BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Der Erstattungsanspruch des Mieters aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters ist unpfändbar, wenn der Mieter Arbeitslosengeld II bezieht und die Erstattung deshalb im Folgemonat die Leistungen der Agentur für Arbeit für Unterkunft und Heizung des Hilfeempfängers mindert (im Anschluss an BSG, NZM 2013, 386 = NZS 2013, 273).
BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - IX ZR 310/12 - LG Dresden AG
Dresden
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin
Lohmann, den Richter Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Dresden vom 8. November 2012 wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien führen einen Drittschuldnerprozess, in welchem
die Klägerin die Forderung ihres Vollstreckungsschuldners auf Auszahlung eines
Betriebskostenguthabens gegen die Beklagte geltend macht. Der
Vollstreckungsschuldner ist seit 2008 Wohnungsmieter der Beklagten. Mieten
einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen werden von der Agentur für Arbeit
direkt an die Beklagte überwiesen, weil der Vollstreckungsschuldner
Arbeitslosengeld II bezieht.
2
Im September 2010 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner
die Betriebskosten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 30. September
2009 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 131,68 € minderte
die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November 2010.
Am 26. April 2011 erwirkte die Klägerin einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss, mit dem auch die rückständigen, gegenwärtigen und
künftigen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Beklagte auf
Auszahlung von Überschüssen aus Nebenkostenabrechnungen gepfändet und der
Klägerin zur Einziehung überwiesen wurden. Der Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten am 23. Juni 2011 zugestellt. Im
Oktober 2011 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner über
die Betriebskosten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September
2010 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 33,76 € minderte
die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November
2011.
3
Die Klägerin hat zunächst mit ihrer Drittschuldnerklage die
Forderung auf Zahlung der beiden Betriebskostenguthaben sowie einen Anspruch
auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 €
rechtshängig gemacht. Sie hat in erster Instanz den Rechtsstreit wegen des
Betriebskostenguthabens aus dem Mietjahr 2008/09 in
Höhe von 131,68 € einseitig für erledigt erklärt.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung
zugelassen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit
welcher die Klägerin ihre bisherigen Sachanträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision ist unbegründet.
I.
6
Das Landgericht hat angenommen, die Klägerin habe keinen
Anspruch auf Auszahlung der Betriebskostenguthaben sowie auf Erstattung
außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Klägerin könne aus dem Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss die Auszahlung der Betriebskostenguthaben von der
Beklagten nicht verlangen, weil die Pfändung der Heiz- und
Betriebskostenrückzahlungen hier entsprechend § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I verboten sei. Der Vollstreckungsschuldner sei
Bezieher von Arbeitslosengeld II, so dass vom Sozialleistungsträger nach § 22
Abs. 3 Satz 1 SGB II die Betriebskostenguthaben von den laufenden Mietzahlungen
im Folgemonat abgezogen werden, ohne dass es einer Aufrechnung bedürfe. Es
bestehe daher die Gefahr für den Mieter, dass ihm ein Teil der Leistungen zur
Sicherung des Existenzminimums entzogen werde, wenn einerseits die
Sozialleistungen gekürzt würden und andererseits der Vollstreckungsgläubiger
auf das Betriebskostenguthaben zugreife, während gleichzeitig für den
Kürzungsmonat die laufende Miete in voller Höhe geschuldet sei. Die
vorgerichtlich entstandenen Kosten seien der Klägerin nicht zu erstatten. Die
Beklagte habe der Klägerin in der Drittschuldnererklärung die Verrechnung des
Betriebskostenguthabens aus dem Mietjahr 2008/09 mit
der späteren Miete mitgeteilt. Zu weitergehenden Angaben sei die Beklagte nicht
verpflichtet gewesen, so dass der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch
nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zustehe.
II.
7
Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist rechtlich nicht
zu beanstanden.
8
1. Erst nach ihrer Verkündung ist das Urteil des
Bundessozialgerichts vom 16. Oktober 2012 (NZS 2013, 273
Rn. 19 f, zVb in BSGE)
bekannt geworden, nach welchem Betriebs- und Heizkostenerstattungen des
Vermieters nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung gegen einen Bezieher von
Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Teil II unterliegen. Der Senat schließt
sich der Auffassung des Bundessozialgerichts an, weil diese Rückzahlung von
öffentlichen Leistungen gemäß §§ 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 SGB II nach § 22 Abs. 3
Satz 1 SGB II (früher § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) die Leistungen des Folgemonats
an den Hilfeempfänger mindert. Wäre in diesen Fällen die Pfändung zulässig,
würde sie nach dem Gesetz zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen, die dem
Leistungsbezieher das Existenzminimum sichern sollen. Solchen
Vollstreckungsmaßnahmen ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
schon bisher entgegengetreten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 321/03, WM 2004, 935, 936 unter 2. a; im Ergebnis
ebenso Beschluss vom 16. Juni 2011 - VII ZB 12/09, WM 2011, 1418 Rn. 7 f). Der
Senat sieht keinen Anlass, davon abzuweichen. Ob sich dieses Ergebnis mit dem
Berufungsgericht hier auch durch eine Analogie zu § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I begründen lässt, kann offenbleiben.
9
2. Wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, steht der Klägerin schon infolge der Unwirksamkeit ihrer Pfändung gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder aus anderem Rechtsgrund zu.