 11). Im Übrigen gibt die Zurückverweisung dem Berufungsgericht Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen zu der zwischen den Parteien umstrittenen Werthaltigkeit der getilgten Vergütungsforderung des Beklagten und zu dem vom Beklagten erhobenen Einwand des Wegfalls seiner Bereicherung zu treffen (vgl. zu Letzterem BGH, Urteil vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 7/83, NJW 1984, 2095, 2096; vom 17. Juni 1992 - XII ZR 119/91, BGHZ 118, 383, 386; vom 17. Januar 2003 - V ZR 235/02, NJW 2003, 3271; BAG, BB 2001, 2008; MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl., § 818 Rn. 160 und 164 ff).