BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die
materiellen Voraussetzungen des § ZPO § 850h ZPO § 850H Absatz II ZPO vorliegen; es hat - unbeschadet zu
beachtender Pfändungsschutzvorschriften - nicht über Bestand und Höhe des
fingierten Vergütungsanspruchs zu befinden. Ob und in welcher Höhe dem
Gläubiger eine angemessene Vergütung gemäß § ZPO § 850h
ZPO § 850H Absatz II ZPO zusteht, ist gegebenenfalls
vom Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten
Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden.
BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - VII ZB 51/12 - LG
Bielefeld AG Rheda-Wiedenbrück
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12.
September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,
die Richterin Safari Chabestari, die Richter Dr.
Eick, Kosziol und Dr. Kartzke
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der
23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 3. September 2012 und der
Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Rheda-Wiedenbrück vom 16.
August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten
der Beschwerdeverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht -
zurückverwiesen.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass
des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der
aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.
Gründe:
I.
1
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die
Zwangsvollstreckung wegen einer in einem Kostenfestsetzungsbeschluss
titulierten Forderung (Hauptbetrag 404 €) sowie wegen Kosten.
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Der Gläubiger hat den Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses beantragt, durch den unter anderem die gegenwärtigen
und zukünftigen Ansprüche der Schuldnerin auf Zahlung von Arbeitseinkommen
gegen den Drittschuldner gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen werden
sollen.
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Die Schuldnerin und der Drittschuldner leben in
nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Der Drittschuldner ist berufstätig,
während die Schuldnerin arbeitslos ist und den gemeinsamen Haushalt führt.
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Der Gläubiger ist der Ansicht, gemäß § 850h
Abs. 2 ZPO gelte im Verhältnis zwischen ihm und dem Drittschuldner eine
angemessene Vergütung für die Haushaltsführung seitens der Schuldnerin als
geschuldet; diese Vergütung unterliege dem Pfändungszugriff.
5
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat den Antrag des
Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen der
angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner aus einem
fiktiven Arbeitseinkommen für die Haushaltsführung als unzulässig
zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss
ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht
zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers, mit der er den Antrag auf Erlass eines
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen der angeblichen Ansprüche der
Schuldnerin gegen den Drittschuldner aus einem fiktiven Arbeitseinkommen für
die Haushaltsführung weiterverfolgt.
II.
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Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Beschlüsse des
Beschwerdegerichts und des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - sowie zur
Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
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1. Das Beschwerdegericht führt im Wesentlichen Folgendes
aus:
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Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - habe zutreffend
ausgeführt, dass die Haushaltsführung durch den nicht berufstätigen Partner
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu den Arbeiten und Diensten
gehöre, die üblicherweise vergütet würden; ein nach § 850h
Abs. 2 ZPO pfändbarer Anspruch werde hierdurch nicht begründet. Persönliche und
wirtschaftliche Leistungen würden in einer nichtehelichen Lebenspartnerschaft
regelmäßig nicht abgerechnet, sondern von dem Partner erbracht, der dazu in der
Lage sei. Die Haushaltsführung durch den nicht berufstätigen Partner sei einer
Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht gleichzustellen. Sie beruhe, soweit
nicht ohnedies regelmäßig zumindest zu gleichen Teilen auch eigene
Haushaltsangelegenheiten erledigt würden, auf dem übereinstimmenden Entschluss
zur Führung einer Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, in der Leistungen
ersatzlos von demjenigen Partner erbracht würden, der dazu in der Lage sei. Der
erwerbstätige Partner, der die Kosten der gemeinsamen Lebensführung trage,
erbringe mit dem laufenden Unterhalt ebenso den Gemeinschaftszweck fördernde
Aufwendungen wie der haushaltsführende Partner. Diese seien einem
arbeitsrechtlichen Entgelt nicht vergleichbar.
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Zwar habe das Vollstreckungsgericht vor Erlass eines
entsprechend § 850h Abs. 2 ZPO beantragten Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht abschließend zu prüfen, ob und in welcher
Höhe die zu pfändende Forderung bestehe. Zurückzuweisen sei der Antrag jedoch,
wenn nach dem Tatsachenvortrag des Gläubigers die zu pfändende Forderung dem
Schuldner aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zustehen könne. Dies
sei hier aus den genannten Gründen der Fall. Denn Tatsachen, die eine über das
in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft übliche und normale Maß weit
hinausgehende und der Tätigkeit einer berufsmäßigen Hauswirtschafterin
vergleichbare Haushaltsführung durch die Schuldnerin naheliegend erscheinen
ließen und die Annahme eines verschleierten Arbeitseinkommens rechtfertigen
könnten, seien nicht ansatzweise vorgetragen.
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2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) § 850h Abs. 2 ZPO schützt das
Interesse des Vollstreckungsgläubigers an der Durchsetzung seiner Forderung
gegen einen Schuldner, der für einen Dritten arbeitet oder sonst Dienste
leistet, ohne eine entsprechende angemessene Vergütung zu erhalten. Das Gesetz
behandelt diesen Dritten beim Vollstreckungszugriff des Gläubigers so, als ob
er dem Schuldner zu einer angemessenen Vergütung verpflichtet sei (vgl. BGH,
Urteil vom 8. März 1979 - III ZR 130/77, NJW 1979, 1600, 1601 f.; BAGE 126, 137,
147).
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Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die
zu pfändende Forderung besteht (BGH, Beschluss vom 22. August 2012 - VII ZB
2/11, NZI 2012, 809 Rn. 23 m.w.N). Eine Pfändung muss immer dann erfolgen, wenn
dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht
zustehen kann. Der Pfändungsantrag darf vom Vollstreckungsgericht nur
ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner die Forderung aus
tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder
ersichtlich unpfändbar ist (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - VII ZB 11/08,
JurBüro 2010, 440 Rn. 16; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 38/07,
NJW-RR 2008, 733 Rn. 9). Deshalb pfändet das Vollstreckungsgericht auch nur die
"angebliche Forderung" des Schuldners gegen den Drittschuldner (vgl.
BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 229/03, NJW
2004, 2096, 2097 m.w.N). Diese Grundsätze gelten auch beim Pfändungszugriff
nach § 850h Abs. 2 ZPO. Die Pfändung des
Arbeitseinkommens erfasst ohne besonderen Ausspruch auch den fingierten
Vergütungsanspruch gemäß § 850h Abs. 2 ZPO (vgl. BGH,
Urteil vom 15. November 1990 - IX ZR 17/90, BGHZ 113, 27, 29 f.; Brehm in Stein/Jonas,
ZPO, 22. Aufl., § 850h Rn. 41; Stöber,
Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1223); der Gläubiger muss nicht einen
angeblichen Vergütungsanspruch im Sinne des § 850h 2
ZPO eigens pfänden (vgl. RAGE 19, 165, 169 f.). Das Vollstreckungsgericht prüft
grundsätzlich nicht, ob die materiellen Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 ZPO vorliegen; es hat - unbeschadet zu
beachtender Pfändungsschutzvorschriften - nicht über Bestand und Höhe des
fingierten Vergütungsanspruchs zu befinden; dementsprechend muss der Gläubiger
dazu auch nichts vortragen (vgl. LG Berlin, MDR 1961, 510, 511; Lüke in
Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 850h Rn. 22;
Brehm in: Stein/Jonas, aaO, § 850h Rn. 39; Behr,
JurBüro 1997, 214, 215; ders., JurBüro 1990, 1238).
Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung gemäß § 850h Abs. 2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom
Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten
Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden (vgl. LG Bremen, JurBüro 2003, 215;
LG Frankenthal, MDR 1984, 856; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1223;
Kessal-Wulf in Schuschke/Walker, Vollstreckung und
Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 850h Rn. 13).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätten das
Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde des Gläubigers nicht mit der
gegebenen Begründung zurückweisen und das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht -
den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht mit
der gegebenen Begründung ablehnen dürfen.
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Der Gläubiger hat Ansprüche gepfändet, die gegenwärtig oder
zukünftig bestehen können. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die
Schuldnerin Leistungen erbringt oder erbringen wird, die üblicherweise vergütet
werden. Ob Leistungen, die ein Schuldner in einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft erbringt, nach den Umständen des Einzelfalls einen
fingierten Vergütungsanspruch im Sinne des § 850h
Abs. 2 ZPO rechtfertigen, ist unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung
zwischen Prozessgericht und Vollstreckungsgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 26.
September 2002 - IX ZB 180/02, BGHZ 152, 166, 170) nicht im
Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären.
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3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf
Folgendes hin:
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a) Auch im Anwendungsbereich des § 850h
Abs. 2 ZPO sind die Pfändungsschutzvorschriften, insbesondere § 850c ZPO und § 850f Abs. 2 ZPO,
vom Vollstreckungsgericht zu beachten (vgl. Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3.
Aufl., § 850h Rn. 22; Stöber, Forderungspfändung, 15.
Aufl., Rn. 1223), weshalb das Vollstreckungsgericht gegebenenfalls über den
Antrag des Gläubigers gemäß § 850f Abs. 2 ZPO zu
befinden haben wird.
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b) Das Vollstreckungsgericht bestimmt bei der Pfändung die etwa gemäß § 850h Abs. 2 ZPO geschuldete angemessene Vergütung nicht (vgl. LG Frankenthal, MDR 1984, 856; Kessal-Wulf in Schuschke/Walker, aaO, § 850h Rn. 12), weshalb dem Antrag des Gläubigers, das monatliche Nettoeinkommen der Schuldnerin gemäß § 850h Abs. 2 ZPO auf 967,74 € festzusetzen, vom Vollstreckungsgericht nicht stattgegeben werden kann.