BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Eine vom Schuldner veranlasste Banküberweisung ist eine Rechtshandlung,
auch wenn zuvor zu Gunsten des Zahlungsempfängers der Anspruch auf Auszahlung
des Bankguthabens gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurde.
Ein Pfändungspfandrecht kann der Vorsatzanfechtung
unterliegen, wenn der Schuldner die Entstehung des Pfandrechts zielgerichtet
gefördert hat.
BGH, Urteil vom 21. November 2013 - IX ZR 128/13 - OLG
Dresden LG Zwickau
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 21. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die
Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Mai 2013 wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 12. August
2010 am 30. September 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der
B. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war von der Bundesrepublik
Deutschland beauftragt worden, einen unbemannten Radpanzer zu entwickeln.
Hierzu bediente sie sich der Beklagten, die Entwicklungs- und
Fertigungsleistungen erbrachte. Bei einem Gespräch ihrer Geschäftsführer am 15.
Dezember 2008 vereinbarten die Schuldnerin und die Beklagte, dass eine seit dem
16. Dezember 2007 fällige Forderung der Beklagten über 995.000 € zunächst tituliert
und nach Eingang einer erwarteten Zahlung der Auftraggeberin der Schuldnerin
über rund 1,7 Mio. € ausgeglichen werden sollte. In der Folge erwirkte die
Beklagte einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid über ihre Forderung nebst
Zinsen und Kosten und auf dessen Grundlage am 4. Mai 2009 einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss betreffend ein Bankkonto der Schuldnerin. Der Beschluss
wurde der Bank am 12. Mai und der Schuldnerin am 13. Mai 2009 zugestellt.
Ebenfalls am 13. Mai 2009 wurde dem Bankkonto die erwartete Zahlung der
Auftraggeberin der Schuldnerin in Höhe von knapp 1,7 Mio. € gutgeschrieben. Am
15. Mai 2009 überwies die Bank auf Anweisung der Schuldnerin zur Erledigung des
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses 1.117.949,20 € an die Beklagte.
2
Der Kläger hat die Überweisung insolvenzrechtlich
angefochten und verlangt mit der Klage die Rückzahlung des überwiesenen Betrags
nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht
hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils
des Landgerichts.
Entscheidungsgründe:
3
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
4
Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines
Rückgewähranspruchs wegen Vorsatzanfechtung nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1
InsO bejaht. Die angefochtene Überweisung stelle sich trotz der
vorausgegangenen Pfändung und Überweisung des Kontoguthabens als Rechtshandlung
der Schuldnerin dar. Dies folge zwar nicht daraus, dass die Schuldnerin die
Bank am 15. Mai 2009 angewiesen habe, den geschuldeten Betrag an die Beklagte
auszuzahlen, denn zu diesem Zeitpunkt habe die Schuldnerin nur noch die
Möglichkeit gehabt, entweder die Beklagte das gepfändete Guthaben einziehen zu
lassen oder den Betrag selbst zu überweisen. Die Qualifizierung als
Schuldnerhandlung sei aber gerechtfertigt, weil die Schuldnerin mit der
Absprache vom 15. Dezember 2008, nach der die Beklagte ihre Forderung im Mahnverfahren
titulieren lassen und die Schuldnerin dies hinnehmen sollte, und mit ihrem
korrespondierenden Verhalten in der Folgezeit aktiv zu der
Vermögensverschiebung beigetragen habe. Die Überweisung habe die Gläubiger der
Schuldnerin benachteiligt, weil das zuvor erlangte Pfändungspfandrecht nicht
insolvenzfest, sondern seinerseits nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar gewesen
sei. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung seien gegeben, weil
zum Zeitpunkt der Überweisung sowohl die Schuldnerin als auch die Beklagte
Kenntnis von der Zahlungseinstellung und damit von der Zahlungsunfähigkeit der
Schuldnerin gehabt hätten.
II.
5
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im
Ergebnis stand. Die Beklagte ist nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO zur
Rückgewähr der Zahlung in Höhe von 1.117.949,20 € verpflichtet.
6
1. Mit Recht ist das Berufungsgericht von einer
Rechtshandlung der Schuldnerin ausgegangen.
7
a) Nach gefestigter Rechtsprechung fehlt es grundsätzlich an
einer solchen Schuldnerhandlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege
der Zwangsvollstreckung erlangt. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger durch eine
Leistung des Schuldners befriedigt wird, bei deren Vornahme jede Möglichkeit zu
einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist, etwa weil der Schuldner nur
noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die
Vollstreckung durch die bereits anwesende, vollstreckungsbereite Vollziehungsperson
zu dulden. Dann fehlt es an einer willensgeleiteten Rechtshandlung des
Schuldners. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer
Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung hingegen dann, wenn dazu
zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen
hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung
erfolgt sein. Fördert der Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme oder
trägt er dazu bei, dass eine Situation entsteht, in der seine Leistung wegen
des sonst erfolgenden Vollstreckungszugriffs als nicht selbstbestimmt zu werten
ist, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung
des Schuldners rechtfertigen (BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - IX ZR 213/09,
WM 2011, 501 Rn. 5, 12; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 8;
jeweils mwN).
8
b) Nach diesen Maßstäben ist hier eine Rechtshandlung der
Schuldnerin anzunehmen.
9
aa) Dies folgt bereits daraus,
dass die Schuldnerin die kontoführende Bank angewiesen hat, den in Rede
stehenden Betrag an die Beklagte zu überweisen. Nach der Rechtsprechung des
Senats nimmt ein Schuldner, der eine Überweisung von seinem Bankkonto
veranlasst, eine eigene Rechtshandlung vor, selbst wenn zuvor Ansprüche auf
Auszahlungen von diesem Konto zugunsten des Zahlungsempfängers gepfändet und
ihm zur Einziehung überwiesen wurden (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR
179/08, WM 2011, 1343 Rn. 10 mwN; vom 22. November 2012 - IX ZR 142/11, WM
2013, 48 Rn. 9). Anders als im Falle der Aushändigung des Kassenbestands an den
bereits anwesenden Vollstreckungsbeamten steht nach der Pfändung des Anspruchs
auf Auszahlung eines Kontoguthabens und dessen Überweisung zur Einziehung noch
nicht fest, dass der Abfluss eines Vermögenswerts unmittelbar bevorsteht. Denn
es bleibt zunächst offen, ob und gegebenenfalls wann der Gläubiger von seiner
Ermächtigung zur Einziehung der gepfändeten Forderung Gebrauch macht. Weist der
Schuldner in dieser Situation seine Bank an, eine Überweisung an den
Pfändungsgläubiger auszuführen, kann der Handlung des Schuldners die
Selbstbestimmtheit nicht abgesprochen werden.
10
bb) Im Streitfall kommt hinzu,
dass die Schuldnerin durch weitere Maßnahmen im Vorfeld der Überweisung
zielgerichtet zu der Vermögensverlagerung beigetragen hat. In dem von den
Geschäftsführern am 15. Dezember 2008 geführten Gespräch einigten sich die
Schuldnerin und die Beklagte auf ein Vorgehen, mit dem die Beteiligten nach den
von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
sicher stellen wollten, dass die Forderung der Beklagten mittels einer von der
Schuldnerin erwarteten Zahlung ihrer Auftraggeberin ausgeglichen wurde. Nach
dieser Absprache sollte die Beklagte ihre Forderung im Wege des gerichtlichen
Mahnverfahrens titulieren lassen. Die Schuldnerin sollte dies hinnehmen, ohne
gerichtliche Schritte dagegen einzuleiten. Unverzüglich nach Eingang einer für
Ende Mai 2009 erwarteten Zahlung des Auftraggebers der Schuldnerin in Höhe von
1,7 Mio. € sollte der titulierte Betrag von 995.000 € nebst Zinsen und Kosten
von der Schuldnerin an die Beklagte überwiesen werden. An diese Absprache hielt
sich die Schuldnerin in der Folgezeit. Ihr Beitrag zu der eingetretenen
Vermögensverlagerung auf die Beklagte ging entgegen der Ansicht der Revision
über das bloße Unterlassen von ohnehin aussichtslosen Rechtsbehelfen hinaus und
umfasste neben der Vereinbarung des beiderseitigen Vorgehens auch die Erteilung
von Informationen über den erwarteten Zahlungseingang als Grundlage der
Befriedigung der Beklagten.
11
2. Die in der vereinbarten Überweisung liegende
Rechtshandlung der Schuldnerin hat zu einer Verminderung ihres Aktivvermögens
und damit zu einer Benachteiligung ihrer übrigen Gläubiger geführt.
12
a) Allerdings benachteiligt die Befriedigung eines einzelnen
Gläubigers die Gesamtheit der Gläubiger dann nicht, wenn sie aufgrund eines
Pfändungspfandrechts erfolgt, das den Gläubiger im Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Schuldners zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO
berechtigt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 14;
vom 22. November 2012 - IX ZR 142/11, WM 2013, 48 Rn. 10, 13 f; jeweils mwN).
Der Gläubiger erhält dann nur das, was ihm bereits aufgrund des
insolvenzbeständigen Pfandrechts zusteht. Anders verhält es sich nur, wenn das
Pfandrecht seinerseits der Insolvenzanfechtung unterliegt.
13
b) Letzteres ist hier der Fall. Das von der Beklagten
erwirkte Pfändungspfandrecht ist nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar.
14
aa) Dem Pfandrecht liegt eine
Rechtshandlung der Schuldnerin zugrunde, obwohl es als Folge der von der
Beklagten veranlassten Forderungspfändung entstanden ist. Maßgebend ist
insoweit, dass die Schuldnerin zu der ausgebrachten Pfändung aktiv beigetragen
hat, indem sie sich mit der Beklagten in dem Gespräch vom 15. Dezember 2008 auf
ein Vorgehen geeinigt hat, das die Befriedigung der
Beklagten aus der erwarteten Zahlung der Auftraggeberin der Schuldnerin sichern
sollte. Zwar ist nicht festgestellt, dass die getroffene Vereinbarung auch den
Zugriff der Beklagten auf das Bankguthaben der Schuldnerin im Wege der
Zwangsvollstreckung beinhaltete. Mit der abgesprochenen, von der Schuldnerin
hingenommenen Titulierung der Forderung der Beklagten sollte aber die
Voraussetzung für einen solchen Zugriff geschaffen werden, und
Pfändungsmaßnahmen der Beklagten vor der vereinbarten Überweisung durch die
Schuldnerin hatten beide Beteiligte nach den nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts jedenfalls in Betracht gezogen, sodass zumindest die
Möglichkeit einer Forderungspfändung Bestandteil der getroffenen Absprache war.
Zudem hat die Schuldnerin eine erfolgreiche Pfändung ihres Bankguthabens dadurch
begünstigt, dass sie die Beklagte über den voraussichtlichen Zeitpunkt und über
die erwartete Höhe des Zahlungseingangs in Kenntnis setzte. Selbst wenn man in
diesem Vorgehen noch keine Vollstreckung in einvernehmlichem, kollusivem Zusammenwirken sieht, hat die Schuldnerin
zumindest aktiv daran mitgewirkt, dass die Beklagte ein werthaltiges
Pfändungspfandrecht erlangen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - IX
ZR 213/09, WM 2011, 501 Rn. 12). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der
Mitwirkungshandlung des Schuldners und der Vollstreckungsmaßnahme muss entgegen
der Ansicht der Revision nicht bestehen.
15
bb) Die Würdigung des
Berufungsgerichts, die Vereinbarung vom 15. Dezember sei zumindest
mitursächlich für die Titulierung der Forderung der Beklagten und für die
darauf beruhende Kontenpfändung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass die Beklagte selbst nicht behauptet
hat, sie hätte die streitgegenständliche Forderung auch ohne die Vereinbarung
vom 15. Dezember 2008 bereits Anfang 2009 titulieren lassen. Es hat ferner
darauf abgestellt, dass die Beklagte für zwei weitere Forderungen gegen die
Schuldnerin über 1.785.000 € und 444.499,51 €, die ebenfalls fällig, aber von
der Vereinbarung nicht betroffen waren, keinen Titel erwirkt hat. Die auf
diesen Umständen beruhende Würdigung ist rechtlich möglich und verstößt weder
gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze.
16
cc) Das zugunsten der Beklagten entstandene
Pfändungspfandrecht hat die Gläubiger der Schuldnerin
benachteiligt, weil es ein Recht der Beklagten zur abgesonderten Befriedigung
aus den gepfändeten Forderungen begründete.
17
3. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung lagen sowohl zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Pfändungspfandrechts wie auch zu dem nur wenige Tage später liegenden Zeitpunkt der Ausführung der angefochtenen Überweisung vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die gewerblich tätige Schuldnerin zu den fraglichen Zeitpunkten ihre Zahlungen eingestellt und war damit zahlungsunfähig (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dies war sowohl der Schuldnerin selbst als auch der Beklagten bekannt. Mit Recht hat das Berufungsgericht aus diesen Umständen, die von der Revision nicht in Zweifel gezogen werden, auf den Vorsatz der Schuldnerin, ihre Gläubiger zu benachteiligen, und auf die darauf bezogene Kenntnis der Beklagten geschlossen.