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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
ZPO § 256 Abs. 2
Eine Zwischenfeststellungsklage ist zulässig, wenn beide Parteien mit Klage und
Widerklage selbständige Ansprüche verfolgen, für die das streitige
Rechtsverhältnis vorgreiflich ist, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die
Ansprüche erschöpfen, die sich aus dem Rechtsverhältnis überhaupt ergeben können
(Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Oktober 1967 V ZR 83/66, WM 1967, 1245, 1246).
BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 223/11 - OLG München, LG München I
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
7. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin
Safari Chabestari, den Richter Dr. Eick, den Richter Kosziol und den Richter Dr.
Kartzke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts München vom 18. Oktober 2011 im Kosten-punkt und insoweit
aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.
Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens sowie über die außergerichtlichen
Kosten des Verfahrens betreffend die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten im Rahmen von Klage und Widerklage über gegenseitige
Ansprüche aus einem Bauvertrag vom 21. September 1999.
2
Mit Schreiben vom 3. Mai 2001 entzog die Klägerin der Beklagten unter Hinweis
auf § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B den Auftrag mit sofortiger Wirkung. Die
Parteien streiten insbesondere darüber, ob es sich bei dieser Kündigung um eine
Kündigung aus wichtigem Grund oder um eine freie Kündigung handelt.
3
Die Klägerin begehrt die Rückzahlung einer angeblichen Überzahlung (6.254.727,71
€ und 457.533,86 €), den Ersatz von entstandenen Mehrkosten für die drittseitige
Fertigstellung des Bauvorhabens (12.583.287,35 €) sowie den Ersatz von Schäden
aus Bauzeitverlängerung (1.369.950,35 €).
4
Mit der Widerklage begehrt die Beklagte Schadensersatz für Gutachter- und
Kopierkosten (309.042,09 € netto) sowie eine Schlussrechnungs-Restforderung
(18.858.567,28 € brutto), der unter anderem eine so genannte Kündigungsvergütung
für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 9.583.947,44 € netto zugrunde liegt.
5
In erster Instanz hat die Klägerin eine Zwischenfeststellungsklage erhoben und
beantragt:
Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin mit Schreiben
vom 3. Mai 2001 ausgesprochene Kündigung des Bauvertrages ihrer Rechtsnatur nach
eine berechtigte Kündigung aus wichtigem Grund (Entziehung des Auftrags
gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B) ist.
6
Das Landgericht hat die beantragte Feststellung getroffen. Dagegen hat die
Beklagte Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz beantragt:
I. Das Zwischenfeststellungsurteil vom 26. November 2010 wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Es wird festgestellt, dass der Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf
Vergütung infolge der Kündigung des Bauver-trages für das Bauprojekt "H.S."
durch die Klägerin mit Schrei-ben vom 3. Mai 2001 gemäß § 649 BGB i.V.m. § 8 Nr.
1 VOB/B gegen die Klägerin zusteht.
7
Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das
Zwischenfeststellungsurteil des Landgerichts aufgehoben, den Antrag der
Klägerin auf Erlass des Zwischenfeststellungsurteils abgewiesen und die Sache an
das Landgericht zurückverwiesen. Den Antrag der Beklagten Ziffer III hat das Berufungsgericht abgewiesen und die Berufung der Beklagten im Übrigen
zurückgewiesen.
8
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Der Senat hat die Revision der Klägerin zugelassen und die
Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen.
9
Die Klägerin erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Zwischenfeststellungsurteils.
10
Die Beklagte hat zur Wahrung ihrer Rechte Anschlussrevision eingelegt, mit der
sie den im Berufungsrechtszug gestellten Antrag Ziffer III weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
11
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der
Klägerin entschieden worden ist, und im Umfang der Aufhebung zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlussrevision ist
unbegründet.
I.
12
Das Berufungsgericht hält die Zwischenfeststellungsklage für unzulässig. Eine
Zwischenfeststellungsklage sei nur dann zulässig, wenn nicht ausgeschlossen
sei, dass der Gegenstand der Feststellung auch außerhalb des Gegenstands des
Klageverfahrens in der Hauptsache von präjudizieller Bedeutung sein könne. An
diesem Erfordernis fehle es hier. Die wechselseitigen Ansprüche der Parteien
aus dem Bauvertrag mit Bezug zu der Kündigung seien vollständig Gegenstand der
Klage- und der Widerklageanträge. Eine darüber hinausgehende Bedeutung der
Feststellung sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass die Berechtigung
der Kündigung aus wichtigem Grund die zentrale Vorfrage für einen
Teil der Klage- und der Widerklageanträge bilde, genüge gerade nicht.
13
Keinen Erfolg habe die Berufung der Beklagten, soweit die Feststellung der
Berechtigung von Ansprüchen der Beklagten aus § 649 BGB begehrt werde. Dieser
erstmals in zweiter Instanz gestellte Antrag sei nicht an § 533 ZPO zu messen.
Er stelle jedoch ebenfalls einen Zwischenfeststellungsantrag dar und sei aus den
gleichen Gründen unzulässig wie derjenige der Klägerin.
II. Revision der Klägerin
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Das Berufungsurteil hält, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden
ist, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Zwischenfeststellungsklage
der Klägerin ist nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
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1. Die Klägerin begehrt mit ihrem Antrag die Feststellung eines
Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO.
16
a) Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung
einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen
(vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2008 VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 10
m.w.N.). Darunter sind auch einzelne auf einem umfassenderen Rechtsverhältnis
beruhende Ansprüche oder Rechte zu verstehen, nicht dagegen einzelne Vorfragen
(vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1967 II ZR 171/65, WM 1967, 419). Ein
Kündigungsgrund kann allein das Rechtsverhältnis darstellen, wenn die Kündigung
selbst bereits zu bestimmten Rechtsfolgen führt (vgl. BGH, Urteil vom 16.
Februar 1967 II ZR 171/65, WM 1967, 419; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3.
Aufl., § 256 Rn. 79).
17
b) Entsprechend diesen Grundsätzen handelt es sich bei "der Rechtsnatur" der
mit Schreiben vom 3. Mai 2001 ausgesprochenen Kündigung (Kündigung aus wichtigem
Grund oder freie Kündigung) um ein zwischen den Parteien streitiges
Rechtsverhältnis, weil hiervon im Hinblick auf § 8 Nr. 3 VOB/B einerseits und
auf § 8 Nr. 1 VOB/B, § 649 BGB andererseits unterschiedliche Rechtsfolgen
abhängen.
18
2. Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO im Streitfall
gegeben.
19
a) Mit der Zwischenfeststellungsklage wird es dem Kläger ermöglicht, neben einer
rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage auch eine solche über nach § 322
Abs. 1 ZPO der Rechtskraft nicht fähige streitige Rechtsverhältnisse
herbeizuführen, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Die
begehrte Feststellung muss sich allerdings grundsätzlich auf einen Gegenstand
beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits
hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist daher grundsätzlich kein
Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.
September 2006 VII ZR 247/05, BGHZ 169, 153 Rn. 12; Zöller/Greger, ZPO, 29.
Aufl., § 256 Rn. 26). Eine Zwischenfeststellungsklage ist jedoch dann zulässig,
wenn mit der Hauptklage mehrere selbständige Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis
verfolgt werden, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die An-sprüche erschöpfen,
die sich aus ihm überhaupt ergeben können (vgl. RGZ 144, 54, 59 ff.; RGZ 170,
328, 330). Diesen Rechtsgrundsatz hat der Bundes-gerichtshof auf den Fall
übertragen, dass die Parteien mit Klage und Widerklage mehrere selbständige
Ansprüche verfolgen, für die das streitige Rechtsverhältnis vorgreiflich ist,
mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus dem
Rechtsverhältnis überhaupt ergeben können (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1967 V ZR
83/66, WM 1967, 1245, 1246; Urteil vom 2. März 1979 V ZR 102/76, MDR 1979, 746,
747). Dies wird damit begründet, dass in beiden Fällen Teilurteile ergehen
können und deshalb die Entscheidungen über das zugrundeliegende
Rechtsverhältnis für nachfolgende Teilurteile und das Schlussurteil von
Bedeutung sein können.
20
b) Entsprechend diesen Grundsätzen ist die Zwischenfeststellungsklage der
Klägerin im Streitfall zulässig. Die Rechtsnatur der Kündigung ist jedenfalls
sowohl für die Klage auf Erstattung der Mehrkosten für die drittseitige
Fertigstellung des Bauvorhabens als auch für die Widerklage auf Zahlung einer
Kündigungsvergütung für nicht erbrachte Leistungen vorgreiflich. Der Einwand
der Beklagten, wegen des engen Verbunds zwischen Klage- und Widerklageantrag sei
für den Erlass von Teilurteilen, für die die Zwischenfeststellung von Bedeutung
sein könnte, kein Raum, weshalb die Zwischenfeststellungsklage unzulässig sei,
ist nicht stichhaltig. Grundsätzlich darf allerdings bei Klage und Widerklage
ein Teilurteil nur erlassen werden, wenn die Gefahr widersprechender
Entscheidungen ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 VII ZR
270/01, BauR 2003, 381, 382 = NZBau 2003, 153). Die Gefahr der Widersprüchlichkeit kann indes gerade dadurch beseitigt werden, dass über eine für
Klage und Widerklage vorgreifliche Vorfrage ein Zwischenfeststellungsurteil
gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ergeht (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 VII ZR
270/01, BauR 2003, 381, 382 f. = NZBau 2003, 153; Urteil vom 26. April 2012 VII
ZR 25/11, BauR 2012, 1391 Rn. 13 = NZBau 2012, 440).
III. Anschlussrevision der Beklagten
21
Die Anschlussrevision der Beklagten ist nicht begründet.
22
1. Allerdings ist die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach es sich bei dem
Berufungsantrag Ziffer III der Beklagten um einen Zwischenfeststellungsantrag
handelt, rechtsfehlerhaft.
23
a) Für die Auslegung von Prozesserklärungen, die der erkennende Senat als
Revisionsgericht selbst vornehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2008
VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 11), ist ebenso wie bei materiell-rechtlichen
Willenserklärungen nicht allein der Wortlaut maßgebend. Entscheidend ist
vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt
der Interessenlage hervorgehen kann. Für die Auslegung eines Klageantrags ist
daher auch die Klagebegründung heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September
2008 VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 11 m.w.N.).
24
b) Entsprechend diesen Grundsätzen ist der Berufungsantrag Ziffer III
dahingehend auszulegen, dass es sich nicht um einen
Zwischenfeststellungsantrag, sondern um einen Antrag auf Erlass eines
Grundurteils (§ 304 Abs. 1 ZPO) bezüglich des geltend gemachten
Vergütungsanspruchs nach § 649 BGB i.V.m. § 8 Nr. 1 VOB/B handelt. Nachdem die
Beklagte in der Berufungsinstanz
die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin im Hinblick darauf, dass die Klage
abweisungsreif sei, für unzulässig erachtet hat und den Berufungsantrag Ziffer
III, wie sich aus dem Schriftsatz vom 30. September 2011, Seite 4 ergibt, nicht
als Zwischenfeststellungsantrag verstanden wissen wollte, kann dieser Antrag
unbeschadet der Formulierung als Feststellungsantrag nur als Antrag auf Erlass
eines Grundurteils bezüglich des geltend gemachten Vergütungsanspruchs nach §
649 BGB i.V.m. § 8 Nr. 1 VOB/B verstanden werden, wie das die Beklagte in ihrer
Nichtzulassungsbeschwerdebegründung getan hat.
25
2. Mit dem Berufungsantrag Ziffer III hat die Beklagte jedoch aus einem anderen
Grund keinen Erfolg. Das Landgericht hat, wie sich aus dem Hinweisbeschluss vom
19. August 2010 ergibt, angesichts der Komplexität des Streitstoffes und der
Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen davon abgesehen, ein Grund- bzw.
Teilurteil zu erlassen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass
das Berufungsgericht es für nicht angemessen erachtet hat, den im ersten
Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits, darunter die Widerklage,
an sich zu ziehen. Für den von der Beklagten begehrten Erlass eines Grundurteils
in der Berufungsinstanz ist damit kein Raum, weil der betreffende Streitstoff
im ersten Rechtszug verblieben ist.
IV.
26
Das Berufungsurteil kann somit nicht bestehen bleiben, soweit zum Nachteil der
Klägerin entschieden worden ist. Der Senat kann nicht in der Sache selbst
entscheiden, da Feststellungen zur Begründetheit der Zwischenfeststellungsklage
der Klägerin fehlen. Die Sache ist deshalb im Umfang der Aufhebung zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
V.
27
Der Senat hat entgegen der Anregung der Beklagten von der in § 21 Abs. 1 Satz 1
GKG vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Nach dieser Vorschrift
werden Gerichtskosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache
nicht entstanden wären. Das setzt voraus, dass das Berufungsgericht gegen eine
klare gesetzliche Regelung verstoßen, insbesondere einen schweren
Verfahrensfehler begangen hat, der offen zu Tage tritt (vgl. BGH, Beschluss vom
10. März 2003 - IV ZR 306/00, NJW-RR 2003, 1294, m.w.N.). Ein solcher Verstoß
liegt hier nicht vor.