BUNDESARBEITSGERICHT
Im Namen des Volkes!
Versäumnisteil- und
Schlussurteil
Um eine inkongruente Deckung im Sinn des Anfechtungsrechts handelt es sich bereits dann, wenn der Schuldner während der "kritischen Zeit" der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, um sie zu vermeiden.
Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar
bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht dagegen noch nicht, wenn der
Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne
dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat.
BAG, Urteil vom 08.05.2014 - 6 AZR 465/12
In Sachen
...
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 durch den Vorsitzenden Richter am
Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht
Gallner und Spelge sowie
die ehrenamtlichen Richter Koch und Dr. Wollensak für
Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. März 2012 - 7 Sa 1053/11 - unter Zurückweisung der weiter gehenden Revision teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Hannover vom 12. Mai 2011 - 4 Ca
379/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und
zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.535,20 Euro
nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Mai
2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das der Klage teilweise stattgebende Versäumnisteilurteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten,
Arbeitsentgelt, das er unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erlangte, im Weg
der Insolvenzanfechtung an die Masse zurückzugewähren.
2
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 30. April 2007
eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S GmbH (Schuldnerin). Der
Insolvenzantrag der AOK vom 9. Februar 2007 war am
12. Februar 2007 beim Insolvenzgericht eingegangen. Der Beklagte war bei der
Schuldnerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel dem
allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im
Maler- und Lackiererhandwerk (RTV) vom 30. März 1992
in seiner jeweiligen Fassung. Nach § 49 Abs. 1 RTV in
seiner Ursprungsfassung und in sämtlichen Folgefassungen verfallen alle
beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem
Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei
Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich
erhoben werden.
3
Die Schuldnerin hatte im Monat vor und im Monat nach
Stellung des Insolvenzantrags aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu
Händen des Gerichtsvollziehers auf dessen Aufforderungen hin insgesamt 1.535,20
Euro an den Beklagten geleistet, um Ansprüche auf Arbeitsentgelt zu erfüllen.
Am 12. Januar 2007 leistete die Schuldnerin 500,00 Euro, am 8. Februar 2007
weitere 500,00 Euro und am 12. März 2007 535,20 Euro.
4
Der Kläger focht die Zahlungen mit Schreiben vom 20.
September 2010 nach § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO an und forderte die
geleisteten Beträge nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Insolvenzeröffnung zurück.
5
Der Kläger hat mit seiner dem Beklagten am 30. Dezember 2010
zugestellten Klage die Auffassung vertreten, die geleisteten Beträge seien nach
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzugewähren. Tarifliche
Ausschlussfristen seien auf Ansprüche des Insolvenzverwalters aus § 129 Abs. 1,
§ 131 Abs. 1, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht anzuwenden. Daran habe sich durch
den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom
27. September 2010 (- GmS-OGB 1/09 - BGHZ 187, 105) nichts geändert. Durch
diese Entscheidung sei lediglich die Rechtswegzuständigkeit im Verhältnis von
Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof geklärt worden. Rückgewähransprüche
aufgrund einer Insolvenzanfechtung beruhten auf einem gesetzlichen
Schuldverhältnis und seien der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien deshalb
entzogen. Es handle sich nicht um „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Im
Übrigen seien die Rückgewähransprüche jedenfalls nicht verfallen. Die
Ausschlussfrist des § 49 Abs. 1 RTV stelle auf die
Fälligkeit aller beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit
darauf ab, ob die Ansprüche für den Gläubiger feststellbar seien. Dem
Insolvenzverwalter werde jedoch die dreijährige Verjährungsfrist der § 146 Abs.
1 InsO, § 195 BGB eingeräumt, um zu prüfen, ob Anfechtungstatbestände gegeben seien.
6
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.535,20 Euro nebst
Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30. April 2007
zu zahlen.
7
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Nachdem der Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht erschienen und nicht vertreten gewesen war, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil erster Instanz durch sog. unechtes Versäumnisurteil zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Leistungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
9
Über die Revision ist durch Versäumnisteilurteil zu
entscheiden, soweit die Klage begründet ist, weil der Beklagte in der Revisionsverhandlung
trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Die Revision hat ganz
überwiegend - hinsichtlich der Hauptsache und des Hauptteils der Zinsforderung
- Erfolg. Dem Kläger stehen die erhobenen Rückgewähransprüche zu. Unbegründet
ist die Revision lediglich, soweit die Vorinstanzen den Zinsantrag für den Tag
der Insolvenzeröffnung am 30. April 2007 abgewiesen haben. Insoweit hat der
Senat ein sog. unechtes Versäumnisteilurteil in Form eines Schlussurteils zu
erlassen, das keinem Rechtsbehelf oder Rechtsmittel unterliegt (vgl. GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74
Rn. 149). Die sog. gemischte Entscheidung eines Versäumnisteil- und
Schlussurteils dient dazu, den Streitstoff im Ganzen aufzuarbeiten (vgl. z. B.
BGH 27. Januar 2012 - V ZR 272/10 - Rn. 6; OLG Düsseldorf 17. Dezember 2012 -
I-9 U 87/10 - zu I der Gründe).
10
A. Soweit der Klage entgegen der Auffassung der Vorinstanzen
stattzugeben ist, hat der Senat durch Versäumnisteilurteil zu entscheiden.
11
I. Eine Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a
ZPO) kommt nicht in Betracht. Dem stehen § 331a Satz
2, § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen, weil in der
Revisionsinstanz bisher keine zweiseitige mündliche Verhandlung stattgefunden
hat (vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 796/06 - Rn. 10
m. w. N., BAGE 123, 301; BGH 4. April 1962 - V ZR 110/60 - zu A der Gründe,
BGHZ 37, 79).
12
II. Für das Säumnisverfahren gelten nach § 555 Abs. 1 Satz 1
ZPO grundsätzlich §§ 330 ff. ZPO.
13
1. Ist der Revisionsbeklagte säumig, wird nach § 72 Abs. 5
ArbGG i. V. m.. §§ 555, 557 ZPO durch (echtes)
Versäumnis(-teil)urteil sachlich entschieden, wenn die Revision nach ihrer
Begründung - wie hier im genannten Umfang - zulässig und sachlich gerechtfertigt
ist (vgl. BAG 10. April 1991 - 5 AZR 226/90 - zu I
der Gründe, BAGE 68, 10; 16. August 1990 - 2 AZR
113/90 - zu I der Gründe). Die Fiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach das
tatsächliche Vorbringen des Klägers als zugestanden gilt, ist jedoch nicht
anzuwenden, weil das Revisionsgericht auf der Grundlage des schon vom
Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts zu entscheiden hat (vgl. BAG
26. Juli 2007 - 8 AZR 796/06 - Rn. 12, BAGE 123, 301;
GK-ArbGG/Mikosch Stand
April 2011 § 73 Rn. 133; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 145). Die ehrenamtlichen Richter
wirken an dem Versäumnis(-teil)urteil mit. § 72 Abs. 6 ArbGG verweist nicht auf
§ 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG (vgl. GMP/Müller-Glöge a. a. O. Rn. 148). Das Versäumnis(-teil)urteil ist
nach § 708 Nr. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. § 62 ArbGG gilt
nicht (vgl. BAG 28. Oktober 1981 - 4 AZR 251/79 -
BAGE 36, 303).
14
2. Gegen das Versäumnis(-teil)urteil ist entsprechend §§
565, 539 Abs. 3, § 339 ZPO binnen zweiwöchiger Frist der Rechtsbehelf des
Einspruchs eröffnet (vgl. BAG 16. August 1990 - 2 AZR
113/90 - am Ende der Gründe; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2011 § 73 Rn. 134; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 148). Der Einspruch unterliegt dem
Vertretungszwang. § 59 Satz 2 ArbGG ist für das Revisionsverfahren durch § 72
Abs. 6 ArbGG anders als für das Berufungsverfahren nach § 64 Abs. 7 ArbGG nicht
in Bezug genommen (vgl. BAG 4. Mai 1956 - 1 AZR
284/55 -; GMP/Müller-Glöge
a. a. O.).
15
III. Das Versäumnisteilurteil beruht inhaltlich allerdings
nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung der Klage (vgl. BGH
28. Januar 2014 - II ZR 154/13 - Rn. 5; 27. Januar 2012 - V ZR 272/10 - Rn. 6;
4. April 1962 - V ZR 110/60 - zu A der Gründe, BGHZ 37, 79). Die
Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO tritt nicht ein. Das Urteil wäre
inhaltlich ebenso ergangen, wenn der Beklagte nicht säumig gewesen wäre,
sondern eine zweiseitige streitige mündliche Verhandlung stattgefunden hätte.
Das steht einem Versäumnis(-teil)urteil nicht entgegen. Ein solches Urteil
setzt begrifflich zwar voraus, dass es gegen die säumige Partei ergeht, aber
nicht auch, dass es inhaltlich auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. näher BGH 4.
April 1962 - V ZR 110/60 - a. a. O.).
16
IV. Die Revision ist bis auf einen geringen Teil des
Zinsantrags begründet.
17
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt
i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt die durch drei Zahlungen
der Schuldnerin vom 12. Januar 2007, 8. Februar 2007 und 12. März 2007 erlangten
Beträge zurück. Es kommt nicht darauf an, wie sich die Beträge auf die
Vergütungsforderungen des Beklagten verteilen.
18
2. Die Klage hat bis auf den Zinsantrag für den 30. April
2007 in der Sache Erfolg. Der Beklagte muss das von der Schuldnerin am 12.
Januar 2007, 8. Februar 2007 und 12. März 2007 gezahlte Entgelt von 1.535,20
Euro nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.. § 143 Abs. 1
Satz 1 InsO an die Masse zurückgewähren. Der Rückforderungsanspruch begegnet
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und unterfällt entgegen der Ansicht der
Vorinstanzen nicht der tariflichen Ausschlussfrist des § 49 Abs. 1 RTV.
19
a) Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Die Anfechtung
richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare
Handlung vorgenommen wurde, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen
oder begründeten Rechts (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR
367/13 - Rn. 11; 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn.
11). Das ist hier der Beklagte. Dass die Zahlungen an den Gerichtsvollzieher
geleistet wurden, unterstreicht den Vollstreckungsdruck und ist für die
Stellung des Beklagten als Anfechtungsgegner unschädlich. Hat der Schuldner in
anfechtbarer Weise an einen vom Gläubiger mit dem Empfang der Leistung
beauftragten Dritten geleistet, trifft die Rückgewährpflicht den Gläubiger und
nicht den Empfangsbeauftragten (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 11; BGH 17. Dezember 2009 - IX ZR 16/09 -
Rn. 12).
20
b) Der Beklagte erlangte im Monat vor Stellung des
Insolvenzantrags und danach Leistungen, die zu seiner inkongruenten
Befriedigung führten. Damit ist der Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO
erfüllt.
21
aa) Um eine inkongruente Deckung
im Sinn des Anfechtungsrechts handelt es sich bereits dann, wenn der Schuldner
während der „kritischen Zeit“ der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag
oder in der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar
drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, um sie zu vermeiden (vgl. BAG
27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 14). Der
Schuldner gewährt damit eine Befriedigung, die der Gläubiger „nicht in der Art“
zu beanspruchen hat. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im
verfahrensrechtlichen Sinn schon begonnen hatte, als die Leistung des
Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar
bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 466/12 - Rn. 24 f.; 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - Rn. 12; BGH 18. Dezember 2003 - IX ZR 199/02 -
zu I 2 a aa der Gründe, BGHZ 157, 242). Ein die
Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden
Zwangsvollstreckung besteht dagegen noch nicht, wenn der Schuldner nach
Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der
Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat (vgl.
BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 14; BGH 20.
Januar 2011 - IX ZR 8/10 - Rn. 8).
22
bb) Die Schuldnerin erbrachte die
angefochtenen Zahlungen erst auf die Zahlungsaufforderungen des
Gerichtsvollziehers hin und damit unter dem Druck der unmittelbar
bevorstehenden Zwangsvollstreckung. Sie musste aufgrund der
Zahlungsaufforderungen damit rechnen, dass die Zwangsvollstreckung unmittelbar
bevorstand, wenn sie die titulierten Forderungen nicht erfüllte. Deshalb
handelte es sich nicht um freiwillige Zahlungen, sondern um Zahlungen unter dem
Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung im Sinn der
höchstrichterlichen Rechtsprechung. Solche Zahlungen sind nicht insolvenzfest.
23
cc) Die zeitlichen Erfordernisse des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO
sind gewahrt. Die ersten beiden Zahlungen erfolgten am 12. Januar 2007 und 8.
Februar 2007, also im letzten Monat vor dem nach § 139 Abs. 1 Satz 1 InsO
maßgeblichen Eingang des Eröffnungsantrags beim Insolvenzgericht am 12. Februar
2007. Die letzte Zahlung leistete die Schuldnerin nach Eingang des
Insolvenzantrags am 12. März 2007. Weitere tatbestandliche Voraussetzungen
enthält § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht.
24
dd) § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO
begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Er verletzt insbesondere nicht
die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG oder den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m.. dem
durch Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Sozialstaatsprinzip. Das hat der Senat
mit seiner Entscheidung vom 27. Februar 2014 eingehend begründet (- 6 AZR 367/13 - Rn. 19 ff., 27 ff.; s. auch BAG 29. Januar
2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 17 ff.). Darauf nimmt er
Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden. Hervorzuheben ist, dass eine
verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO zum Schutz des
Existenzminimums in Fällen der hier gegebenen inkongruenten Deckung durch
Erfüllung von Entgeltrückständen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung
ausscheidet. Bei solchen Vergütungsrückständen können Arbeitnehmer die zur Sicherung
des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen in Anspruch
nehmen (vgl. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn.
43; 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 34; 29.
Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - Rn. 43).
25
c) Die geltend gemachten Ansprüche bestehen fort. Der
insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO ist als
gesetzliches Schuldverhältnis der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien
entzogen. Er unterfällt tariflichen Ausschlussfristen nicht. Das hat der Senat
in seiner jüngeren Rechtsprechung ausführlich begründet (vgl. BAG 27. Februar
2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 35 ff.; 24. Oktober 2013 -
6 AZR 466/12 - Rn. 18 ff.; zustimmend Hamann/Böing jurisPR-ArbR 7/2014 Anm. 1; Froehner
NZI 2014, 133, 134). Darauf verweist der Senat. Der Beklagte führt keine
Argumente an, die Anlass zu einer abweichenden Würdigung geben. Er hat die
erlangte Vergütung an den Kläger zurückzugewähren
(vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 38 m.
w. N.).
26
B. Der Beklagte hat die Rückgewähransprüche des Klägers seit
1. Mai 2007 - dem Folgetag der Insolvenzeröffnung - mit fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz zu verzinsen (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO; § 819 Abs. 1, §
291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO enthält
eine Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB. Aufgrund dieser Anknüpfung
ist der Rückgewähranspruch auf anfechtbar erlangtes Geld als rechtshängiger
Anspruch zu behandeln. Die Regeln über Prozesszinsen sind anzuwenden.
Unerheblich ist, dass der Kläger den Rückgewähranspruch erst mit Schreiben vom
20. September 2010 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat. Die
Insolvenzanfechtung braucht nicht gesondert erklärt zu werden. Der
Rückgewähranspruch wird - von den Fällen des § 147 InsO abgesehen - mit
Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig (vgl. BGH 1. Februar 2007 - IX ZR
96/04 - Rn. 14, 19 f., BGHZ 171, 38). Die Rückgewähransprüche sind jedoch
nicht, wie vom Kläger beantragt, bereits mit dem Tag der Insolvenzeröffnung,
dem 30. April 2007, sondern erst mit dem Folgetag, dem 1. Mai 2007, zu
verzinsen. Die Verzinsungspflicht nach § 187 Abs. 1 BGB beginnt erst mit dem
Folgetag der Fälligkeit (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR
367/13 - Rn. 39 f.; 17. September 2013 - 9 AZR 9/12 -
Rn. 20). Soweit die Zinsen zuzusprechen sind, hat das im Rahmen des
Versäumnisteilurteils zu geschehen. Das Schlussurteil umfasst die Abweisung des
Zinsantrags für den 30. April 2007.
27
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO,
die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des
Versäumnisteilurteils auf § 708 Nr. 2 ZPO.
28
Rechtsbehelfsbelehrung
29
Gegen das Versäumnisteilurteil, mit dem der Klage teilweise
stattgegeben worden ist, steht dem Beklagten der Einspruch zu. Der Einspruch
muss durch Einreichung einer Einspruchsschrift beim Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, von einem Rechtsanwalt oder einer
Organisation i. S. v. § 11 Abs. 2 Nr. 4 oder Nr. 5 ArbGG eingelegt werden. Die
Organisation muss durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt handeln (§ 11
Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 ArbGG). Die Einspruchsschrift muss die Bezeichnung des
Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird, und die Erklärung, dass gegen
dieses Urteil Einspruch eingelegt werde, enthalten. Die Einspruchsfrist beträgt
zwei Wochen. Sie beginnt mit der Zustellung des Versäumnisteilurteils in
vollständiger Fassung.
30
Gegen das Schlussurteil, mit dem die Klage teilweise
abgewiesen worden ist, ist weder ein Rechtsbehelf noch ein Rechtsmittel
gegeben.