BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Versteigert ein Dritter auf Anordnung des
Vollstreckungsgerichts und im Auftrag des Gerichtsvollziehers gepfändete
Gegenstände, kann wegen des einbehaltenen Erlöses ein Anspruch des
Vollstreckungsschuldners gegen den Dritten aus Eingriffskondiktion bestehen.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - IX ZR 204/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr.
Fischer und Grupp für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Parteien und unter Zurückweisung
ihrer weitergehenden Rechtsmittel wird das Urteil des 12. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. November 2011 teilweise aufgehoben und das
Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2010
teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 359.197,72 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit
dem 19. März 2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die
Klägerin zu 80 vom Hundert und die Beklagte zu 20 vom Hundert, die Kosten des
Rechtsstreits in zweiter Instanz die Klägerin zu 73 vom Hundert und die
Beklagte zu 27 vom Hundert, die Kosten des Revisionsverfahrens die Klägerin zu
43 vom Hundert und die Beklagte zu 57 vom Hundert.
Die Klägerin trägt die Kosten des Streithelfers in erster
Instanz zu 80 vom Hundert, in zweiter Instanz zu 73 vom Hundert und im Revisionsverfahren
zu 43 vom Hundert. Im Übrigen trägt der Streithelfer seine Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin erhebt gegen das beklagte Auktionshaus
Ansprüche im Zusammenhang mit der Versteigerung einer Kunst- und
Antiquitätensammlung.
2
Bei der Zwangsräumung eines Hausgrundstücks, das früher im
Eigentum des Ehemannes der Klägerin gestanden hatte, von der V. (fortan: V.)
ersteigert worden war und von der Klägerin mitbewohnt wurde, nahm der
Gerichtsvollzieher im Jahr 2005 eine in den Räumlichkeiten vorgefundene Kunst-
und Antiquitätensammlung in Gewahrsam, die er anschließend für mehrere
Gläubiger des Ehemannes der Klägerin und für die V. wegen der Räumungskosten
pfändete. Auf Antrag der Klägerin und weiterer Beteiligter ordnete das
Landgericht im Beschwerdeverfahren am 13. April 2006 gemäß § 825 Abs. 2 ZPO die
Versteigerung der Sammlung durch das beklagte Auktionshaus an. Der
Gerichtsvollzieher erteilte daraufhin der Beklagten den Versteigerungsauftrag.
Der Versteigerungstermin wurde auf den 20. September 2006 festgesetzt.
3
Am 7. September 2006 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann,
dem Gerichtsvollzieher und der Beklagten aufzugeben, die Zwangsvollstreckung
einzustellen, sobald der Erlös zur Befriedigung der Gläubiger und zur Deckung
der Kosten der Zwangsvollstreckung einen Betrag in Höhe von 825.000 € erreicht
hat. Der Antrag blieb beim Vollstreckungsgericht und beim Beschwerdegericht
ohne Erfolg. Im Rechtsbeschwerdeverfahren setzte der Bundesgerichtshof zunächst
am 19. September 2006 die Zwangsversteigerung vorläufig aus, soweit sie in
Bezug auf weitere Gegenstände fortgesetzt werden solle, nachdem auf
vorhergehende Gebote Zuschläge in Höhe von insgesamt 835.000 € erteilt worden
seien. Diesen Betrag erhöhte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss über die
einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung vom 14. November 2006 auf
1.000.000 €. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2006 (VII ZB 88/06, BGHZ 170, 243)
hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Beschwerdegerichts überwiegend
auf und verwies die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung an das
Beschwerdegericht zurück. Zu einer Sachentscheidung kam es nicht mehr, weil die
Beteiligten das Verfahren später in der Hauptsache für erledigt erklärten.
4
Am 20. September 2006 versteigerte die Beklagte Gegenstände
zu einem Zuschlagspreis von insgesamt 1.340.687 € ohne Vorbehalt und weitere
Gegenstände zu einem Zuschlagspreis von insgesamt 1.108.420 € unter dem
Vorbehalt einer Genehmigung durch den Gerichtsvollzieher oder durch das
Vollstreckungsgericht. Die unter Vorbehalt versteigerten Gegenstände wurden
später über den Gerichtsvollzieher der Klägerin zurückgegeben. Den Erlös aus
den vorbehaltlos versteigerten Gegenständen rechnete die Beklagte gegenüber dem
Gerichtsvollzieher ab und zahlte an diesen insgesamt 472.577,39 €. Da die Vollstreckung
von zwei Gläubigern des Ehemannes der Klägerin auf Vollstreckungsgegenklagen
der Klägerin für unzulässig erklärt wurde und weitere Gläubiger des Ehemannes
die Pfandfreigabe erklärten, kehrte der Gerichtsvollzieher nach Befriedigung
der V. wegen der Räumungskosten und Auf-hebung der Pfändung den Übererlös an
die Klägerin aus. Ein beim Vollstreckungsgericht gestellter Antrag der Klägerin
und ihres Ehemannes, die Beklagte zu verpflichten, weitere 711.094,41 € an den
Gerichtsvollzieher auszuzahlen, blieb ohne Erfolg, weil das Amtsgericht und das
Beschwerdegericht die Auffassung vertraten, die Klägerin könne ihre Ansprüche
unmittelbar gegen die Beklagte geltend machen. Der Ehemann der Klägerin trat
etwaige Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab.
5
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte
zur Zahlung von 1.340.085,10 € nebst Zinsen und zur Benennung der Adressdaten
bestimmter Ersteigerer zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie nur noch den Zahlungsantrag
in Höhe von 1.316.953,10 € nebst Zinsen weiterverfolgt und hilfsweise die
Verurteilung der Beklagten zur Zahlung an das Landbeantragt hat, hat nur in
Höhe von 169.672,13 € Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht für beide
Parteien zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der
Beklagten zur Zahlung von weiteren 458.656,55 €, die Beklagte die Abweisung der
Klage.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revisionen haben jeweils teilweise Erfolg.
I.
7
Das Berufungsgericht hat im zuerkannten Umfang einen
Anspruch der Klägerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB (Eingriffskondiktion)
angenommen. Die Beklagte habe den bei ihr verbliebenen Teil des
Versteigerungserlöses auf Kosten der Klägerin erlangt, auch wenn nicht diese,
sondern ihr Ehemann Eigentümer der versteigerten Gegenstände gewesen sein
sollte. Denn die Klägerin sei nach der Beendigung der Zwangsvollstreckung
empfangszuständig für den Übererlös aus der Versteigerung gewesen, weil die
versteigerten Sachen jedenfalls auch aus ihrem Gewahrsam stammten und ihr
Ehemann als Mitberechtigter mit der Auskehrung des Erlöses an die Klägerin
einverstanden gewesen sei. Die Versteigerung durch die Beklagte sei rechtmäßig
gewesen, auch soweit Zuschläge über den Betrag von 835.000 € und 1.000.000 €
hinaus erteilt worden seien, denn eine Einstellung der Versteigerung nach § 818
ZPO sei nie erfolgt, und die vorläufigen Anordnungen des Bundesgerichtshofs
seien durch die späteren Erledigungserklärungen gegenstandslos geworden. Von
dem erzielten Erlös dürfe die Beklagte jedoch nur dasjenige behalten, was ihr
nach der vertraglichen Vereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher zustehe. Im
Übrigen fehle es auch im Verhältnis zur Klägerin an einem rechtlichen Grund.
Dies sei bezüglich eines Betrags von 169.672,13 € der Fall, der sich aus
Katalogkosten (102.867,96 €), der Umsatzsteuer auf die unter Vorbehalt
versteigerten Gegenstände (73.385,05 €) und aus den Zinsen auf den geleisteten
Vorschuss (6.416,67 €) abzüglich eines Abrechnungsfehlers der Beklagten bei den
Katalogkosten zusammensetze. Mit Recht habe die Beklagte hingegen einen Betrag
von 458.656,55 € (15 v.H. Abgeld und 33 v.H. Aufgeld auf die Zuschlagssumme von
1.108.420 € abzüglich 16 v.H. Umsatzsteuer) als Schadensersatz wegen der
gescheiterten Vorbehaltsversteigerungen sowie weitere Beträge für verschiedene
Kosten einbehalten.
II.
8Diese Ausführungen halten der
rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
9
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe
gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe wegen ungerechtfertigter
Bereicherung in der Form der Eingriffskondiktion, trifft allerdings dem Grunde
nach zu.
10
a) Ohne Erfolg rügt die Revision der Beklagten, die Klägerin
könne wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion nicht unmittelbar die Beklagte
in Anspruch nehmen.
11
aa) Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs kann der Empfänger einer Leistung wegen
ungerechtfertigter Bereicherung nur vom Leistenden mit einer
Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) belangt werden. Ein
Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB)
kann nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger
überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist (Grundsatz des
Vorrangs der Leistungskondiktion, vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1963 - VII
ZR 285/61, BGHZ 40, 272, 278; vom 21. Oktober 2004 - III ZR 38/04, NJW 2005, 60
mwN; vom 21. Juni 2012 - III ZR 291/11, VersR 2012, 1307 Rn. 28). Unter einer
Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ist die bewusste und
zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Dabei kommt es in
erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also darauf an,
welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen
verfolgt haben.
12
bb) Den jetzt von der Klägerin
beanspruchten Versteigerungserlös hat die Beklagte nicht durch eine Leistung
des Gerichtsvollziehers erlangt. Jener hat der Beklagten im Rahmen eines
öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses die Kunst- und
Antiquitätensammlung zur Durchführung einer privat-rechtlichen Versteigerung
überlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - VII ZB 88/06, BGHZ 170,
243 Rn. 17). Inhalt des Auftrags war, dass der erzielte Erlös nach Abzug der
vereinbarten Vergütung und der entstandenen Auslagen an den Gerichtsvollzieher
abzuführen war. Mit der Überlassung der zu versteigernden Gegenstände sollte
deshalb nicht das Vermögen der Beklagten vermehrt werden. Eine Mehrung ihres
Vermögens trat nur mittelbar insoweit ein, als die Vergütung der Beklagten und
die Erstattung ihrer Auslagen betroffen war. In diesem
Umfang wurde der Beklagten aber mit dem Versteigerungsauftrag nur die Befugnis
eingeräumt, die von ihr zu beanspruchenden Beträge dem Erlös aus der
Versteigerung der gepfändeten Gegenstände zu entnehmen. Hätte der
Gerichtsvollzieher die Versteigerung selbst vorgenommen, hätte es sich bei der
Entnahme der entstandenen Kosten aus dem Erlös (§ 15 Abs. 1 GvKostG) nicht um
eine Leistung, sondern um einen Eingriff im Sinne des Bereicherungsrechts
gehandelt. Nichts anderes kann gelten, wenn die Versteigerung einem Dritten
übertragen und diesem die Entnahme der Kosten aus dem Erlös überlassen wird.
13
cc) Die Beklagte hat den von der Klägerin beanspruchten Teil
des Versteigerungserlöses auch nicht durch Leistung der Ersteigerer erlangt.
Die Versteigerungen erfolgten, wie in Nummer 1 der Versteigerungsbedingungen
bestimmt, auf Rechnung des Einlieferers. Die Zahlungen der Ersteigerer sollten
deshalb, abgesehen von dem außer Streit stehenden Aufgeld, nicht das Vermögen
der Beklagten mehren. Erlangt hat die Beklagte den in Rede stehenden Teil des
Erlöses erst dadurch, dass sie ihn für sich einbehielt und nicht an den
Gerichtsvollzieher abführte.
14
b) Die Beklagte hat, soweit sie vom Versteigerungserlös mehr
einbehalten hat, als ihr für die Durchführung der Versteigerung zustand, in
eine Rechtsposition eingegriffen, die nach der Rechtsordnung der Klägerin
zugewiesen war oder ihrem Ehemann, der seine Ansprüche an die Klägerin
abgetreten hat.
15
aa) Rechtlicher Anknüpfungspunkt
für einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB ist die
Verletzung einer Rechtsposition, die nach der Rechtsordnung dem Berechtigten zu
dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist. Der erlangte
Vermögensvorteil muss dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition
widersprechen. Der Zuweisungsgehalt der geschützten Rechtsposition entspricht
einem Verbotsanspruch des Rechtsinhabers, in dessen Macht es steht, die Nutzung
des Rechtsguts einem sonst ausgeschlossenen Dritten zur wirtschaftlichen
Verwertung zu überlassen. Der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1
Fall 2 BGB unterliegt danach jeder vermögensrechtliche Vorteil, den der Erwerber
nur unter Verletzung einer geschützten Rechtsposition und der alleinigen
Verwertungsbefugnis des Rechtsinhabers erlangen konnte (BGH, Urteil vom 9. März
1989 - I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 121; vom 18. Januar 2012 - I ZR 187/10, BGHZ
192, 204 Rn. 40; vom 10. Januar 2013 - VII ZR 259/11, NJW 2013, 781 Rn. 23).
16
bb) Verwertet der
Gerichtsvollzieher, wie es dem gesetzlichen Regelfall entspricht, die
gepfändeten Sachen selbst durch öffentliche Versteigerung (§§ 14, 816 ff ZPO),
setzt sich das Eigentum des Vollstreckungsschuldners (gegebenenfalls auch das
Eigentum eines Dritten) nach der Ablieferung der Sache an den Ersteigerer und
Bezahlung des Meistgebots an den Gerichtsvollzieher kraft dinglicher
Surrogation an dem Erlös fort (RGZ 156, 395, 399; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO,
22. Aufl., § 819 Rn. 1 mwN). Eingriffe in diese Rechtsposition, etwa durch den Einbehalt von Vollstreckungskosten oder durch die
Ablieferung des Erlöses an den Vollstreckungsgläubiger, unterliegen, wenn sie
ohne rechtlichen Grund erfolgen, der Kondiktion des bisherigen Eigentümers §
812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1960 - III ZR
22/59, BGHZ 32, 240, 244; vom 25. März 1976 - VII ZR 32/75, NJW 1976, 1090 f;
vom 31. März 1977 - VII ZR 336/75, BGHZ 68, 276, 278; vom 25. Februar 1987 - VIII
ZR 47/86, BGHZ 100, 95, 99 f; Ellger, Bereicherung
durch Eingriff, 2002, S. 504 f).
17
cc) Im Ergebnis kann nichts anderes gelten, wenn eine
gepfändete Sache auf Anordnung des Vollstreckungsgerichts nach § 825 Abs. 2 ZPO
durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher versteigert wird. Der
Vollstreckungsschuldner verliert sein Eigentum an der gepfändeten Sache nicht
bereits mit der Übergabe der Sache an den privaten Versteigerer; dieser wird
vom Gerichtsvollzieher lediglich ermächtigt, über die Sache zu verfügen (für
einen auch im Streitfall gegebenen Kommissionsvertrag vgl. BGH, Urteil vom 9.
Juni 1959 - VIII ZR 175/58, WM 1959, 1004, 1006; MünchKomm-HGB/Häuser,
2. Aufl., § 383 Rn. 65; Krüger in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 383 Rn 47; Baumbach/Hopt, HGB, 35.
Aufl., § 383 Rn. 22). Der bei der Versteigerung erzielte Erlös fällt jedenfalls
mit der Aushändigung an den Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verteilung bis
zur Ablieferung an die Vollstreckungsgläubiger als Surrogat der gepfändeten
Sache in das Eigentum des Vollstreckungsschuldners. Fraglich ist nur, ob dies
schon gilt, solange sich der Erlös noch in Händen des privaten Versteigerers
befindet. Dagegen könnte sprechen, dass sich die Versteigerung im Falle des §
825 Abs. 2 ZPO nach privat-rechtlichen Grundsätzen vollzieht (BGH, Urteil vom
2. Juli 1992 - IX ZR 274/91, BGHZ 119, 75, 78 f; Beschluss vom 20. Dezember
2006 - VII ZB 88/06, BGHZ 170, 243 Rn. 17) und bei der Verkaufskommission
regelmäßig zunächst der Kommissionär Eigentum am Erlös erwirbt (vgl. MünchKomm-HGB/Häuser, aaO Rn. 67, 73; Baumbach/Hopt, aaO
Rn. 24 f). Andererseits handelt der beauftragte Dritte aufgrund eines
öffentlich-rechtlichen Auftrags (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006, aaO) im
Rahmen der Zwangsvollstreckung und kann vom Gerichtsvollzieher damit beauftragt
werden, den Erlös selbst an die Berechtigten zu verteilen. Dies könnte die
Annahme einer sofortigen dinglichen Surrogation nahe legen, wie sie für den
Fall einer öffentlichen Versteigerung allgemein angenommen wird. Die Frage
bedarf im Streitfall aber keiner Entscheidung. Selbst wenn die Klägerin noch
nicht kraft dinglicher Surrogation analog § BGB § 1247 Satz 2 BGB Eigentümerin
des Versteigerungserlöses geworden sein sollte, als die Beklagte ihn von den Ersteigerern in Empfang nahm, trat der Erlös doch schon
jetzt an die Stelle ihres bisherigen Eigentums an den gepfändeten Sachen.
Soweit er die im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigenden Gläubigerrechte
und die berechtigten Kosten der Zwangsvollstreckung überstieg, war er der
Klägerin zur Verfügung und Verwertung zugewiesen (im Ergebnis ebenso
Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 825 Rn. 11; Zöller/Stöber, ZPO, 29.
Aufl., § 825 Rn. 25).
18
2. Zum Umfang der Eingriffskondiktion ist die Entscheidung
des Berufungsgerichts hingegen nicht frei von Rechtsfehlern.
19
Der Versteigerungserlös ist dem Vermögen der Klägerin nur
insoweit zugewiesen, als ihn nicht die Beklagte beanspruchen kann. Dies richtet
sich nach den Vereinbarungen, welche die Beklagte mit ihrem Auftraggeber, dem
Land, vertreten durch den rechtmäßig handelnden Gerichtsvollzieher, getroffen
hat. Maßgeblich sind insbesondere die Auftragsbedingungen der Beklagten, die
aufgrund des entsprechenden Hinweises auf dem vom Gerichtsvollzieher
unterzeichneten Auftragsschreiben selbst dann wirksam einbezogen wurden, wenn
das Auftragsformular, wie die Klägerin behauptet, per Telefax ohne die auf der
Rückseite abgedruckten Auftragsbedingungen an den Gerichtsvollzieher
übermittelt wurde (§§ 305 Abs. 2, § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB).
20
a) Danach kann die Beklagte wegen der nur teilweisen
Durchführung des ursprünglich unbeschränkt erteilten Versteigerungsauftrags
keinen Schadensersatz, aber als Provision das vereinbarte Abgeld in Höhe von 15
v.H. auf die nicht zur Ausführung gekommenen Versteigerungen, mithin 116.263 €
beanspruchen.
21aa) Mit Recht rügt die Revision
der Klägerin, dass das Berufungsgericht die Beklagte nach §§ 280 Abs. 1, § 249
BGB für berechtigt erachtet hat, einen Betrag von 458.656,55 € als
Schadensersatz einzubehalten. Die von der Klägerin beantragte und ohnehin nur
vorläufige Anordnung des Bundesgerichtshofs im Verfahren nach § 818 ZPO stellt
keine schuldhafte Pflichtverletzung des Landes dar, das - handelnd durch seinen
Gerichtsvollzieher - den Versteigerungsauftrag erteilte und deshalb
Vertragspartner der Beklagten ist. Sollte der Gerichtsvollzieher, durch die gerichtliche
Anordnung veranlasst, den Versteigerungsauftrag nachträglich beschränkt haben,
was die Klägerin allerdings in Abrede stellt, läge darin ebenfalls keine Pflichtverletzung.
Denn der Gerichtsvollzieher war jederzeit berechtigt, den Versteigerungsauftrag
ganz oder teil- weise zu widerrufen. Nach Nr. 1 der Auftragsbedingungen
versteigerte die Beklagte die Gegenstände als Kommissionär im eigenen Namen auf
Rechnung des Einlieferers. Ob der danach bestehende - öffentlich-rechtliche -
Kommissionsvertrag (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., Einführung vor §
43 Rn. 12; Palandt/Sprau, aaO § 675 Rn. 31) als
Werkvertrag oder als Dienstvertrag über Dienste höherer Art im Sinne von § 627
Abs. 1 BGB, jeweils mit Geschäftsbesorgungscharakter (§ 675 Abs. 1 BGB),
einzuordnen ist (vgl. Münch-Komm-HGB/Häuser, 2. Aufl., § 383 Rn. 28 f; RGZ 110,
119, 123), kann dahinstehen. In beiden Fällen bestand ein Recht des
Einlieferers, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne
wichtigen Grund zu kündigen (§§ 649 Satz 1, 627 Abs. 1 BGB). Die Ausübung
dieses Kündigungsrechts stellt keine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1
BGB dar.
22
bb) Eine Verpflichtung des
Kommittenten, dem Kommissionär den durch eine berechtigte Kündigung des
Vertrags entstandenen Schaden zu ersetzen, ergibt sich auch nicht aus den
entsprechenden Bestimmungen des Dienst- und Werkvertragsrechts. Nach § 628 Abs.
1 BGB hat der Dienstverpflichtete lediglich einen Anspruch auf den seinen
bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung. Einen Anspruch auf
Schadensersatz hat unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 2 BGB nur der
Kündigende, nicht der Kündigungsempfänger. Der Bestimmung in § 649 Satz 2 BGB,
wonach der Besteller im Falle der Kündigung verpflichtet bleibt, die
vereinbarte Vergütung zu bezahlen, geht beim Kommissionsvertrag die spezielle Regelung
in § 396 HGB vor (vgl. MünchKomm-HGB/Häuser, aaO §
396 Rn. 22; Krüger in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 396 Rn. 4).
23
cc) Die Beklagte kann den geltend gemachten Anspruch auf
Schadensersatz auch nicht auf ihre Auftragsbedingungen stützen. Die Bestimmung
in Nr. 1 Satz 3 in Verbindung mit Nr. 12 der Bedingungen, wonach der
Einlieferer bis zur Abrechnung an den Auftrag gebunden und bei Zurückziehung
des Auftrags zum Schadensersatz, mindestens zur Zahlung einer Schadenspauschale
verpflichtet ist, ist unwirksam. Dies ergibt eine Inhaltskontrolle nach der
Regelung in § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, die auf den Geschäftsbesorgungsvertrag
zwischen dem Land und der Beklagten zu Gunsten des Landes anwendbar ist, auch
wenn es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelte (§ 62 Satz 2
VwVfG). Die Begründung einer unbeschränkten Verpflichtung zum Schadensersatz im
Falle der Entziehung des Auftrags benachteiligt den Einlieferer entgegen den
Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie mit den wesentlichen Grundgedanken
der gesetzlichen Regelung, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
24
Das Recht des Bestellers eines Werks und des Berechtigten
aus einem Vertrag über Dienste höherer Art, sich jederzeit vom Vertrag lösen zu
können, dient einem wesentlichen Schutzbedürfnis der Partei und geht über eine
reine Zweckmäßigkeitsregelung hinaus. Es ist deshalb anerkannt, dass das
Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB nicht durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 8.
Oktober 2009 - III ZR 93/09, NJW 2010, 150 Rn. 19; vom 11. Februar 2010 - IX ZR
114/09, NJW 2010, Rn. 25 ff, jeweils mwN). Dies gilt auch für das Recht, einen
Versteigerungsvertrag zu kündigen, denn ein solcher Vertrag bedarf in
besonderem Maße gegenseitigen Vertrauens. Unwirksam sind nicht nur Regelungen,
die das Kündigungsrecht schlechthin ausschließen, sondern auch solche, die es
faktisch entwerten, indem sie an eine Kündigung derart nachteilige Rechtsfolgen
knüpfen, dass der Vertragspartner vernünftigerweise von dem ihm formal
zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen wird (BGH, Urteil vom 8.
Oktober 2009, aaO Rn. 23; zu § 723 Abs. 3 BGB vgl. BGH, Urteil vom 13. März
2006 - II ZR 295/04, WM 2006, 776 Rn. 11; vom 7. April 2008 - II ZR 3/06, WM
2008, 1023 Rn. 13). Dies ist hier im Blick auf die das Kündigungsrecht
unzumutbar erschwerende Schadensersatzpflicht der Fall.
25
dd) Die Beklagte hat jedoch nach §
396 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB Anspruch auf die vereinbarte Provision
bezüglich der eingelieferten und unter Vorbehalt versteigerten, letztlich aber
über den Gerichtsvollzieher der Klägerin zurückgegebenen Gegenstände. Insoweit
ist die Ausführung des bereits abgeschlossenen Geschäfts nur aus einem in der
Person des Kommittenten liegenden Grunde unterblieben. Diese Voraussetzung
liegt vor, wenn der die Ausführung hindernde Grund der Risikosphäre des
Kommittenten zuzurechnen ist; auf eine Pflichtverletzung oder ein Vertretenmüssen des Kommittenten kommt es nicht an. Im
Streitfall unterblieb die Ausführung der Versteigerungen, die wegen der auf
Antrag der Klägerin im Verfahren nach § 818 ZPO ergangenen vorläufigen
Anordnung nur unter Vorbehalt erfolgten, weil innerhalb der Vorbehaltsfrist bis
zum 30. November 2006 weder der Gerichtsvollzieher noch das
Vollstreckungsgericht die Versteigerung genehmigten. Diese Umstände fallen
nicht in den Risikobereich der Beklagten, sondern in denjenigen des Landes und
damit des Kommittenten. Als vom Kommittenten geschuldete Provision war das so
genannte Abgeld in Höhe von 15 v.H. des Zuschlagspreises
vereinbart. Die Zuschlagssumme für die unter Vorbehalt erfolgten
Versteigerungen belief sich auf insgesamt 1.108.420 €. Daraus errechnet sich
eine Provision in Höhe von 166.263 €. Sie ist nicht um die gesetzliche
Umsatzsteuer, die gemäß Nr. 11 Satz 2 der Auftragsbedingungen in diesem Betrag
enthalten ist, zu kürzen. Denn die nach § 396 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB
bei unterbliebener Ausführung des Geschäfts geschuldete Provision stellt keinen
Schadensersatz dar, sondern ist das Entgelt für die auch in diesem Fall vom
Kommissionär erbrachten Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG,
insbesondere für den Ab-schluss des Geschäfts. In der Person des Kommissionärs
fällt deshalb auf die Provision Umsatzsteuer an.
26
b) Darüber hinaus ist die Beklagte berechtigt, die
aufgewendeten Kosten für den Versteigerungskatalog in Höhe von 102.867,96 €
einzubehalten. Die abweichende Ansicht des Berufungsgerichts greift die
Revision der Beklagten mit Erfolg an.
27
Das Berufungsgericht hat zwar festgestellt, dass nach der
ursprünglichen Absprache zwischen der Beklagten und dem Gerichtsvollzieher
abweichend von den Auftragsbedingungen (Nr. 11) keine Katalogkosten erhoben
werden sollten. Nachdem die Versteigerung wegen der vom Bundesgerichtshof
erlassenen einstweiligen Anordnung nicht vollständig durchgeführt wurde,
stellte die Beklagte in ihre Abrechnung Katalogkosten in Höhe von 113.002,44 €
ein mit der Begründung, der vereinbarte Verzicht auf die Katalogkosten habe die
Grundlage gehabt, dass alle Gegenstände regulär versteigert werden konnten.
Darin ist das Verlangen nach einer Anpassung des Vertrags wegen einer
Veränderung der Geschäftsgrundlage zu sehen (§ 313 Abs. 1 BGB). Der
Gerichtsvollzieher wies dieses Verlangen nicht zurück, sondern rechnete die
Katalogkosten später mit 102.867,96 € ab. In diesem Verhalten kann nur das
Einverständnis mit einer entsprechenden Vertragsanpassung gesehen werden, denn
der Gerichtsvollzieher wusste, dass die Beklagte zugesagt hatte, keine
Katalogkosten abzurechnen. Das Vollstreckungsgericht hatte sich in seiner
Anordnung nach § 825 Abs. 2 ZPO hierauf bezogen, in einem ergänzenden
Versteigerungsauftrag vom 15. August 2006 war eine entsprechende Bemerkung
ausdrücklich eingefügt, und die Beklagte räumte in ihrem Abrechnungsschreiben
ein, dass nach der ursprünglichen Vereinbarung keine Katalogkosten berechnet
werden sollten. Bestätigt wurde die Einigung über die Anpassung des Vertrags
dadurch, dass die Beklagte dem Gerichtsvollzieher im Hinblick auf die Differenz
in der Berechnung der Katalogkosten einen weiteren Teil des
Versteigerungserlöses auszahlte. Entgegen der Ansicht der Klägerin bedurfte
eine solche Vertragsanpassung nicht ihrer Zustimmung, sondern konnte von der
Beklagten mit ihrem Vertragspartner, dem Land ,
handelnd durch den Gerichtsvollzieher, wirksam vereinbart werden. Die
Wirksamkeit dieser Vereinbarung hängt nicht davon ab, ob die Voraussetzungen
eines Anspruchs auf Anpassung des Vertrags nach § 313 Abs. 1 BGB tatsächlich
vorlagen. Vieles spricht allerdings dafür, dass mit der nur teilweisen
Ausführung der in Auftrag gegebenen Versteigerung die vorausgesetzte
schwerwiegende Veränderung der dem Vertrag zugrunde gelegten Umstände eingetreten
ist, weil die Beklagte - wie ausgeführt - hinsichtlich des nicht zur Ausführung
gekommenen Teils der Versteigerung zwar Provision in Form des Abgelds von 15
v.H., nicht aber das Aufgeld in Höhe von 30 v.H. auf die Zuschlagssumme als
Schadensersatz beanspruchen kann.
28
c) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die
Beklagte sei nicht zum Einbehalt von Zwischenzinsen
in Höhe von 6.416,67 € berechtigt. Hiergegen wendet sich die Revision der
Beklagten ohne Erfolg. Dem Einbehalt liegt zugrunde,
dass die Beklagte am 14. August 2006, mithin mehr als einen Monat vor dem
Versteigerungstermin vom 20. September 2006, eine A-conto-Zahlung
über 300.000 € leistete. Das Berufungsgericht stellt hierzu fest, die Beklagte
habe sich zur Zahlung des Vorschusses verpflichtet gehabt. Dies wird von der
Revision der Beklagten nicht angegriffen. Entsprach die Zahlung vertraglicher
Vereinbarung, erfolgte sie mit Rechtsgrund und begründete keinen gesetzlichen
Anspruch auf die Herausgabe von Nutzungen nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1
BGB. Eine vertragliche Regelung über eine Verzinsung des Vorschusses hat das
Berufungsgericht nicht feststellen können. Die Beklagte hat eine dahingehende
Vereinbarung auch nicht substantiiert behauptet. Die Vorlage des mehrseitigen
Abrechnungsschreibens, in dem an einer Stelle von einem "Betrag der
vereinbarungsgemäß verzinsten a-conto-Zahlung"
die Rede ist, ohne konkreten schriftsätzlichen Vortrag genügt hierfür nicht.
IV.
29
Das Berufungsurteil kann danach nicht in vollem Umfang
Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie nach
den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Der vom Berufungsgericht der Klägerin zugesprochene Betrag von 169.672,13 € ist
auf die Revision der Klägerin um die Differenz zwischen dem als Schadensersatz
einbehaltenen Betrag von 458.656,55 € und dem berechtigten Provisionsanspruch
der Beklagten in Höhe von 166.263 € zu erhöhen und auf die Revision der
Beklagten um die Katalogkosten von 102.867,96 € herabzusetzen. Es ergibt sich
ein von der Beklagten an die Klägerin zu zahlender Betrag von 359.197,72 €.
30
Dieser Betrag ist, wie vom Berufungsgericht erkannt und von den Revisionen nicht angegriffen, wegen Verzugs der Beklagten ab dem 19. März 2009 mit dem gesetzlichen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (§§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB).