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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
in dem
Zwangsvollstreckungsverfahren
ZPO § 829,
§ 836, § 840; BGB § 401
a) Bei der
Pfändung eines Anspruchs auf Lohnzahlung stellt der Anspruch auf Erteilung einer
Lohnabrechnung einen unselbständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung
bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Wenn nicht
ausgeschlossen ist, dass dem Schuldner gegen den Drittschuldner derartige
Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen, werden diese angeblichen Ansprüche des
Schuldners gegen den Drittschuldner (Arbeitgeber) bei einer Lohnpfändung
mitgepfändet.
b) In
derartigen Fällen der Mitpfändung kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des
Gläubigers die Mitpfändung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
(klarstellend) aussprechen.
BGH,
Beschluss vom 19. Dezember 2012 - VII ZB 50/11 - LG Chemnitz, AG Freiberg
Der VII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari, den
Richter Halfmeier, den Richter Kosziol und den Richter Dr. Kartzke
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden der Beschluss
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 1. August 2011 und der
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Freiberg -
Vollstreckungsgericht - vom 14. Juni 2011 aufgehoben, soweit zum Nachteil des
Gläubigers entschieden worden ist.
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts
Freiberg - Vollstreckungsgericht - vom 14. Juni 2011 wird dahingehend ergänzt,
dass auch die angeblichen Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin
auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen, nach Wahl der Drittschuldnerin
auch Faxkopien hiervon, gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen
werden.
Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
1
Der
Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer
titulierten Geldforderung in Höhe von 2.400 DM nebst Zinsen und Kosten.
2
Das
Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat auf Antrag des Gläubigers einen
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen. Dieser bezieht sich auf
angebliche Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf
rückständige, gegenwärtige und künftige Lohnzahlungen, Prämien, Weihnachts- und
Urlaubsgeld, Abfindungen, Betriebsrenten, soweit nach §§ 850 ff. ZPO pfändbar,
sowie vom Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleich. Das Amtsgericht
- Vollstreckungsgericht - hat in diesem Beschluss des Weiteren angeordnet, dass
der Schuldner im Rahmen seiner Herausgabeverpflichtung nach § 836 Abs. 3 ZPO für
die Dauer der Pfändung die Lohn- und Gehaltsabrechnungen an den Gläubiger
herauszugeben hat. Dem weitergehenden Antrag des Gläubigers auf Pfändung der
angeblichen Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin "auf
monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen (Fax genügt)" hat das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht - nicht entsprochen.
3
Die gegen
die teilweise Antragszurückweisung gerichtete sofortige Beschwerde des
Gläubigers ist vor dem Beschwerdegericht ohne Erfolg geblieben. Mit der
zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der
II.
4
Die gemäß §
574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige
Rechtsbeschwerde ist begründet.
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1. Das
Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Anspruch des Schuldners gegen den
Drittschuldner auf Aushändigung der Lohnabrechnung sei von der Pfändung nicht
umfasst, so dass der Gläubiger nicht berechtigt sei, diesen Anspruch gegen den
Drittschuldner geltend zu machen. Eine Rechtsgrundlage für das Begehren des
Gläubigers sei nicht ersichtlich. Die Verpflichtungen des Schuldners und des
Drittschuldners aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses seien in §
836 ZPO und § 840 ZPO abschließend geregelt. Nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO sei
der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung
nötige Auskunft und die über die Forderung vorhandenen Urkunden, also auch die
Lohnbescheinigungen, herauszugeben. Welche Erklärungen der Drittschuldner
abzugeben habe, sei in § 840 Abs. 1 ZPO geregelt. Aus der Regelung ergebe sich
nicht, dass der Drittschuldner auf Verlangen verpflichtet sei, die über die
Forderung vorhandenen Urkunden, also auch Lohnbescheinigungen an den Gläubiger
herauszugeben.
6
2. Das hält
der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Die
angeblichen Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf monatliche
Übersendung der Lohnabrechnungen sind zusammen mit den angeblichen Forderungen
auf Lohnzahlung als Nebenrechte mitgepfändet.
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aa) Die mit
einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne Weiteres auf alle
Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach § 412, § 401 BGB mit auf den
neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es
dazu nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 VII ZB 117/09, NJW-RR 2012,
434 Rn. 12; Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555,
1556). Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird diese
Vorschrift unter anderem auf solche Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur
Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind (vgl. BGH,
Beschluss vom 9. Februar 2012 - VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn. 14 m.w.N.).
Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung,
die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln (vgl.
BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556;
Urteil vom 8. November 2005 - XI ZR 90/05, BGHZ 165, 53, 57).
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bb) Bei der
Lohnpfändung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung einen
solchen unselbständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den
Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Es ist nicht ausgeschlossen,
dass dem Schuldner gegen die Drittschuldnerin derartige Ansprüche auf
Lohnabrechnung zustehen. Nach allgemeinen Grundsätzen kann der Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber Auskunft über die Grundlagen seines Vergütungsanspruchs verlangen,
wenn der Arbeitnehmer hierüber unverschuldet keine Kenntnis hat (vgl. BAGE 119,
62 Rn. 15 m.w.N.). Das schließt den Anspruch auf eine Abrechnung mit ein, wenn
es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf die Zahlung konkret verfolgen zu
können (vgl. BAGE 119, 62 Rn. 15). Ob derartige Ansprüche des Schuldners auf
Lohnabrechnung gegen die Drittschuldnerin tatsächlich gegeben sind, ist im
vorliegenden Verfahren unerheblich. Denn das Vollstreckungsgericht prüft
grundsätzlich nicht, ob eine zu pfändende Forderung besteht (vgl. BGH, Beschluss
vom 22. August 2012 - VII ZB 2/11, NZI 2012, 809 Rn. 23; Beschluss vom 19. März
2004 - IXa ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097 m.w.N.). Bezüglich einer Mitpfändung
gilt Entsprechendes. Eine Pfändung muss immer dann erfolgen, wenn dem Schuldner
die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann (vgl.
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 9
m.w.N.). Ein Pfändungsantrag darf nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem
Schuldner der Anspruch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht
zustehen kann oder ersichtlich unpfändbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12.
Dezember 2007 VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 9 m.w.N.). Ein solcher
Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Insbesondere steht nicht fest, dass die
Erfüllung der genannten Ansprüche auf Lohnabrechnung gegenüber dem Gläubiger
unzulässiger Weise in ein Recht des Schuldners auf Geheimhaltung oder
informationelle Selbstbestimmung eingreifen würde, weil in den Abrechnungen
schuldnerbezogene Daten enthalten sind, die sich nicht nur auf das pfändbare
Arbeitseinkommen beziehen (a.M. Hess. LAG, Urteil vom 24. Januar 2002 5 Sa
1213/01, juris Rn. 28 ff.; Reiter, FA 2007, 258, 259 f.). Das Interesse des
Schuldners, die in Lohnabrechnungen enthaltenen, sein Arbeitsverhältnis
betreffenden persönlichen Daten gegenüber Dritten nicht zu offenbaren, überwiegt
grundsätzlich nicht das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (vgl. BGH,
Beschluss vom 28. Juni 2006 - VII ZB 142/05, NJW-RR 2006, 1576 Rn. 14). Der
Schuldner hat im vorliegenden Verfahren im Übrigen keinen Vortrag gehalten, aus
dem sich Hinweise auf ein derartiges Geheimhaltungsinteresse ergeben.
10
cc) Die
Vorschrift des § 840 ZPO, die eine Auskunftsobliegenheit des Drittschuldners
begründet (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/04, NJW-RR 2006, 1566
Rn. 10 m.w.N.), steht der vorstehend erörterten Mitpfändung nicht entgegen. §
840 ZPO lässt materiellrechtliche Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, die
den Drittschuldner treffen und von der Pfändung der Forderung gemäß § 401 BGB
miterfasst werden, unberührt (vgl. Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., §
840 Rn. 2; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5.
Aufl., § 840 Rn. 2).
11
b) Das
Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für den begehrten Ausspruch bezüglich der
Pfändung der angeblichen Forderungen auf monatliche Übersendung der
Lohnabrechnungen ist gegeben.
12
aa) In
Fällen der Mitpfändung von Nebenrechten wie im Streitfall kann das
Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden
Beschluss die Mitpfändung (klarstellend) aussprechen (vgl. BGH, Beschluss vom
18. Juli 2003 - IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556; Beschluss vom 9. Februar
2012 - VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn. 11; LG Bochum, JurBüro 2000, 437
m.w.N.; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1742; Scherer, Rpfleger 1995,
446, 450; a.M. OLG Zweibrücken, JurBüro 1995, 660, 662). Ein solcher
klarstellender Ausspruch erleichtert dem Gläubiger den Nachweis der Mitpfändung
(vgl. OLG Hamm, DGVZ 1994, 188, 189; LG Koblenz, JurBüro 1996, 663, 664; Behr,
JurBüro 1995, 626, 628).
13
bb) Das
Rechtsschutzbedürfnis für den genannten klarstellenden Ausspruch entfällt nicht
wegen der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss enthaltenen, bestandskräftig
gewordenen Anordnung, dass der Schuldner für die Dauer der Pfändung die
Lohnabrechnungen an den Gläubiger herauszugeben hat (vgl. dazu BGH, Beschluss
vom 28. Juni 2006 - VII ZB 142/05, NJW-RR 2006, 1576 Rn. 8). § 836 Abs. 3 Satz 3
ZPO ermöglicht eine Zwangsvollstreckung in diese Urkunden nur, sofern sie sich -
schon oder noch - im Besitz des Schuldners befinden (vgl. BGH, Beschluss vom 25.
März 2010 VII ZB 11/08, JurBüro 2010, 440 Rn. 20).
14
3. Da
weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5
ZPO in der Sache abschließend zu entscheiden.
III.
15
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.