Oberlandesgericht München
23 U 3950/12
Leitsatz:
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist kein gesetzliches
Besitzmittlungsverhältnis.
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
erlässt das Oberlandesgericht München -23. Zivilsenat- durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, die Richterin am
Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 18.04.2013 folgendes
Endurteil:
1. Auf die Berufung des Beklagten werden das Endurteil des
Landgerichts München II vom 29.08.2012, Az. 14 O 4100/11 und das
Versäumnisurteil des Landgerichts München II vom 19.01.2012, 14 O 4100/11
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis. Die übrigen
Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des
zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Herausgabe eines Pkw
Daimler Benz 280 SE Coupé.
Der Beklagte ist der ehemalige Lebensgefährte der Klägerin.
Die Parteien wohnten bis zum Auszug der Klägerin im Februar 2011 mit drei
gemeinsamen Kindern in der E.-straße in W.
Mit Kaufvertrag vom ... 07.2006 (Anlage K 6) erwarb der
Beklagte den streitgegenständlichen Pkw Daimler Benz 280 SE Coupé. Dieser wurde
jedenfalls auch vom Beklagten gefahren. Bei Auszug der Klägerin blieb das
Fahrzeug, das in den Wintermonaten nicht benutzt wurde, in einer vom Beklagten
angemieteten Garage in P.
Die Klägerin verlangt Herausgabe nach § 985 BGB. Sie
behauptet, der Beklagte habe ihr am 14.07.2007 anlässlich ihres Geburtstags
einen Schlüssel zu dem Pkw überreicht und das Fahrzeug geschenkt. Dies sei von
Anfang an so geplant gewesen, da sie sich schon immer ein Fahrzeug dieses Typs
gewünscht habe.
Das Landgericht hat den in der mündlichen Verhandlung vom
19.01.2012 nicht erschienen und nicht vertretenen Beklagten durch
Versäumnisurteil verurteilt, das Kfz Daimler Benz,
Fahrzeugidentifizierungsnummer …79, amtl. Kennz. … an
die Klägerin herauszugeben.
Die Klägerin hat zuletzt in erster Instanz beantragt,
das
Versäumnisurteil des Landgerichts München II vom 19.01.2012 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte hat beantragt,
das
Versäumnisurteil vom 19.01.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, das Fahrzeug habe nicht ihm, sondern
seinem Bruder, dem Zeugen R., gehört. Der Beklagte habe es für seinen Bruder
als Kapitalanlage erworben. Er, der Beklagte, habe nicht die finanziellen
Mittel gehabt, das Fahrzeug selbst zu kaufen und der Klägerin zu schenken. Am
14.07.2007 habe er der Klägerin weder einen Schlüssel übergeben noch erklärt,
er schenke ihr das Fahrzeug. Die Klägerin habe bis zu ihrem Auszug den
Kfz-Brief nicht in ihrem Besitz gehabt und nie das Fahrzeug benutzt.
Die Ladung zum Termin vom 19.01.2012 habe der Beklagte nicht
erhalten, da er ab September 2011 bei seinem Bruder in G. gewohnt habe.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach
§ 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage in vollem Umfang für
zulässig und begründet erachtet und daher das Versäumnisurteil vom 19.01.2012
aufrechterhalten. Der Beklagte habe im Oktober 2011 in der S.-straße 14 in T.
eine Wohnung unterhalten, so dass Klage und Ladung zum Termin vom 19.01.2012
wirksam an diese Adresse zugestellt worden seien. Ein Herausgabeanspruch der
Klägerin aus § 985 BGB bestehe. Der Beklagte habe zunächst selbst das Eigentum
an dem Fahrzeug erworben. Aufgrund der Angaben des Zeugen K. sei auch erwiesen,
dass der Beklagte am 14.07.2007 der Klägerin den Pkw unter Übergabe eines
Schlüssels übereignet habe.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Der
Beklagte wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er rügt, das
Landgericht habe die Widersprüche im Sachvortrag der Klägerin und des Zeugen K.
nicht berücksichtigt. Außerdem habe auch nach dem Vortrag der Klägerin keine
Übereignung nach § 929 BGB stattfinden können, da der Beklagte der Klägerin
jedenfalls nicht alle Fahrzeugschlüssel übergeben und das Fahrzeug weiter
benutzt habe. Das Versäumnisurteil sei nicht in gesetzlicher Weise ergangen.
Für eine Ersatzzustellung genüge nicht, dass nur der Rechtsschein einer Wohnung
gesetzt worden sei. Auch ergebe sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch
aus der Postzustellungsurkunde, dass an der Adresse Seestraße 14, Tegernsee,
ein Briefkasten des Beklagten angebracht sei.
Der Beklagte beantragt daher,
das Urteil
des Landgerichts München II vom 29.08.2012 abzuändern und die Klage unter
Aufhebung des Versäumnisurteils desselben Gerichts
vom 19.01.2012 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die
Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Die
Mitbenutzung des Fahrzeugs durch den Beklagten ändere nichts an der Wirksamkeit
der Übereignung. In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei es üblich, dass
ein Partner die Gegenstände des anderen Partners mitbenutze. Außerdem seien sich die Parteien stillschweigend einig gewesen, dass
der Beklagte das Fahrzeug auch künftig fahren dürfe. Man habe stillschweigend
eine Leihe vereinbart.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die gewechselten
Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
18.04.2013 (Bl. 169 ff d. A.).
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht
kein Herausgabeanspruch gegen den Beklagten zu.
1. Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des
Landgerichts ist nach § 513 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr zu
überprüfen. Insoweit kommt es auf die Frage, welchen Wohnsitz der Beklagte
hatte bzw. hat, nicht an.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein
Herausgabeanspruch zu:
2.1. Ein Anspruch aus § 985 BGB besteht nicht. Die Klägerin
hat nicht nachgewiesen, dass ihr das Auto vom Beklagten wirksam übereignet
wurde.
2.1.1 Der Pkw wurde der Klägerin nicht nach § 929 BGB
übereignet. Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass
der Beklagte am 14.07.2007 Eigentümer des Fahrzeugs war und der Klägerin den
Schlüssel des Pkw überreichte mit der Erklärung, er schenke ihr das Fahrzeug.
Zwar kann darin eine Einigung über den Eigentumsübergang gesehen werden. Eine
Übereignung nach § 929 BGB setzt aber weiter voraus, dass der Veräußerer
jeglichen Besitz aufgibt (BGH NJW-RR 2005, 280, 281; BGH NJW 1989, 2542, 2543;
BGH NJW 1979, 714, 715). Daran fehlt es vorliegend. Auch nach dem Vortrag der
Klägerin und der Aussage des Zeugen K. (Protokoll vom 29.03.2012, S. 3, Bl. 73
d. A.) hat der Beklagte der Klägerin nicht alle, sondern nur einen Fahrzeugschlüssel
übergeben, und das Fahrzeug unstreitig nach der Feier am 14.07.2007 auch noch
selbst benutzt. Zudem befand sich der Pkw weiterhin in einer vom Beklagten
angemieteten Garage, zu der außer der Klägerin auch der Beklagte jederzeit
Zugang hatte. Somit hatte der Beklagte auch nach Übergabe des Schlüssels noch
Mitbesitz an dem Fahrzeug.
2.1.2 Das Fahrzeug wurde der Klägerin auch nicht nach § 929,
§ 930 BGB wirksam übereignet. Eine Übereignung nach § 929, § 930 BGB setzt
voraus, dass zwischen den Parteien ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis i.
S. des § 868 BGB bestand oder begründet wurde, kraft dessen der Veräußerer
seinen Mitbesitz künftig für den Erwerber ausübt. Ein derartiges
Besitzmittlungsverhältnis kann auch durch schlüssiges Verhalten oder etwa durch
eine Sicherungsabrede begründet werden (BGH NJW-RR 2005, 280, 281; BGH NJW
1979, 714, 715). Besteht bereits ein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis
zwischen Veräußerer und Erwerber und entspricht es dem Willen der Beteiligten,
dieses Verhältnis auf die übereignete Sache zu erstrecken, so bedarf es nicht
der Vereinbarung eines besonderen Besitzmittlungsverhältnisses
(BGH NJW 1989, 2542, 2544). Dies gilt im Hinblick auf § 1353 BGB für die
eheliche Lebensgemeinschaft und im Hinblick auf § 1626 Abs. 1 BGB auch für die
sorgeberechtigten Eltern im Verhältnis zu ihrem Kind (BGH NJW 1989, 2542, 2543
f; NJW 1979, 976, 977).
2.1.2.1 Ein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis lag hier
nicht vor. Die Parteien waren nicht verheiratet. Sie lebten mit den drei
gemeinsamen Kindern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Eine
nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet indessen kein gesetzliches
Besitzmittlungsverhältnis i. S. des § 930 BGB. Zwar können sich nach Auflösung
der nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines
Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher
Bedeutung geschaffen wurde, unter Umständen Ausgleichsansprüche nach
Gesellschaftsrecht, nach den Grundsätzen über den Wegfall der
Geschäftsgrundlage oder aus Bereicherungsrecht wegen Zweckverfehlung ergeben.
Dies kommt allerdings nur in Betracht, soweit es sich nicht um Leistungen
handelte, die der Ermöglichung des täglichen Zusammenlebens dienten
(ausführlich etwa BGH NJW 2011, 2888, 2881 f m. w. N.;
BGH NJW 2010, 868, 869). Eine der Ehe vergleichbare, umfassende
Rechtsgemeinschaft mit detailliert geregelten wechselseitigen Rechten und
Pflichten auch bezüglich des Vermögens des anderen ist die nichteheliche
Lebensgemeinschaft aber gerade nicht (Brudermüller in: Palandt, BGB, 72.
Auflage 2013, Einf. v. § 1297 Rz. 32). Insbesondere
findet § 1353 Abs. 1 BGB auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine
Anwendung. Aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft in § 1353 Abs. 1 BGB
ergibt sich die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der
ehelichen Wohnung und des Hausrats zu gestatten, auch wenn ein Ehegatte
Alleineigentümer dieser Sachen ist. Aus der Besitzberechtigung folgt, dass der
mitbesitzende Nichteigentümer dem Eigentümer den Besitz mittelt (BGH NJW 1979, 976,
977). Eine vergleichbare Regelung findet sich für die nichteheliche
Lebensgemeinschaft nicht. Auch aus etwaigen Ausgleichsansprüchen, die sich bei
Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergeben können, lässt sich
nicht der Schluss ziehen, die nichtehelichen Lebensgefährten seien einander zur
Gewährung von Mitbesitz an einer Wohnung oder an Hausratsgegenständen kraft
Gesetzes verpflichtet (das verkennt wohl Oechsler in:
Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 930 Rz.
21). Mithin genügt eine nichteheliche Lebensgemeinschaft anders als die Ehe
nicht als gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis (so auch OLG Düsseldorf,
Urteil vom 16.12.1992, 11 U 47/92, zitiert nach Juris Tz. 4; Bassenge in:
Palandt, a. a. O., § 868 Rz. 10; wohl auch Wiegand
in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 930 Rz.
29; unklar Kindl in: Beck’scher Online-Kommentar BGB,
Stand 01.02.2013, § 930 Rz. 7; a. A. Oechsler in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009,
§ 930 Rz. 21).
2.1.2.2 Die Klägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass ein
konkretes Besitzmittlungsverhältnis zwischen den Parteien vereinbart wurde.
Allein die Übergabe des Schlüssels mit der Erklärung, der
Klägerin den Wagen zu schenken, und die spätere Benutzung des Wagens durch den
Beklagten im Einverständnis mit der Klägerin genügen für sich genommen nicht
als konkludente Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses.
Würde man dies genügen lassen, wäre die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses
in Form der Leihe letztlich identisch mit der Einigung über den
Eigentumsübergang. Damit wäre im Ergebnis die Einigung über den
Eigentumsübergang allein für die Übereignung des Wagens ausreichend, obwohl der
Beklagte weiterhin Mitbesitz hat. Dies widerspricht der gesetzlichen Regelung
in § 929, § 930 BGB. Zudem lässt sich allein der Übergabe eines Schlüssels
nicht hinreichend klar entnehmen, dass der Beklagte den Willen hatte, seinen
Mitbesitz künftig als Fremdbesitzer für die Klägerin auszuüben und den Wagen
unter den Voraussetzungen des § 604 BGB an die Klägerin herauszugeben.
Zwar hat die Klägerin auf entsprechenden Hinweis des Senats
vorgetragen, die Parteien seien sich stillschweigend einig gewesen, dass der
Beklagte auch nach der Geburtstagsfeier den Wagen kostenlos sollte nutzen
dürfen, und hätten bereits antizipiert ein Leiheverhältnis
i. S. d. §§ 598 ff. BGB vereinbart (Schriftsatz vom 06.03.2013, S. 1 f, Bl. 167
f. d. A.). Indessen hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung
vom 18.04.2013 (Protokoll S. 2, Bl. 170 d. A.) die (stillschweigende)
Vereinbarung einer Leihe bestritten. Einen Beweis für ihre Behauptung hat die
Klägerin nicht angeboten.
2.2. Andere Anspruchsgrundlagen für einen Herausgabeanspruch
der Klägerin sind weder dargetan noch ersichtlich.
2.2.1 Ein Anspruch auf Übergabe (und Übereignung) des
Fahrzeugs aus einem Schenkungsversprechen nach § 516 BGB besteht nicht. Die
nach § 518 BGB notwendige notarielle Form wurde nicht gewahrt, so dass ein
etwaiges Schenkungsversprechen unwirksam ist, § 125 BGB. Der Formmangel wurde
auch nicht nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt, da es, wie ausgeführt, gerade an
einer wirksamen Übereignung fehlt.
2.2.2 Ein Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls
nicht. Unstreitig ist die Klägerin ausgezogen und hat dabei das Fahrzeug in der
vom Beklagten angemieteten Garage und den Fahrzeugschlüssel in der - ehemals -
gemeinsamen Wohnung zurückgelassen. Ein Fall von verbotener Eigenmacht des
Beklagten i. S. des § 858 BGB liegt mithin nicht vor.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1, §
344 ZPO.
Der Beklagte hat die Kosten seiner Säumnis zu tragen. Das
Versäumnisurteil ist in gesetzlicher Weise ergangen, insbesondere wurde dem
Beklagten die Ladung zum Termin vom 19.01.2012 ordnungsgemäß zugestellt:
Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 28.10.2011 (nach
Bl. 19 d. A.) wurde die Terminsladung dem Beklagten
unter der Adresse „S.-straße 14, T.“ durch Einlegung „in den zur Wohnung
gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung“ zugestellt. Die
Postzustellungsurkunde ist nach § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 ZPO eine öffentliche
Urkunde und begründet daher den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen,
mithin insbesondere die Einlegung der Ladung in einen zur Wohnung gehörenden
Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung (BGH NJW 2006, 150, 151). Dagegen
ist nach § 418 Abs. 2 ZPO nur der Beweis des Gegenteils möglich. Hierfür genügt
es nicht, wenn der Adressat lediglich behauptet, das Schriftstück nicht
erhalten zu haben. Notwendig ist vielmehr der vollständige Beweis der
Unrichtigkeit der in der Urkunde bezeugten Tatsachen (BGH NJW 2006, 150151). Diesen
hat der Beklagte nicht geführt. Insbesondere hat er keinen Beweis für seine
Behauptung angeboten, der Zusteller habe sich „nur der Post entledigt“
(Schriftsatz vom 13.02.2012, S. 1, Bl. 41 d. A.) und es sei fehle an einem
Briefkasten des Beklagten in der S.-straße 14, T. (Berufungsbegründung S. 5,
Bl. 137 d. A.).
Zutreffend verweist der Beklagte allerdings darauf, dass die
Beweiskraft der Postzustellungsurkunde sich nicht darauf erstreckt, dass der
Beklagte zum Einwurfzeitpunkt an der angegebenen Adresse
tatsächlich wohnte. Ob der bloße, vom Empfänger zurechenbar gesetzte
Rechtsschein, er unterhalte unter der Anschrift eine Wohnung, für eine wirksame
Ersatzzustellung nach §§ 178 ff. BGB reicht, ist umstritten (ablehnend BGH,
Urteil vom 16.6.2011, III ZR 342/09, NJW 2011, 2440, 2441; Hüßtege in: Thomas
/Putzo, a. a. O., § 178 Rz. 7; a. A. jedenfalls für
die Ersatzzustellung in Geschäftsräumen BGH, Urteil vom 24.02.2010, XII ZB
168/08, zitiert nach Juris Tz. 11).
Darauf kommt es indessen hier nicht an, da der Beklagte in
der S.-straße 14, T. jedenfalls auch eine Wohnung im Sinne der §§ 178, 180 ZPO
hatte. Insoweit kann auf die umfangreichen und zutreffenden Ausführungen des
Landgerichts auf S. 4 bis 6 der Entscheidungsgründe verwiesen werden. Entgegen
der Ansicht des Beklagten (Berufungsbegründung S. 5, Bl. 137 d. A.) hat das
Landgericht nicht darauf abgestellt, dass der Beklagte nur den Rechtsschein
einer Wohnung gesetzt habe. Vielmehr geht das Landgericht aufgrund einer
Vielzahl von Indizien davon aus, dass der Beklagte zum Zustellungszeitpunkt im
Oktober 2011 dort tatsächlich wohnte (s. Urteil S.6,
2. Absatz). Dies ist nicht zu beanstanden. Nur ergänzend sei darauf verwiesen,
dass es für die Frage der Wohnung i. S. des § 178 BGB auf den tatsächlichen
räumlichen Lebensmittelpunkt ankommt, nicht auf die Frage, mit welchem Wohnsitz
der Empfänger gemeldet ist (Hüßtege in: Thomas/Putzo, a. a. O., § 181 Rz. 3 a). Darüber hinaus kann eine Person auch mehrere Wohnungen
i. S. der Zustellungsvorschriften haben (OLG Köln, NJW-RR 1989, 443 f). Selbst
wenn also der Beklagte, wie er selbst behauptet (Protokoll der Verhandlung vom
29.03.2012, S. 2, Bl. 71 d. A.), die Wohnung in der S.straße
in T. primär für die wöchentliche Ausübung des Umgangsrecht mit den Kindern
benutzte, sich aber ansonsten bei seinem Bruder in G. aufhielt, schließt dies
die Zustellung in seiner Wohnung in T. nicht aus, wie das Landgericht
zutreffend ausgeführt hat.
4. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708
Nr. 10, § 711 ZPO.
5. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Der Senat weicht weder von höchst- noch von obergerichtlicher Rechtsprechung ab.